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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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Nr. 135
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116

Soldatenstücklein.

sprachen sie doch aus, was er vor einer Viertelstunde geträumt
und gedacht. Doch wie einst die Gefahr der Liebsten ihn des
Dienstes strenger Pflicht entzogen, so weckte ihn diesmal die
gleiche Gefahr aus dem Taumel der Verirrung. — „Wie?"
rief er aus: „der Herr General läßt Alles geschehen, ohne fich
zu wehren? Ein Ausfall jagt den Feind vom Damm, fichert
das Schloß." — Wernher zuckte die Achseln. „Ich bin zu
schwach dazu," murmelte er: „mir fehlt ein entschlossener Führer
für das verzweifelte Wagestück. Wer wird fich dazu hergeben?
Und thät' es ein Offizier, die Gemeinen würden nicht folgen
mögen." Eberhard that, als Härte er diese Rede nicht ver-
nommen, und trat ein paar Schritte zurück; Eckbrecht aber
rief schmerzlichen Tones aus: ,,3Bär' ich frei und hält' ich ein
paar Dutzend meiner alten Burschen, wir wollten die Kuruzzen
in alle Winde sprengen."

„Führ' un-, Hauptmann, wir folgen dir!" antworteten
mannhafte Stimmen. — Bei den deutschen Söldnern, welche
Wernher mitgebracht, befanden fich nämlich viele, die unter
Eckbrecht gefochten hatten; sobald fich nun die Kunde verbreitet,
daß er gefangen im Schloß fitze, waren fie zusammengelaufen.
Der unglückselige Offizier hatte ohnehin beim gemeinen Mann
nie für schuldig gegolten, und jetzo erschien der tapfte geliebte
Führer wie ein Retter in höchster Roth. — „Führ' uns zum
Sieg, Eckbrecht," schrieen die Kriegsleute: „dir leben, dir ster-
ben wir." Aufflackernd in frischer Kampfeslust richtete Eck-
brecht einen bittenden Blick auf den General. Wernher zögerte.
Da sprach Romana: „Des Volkes Stimme, Gottes Stimme."
— „Wohlan, es sei," sagte der Befehlshaber: „ich nehme die
Verantwortung auf mich. Einen Degen her für den Herrn
Eckbrecht." — „Nicht doch," rief der: „eine Pike. Den
Degen muß ich erst wieder verdienen, und Hab' ich ihn, dann
sei sein erster Trank das Blut des Buben, der ftevelnd Hand
an mich gelegt." — „Ich werde zu Diensten stehen," entgeg-
nete Eberhard: „sobald es mit Ehren geschehen mag. Schwer
empfind' ich den Schimpf, daß ein Züchtling zu den Füßen
meiner Braut fich fand." — „Braut?" stammelte Eckbrecht
mit bleichen Lippen, doch blieb nicht Muße zu Frag' oder
Antwort. Ungestüm rief und drängle der Soldat zum Aus-
fall, und noch dringender mahnten die feindlichen Geschütze
zur Elle, unter deren Kugeln die Mauer zu wanken und ein-
zustürzen begann. Die Kuruzzen wollten offenbar auch bei
Nacht ihr Feuer nicht einstellen, vermmhlich um dann gegen
Morgen Sturm zu laufen. Darauf waren fie vorbereitet, doch
nicht auf daS, was ihnen begegnen sollte. An einen Ausfall
dachten fie so wenig, als an eine Einladung zu des Kaisers
Tafel. —

Sobald es dunkel geworden, zog das Häuflein dem beherzten
Eckbrecht nach an den Flanken des Dammes hin, mehr krie-
ckend als gehend. Die Vordersten kamen unbemerkt zum
Durchschnitt, hinter welchem die Stücke aufgepflanzt standen.
Keine Wache war ausgestellt. Mil Laden und Losbrennen
ausschließlich beschäftigt, wußten die Stückschützen nicht wie
ihnen geschah, als fie urplötzlich rufen hätten: „Es gilt!"
Wie vom Himmel geschneit standen einige Männer in ihrer

Mitte, die nächsten niederschlagend. Andre kamen eiligen Fußes
nach, auf dem Damm einherlaufend, den keine Kugeln mehr
bestrichen. Tie Kuruzzen wehrten fich als wackre Leute, und
auch ihnen kam durch die Laufgräben Verstärkung zu. Wild
und mörderisch entspann sich das Handgemenge. Den Magy-
aren gereichte ihre Ueberzahl nicht zum Vortheil, weil sie auf
vem beschränkten Kampfplatz ihre Massen nicht entwickeln,
keinen Reiterangriff ausführen konnten. Die Deutschen schlu-
gen bärenhaft drein und wurzelten im Boden wie die Eich-
bäume, während rüstige Hände den Durchschnitt zuwarsen, die
Stücke wendeten und bespannten.

Als nach der mörderischen Nacht der Morgen aufdämmerte,
stand das tapfte Häuflein der Vertheidiger in guter Ordnung
unter den Mauern der Burg, aus den eroberten Stücken
feuernd, und dabei von den Wattgeschützen kräftig unterstützt.
Der Feind räumte den Damm, und in der nächsten Stunde
auch die Gegend. Nur im Vorübergehen hatte er das Schloß
nehmen wollen; zur Belagerung hatte er keine Zeit, und jetzt,
nach dem Verlust der Feldstücke, auch keine Mittel zur Hand.
Die Veste war gerettet, doch um hohen Preis. Todeswund
lag Eckbrecht auf der Bahre. Reden konnte er nicht mehr,
doch sprachen für die Lippen noch die Augen, bevor fie brachen.
Eine Hand hielt Wernher, die andre Romana. — „Tu sollst
als ein ehrlicher Soldat bestattet werden," verhieß der alte
Kriegsmann. — „Ich bin deine Wittwe und bleibe deine
Braut," gelobte die Zungsrau. Und beide haben Wort gehalten.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Soldatenstücklein"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Dietz, Feodor
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Trauer <Motiv>
Soldat <Motiv>
Krankentrage
Toter <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 135, S. 116
 
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