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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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147

Der Freischütz.

Da erst gewann Publicum Athem und Besinnung wieder.

„Caspar 'rauS!" tobte jetzt die Menge — „'raus! 'raus!
Caspar 'raus!"

„Samiel ooch!" piepte die ganz feine Stimme.

„Caspar 'raus — 'raus mit 'ein Caspar!"

Osseld und Wehrig suchten Caspar zu überreden, daß er
sich doch „dem Volke zeigen möchte," dieser aber, der sich schon
eines höchst nöthigen Kleidungsstückes entledigt hatte, rief
ihnen entgegen:

„Ich kann ja nicht — ich
bin ja schon ausgezogen —"
doch was halfen solche Ent-
schuldigungen — „es tobt der
See, und will sein Opfer ha-
ben." „Caspar 'raus," don-
nerte die Menge, und er mußte,
wohl oder übel, in das Klei-
dungsstückzurückfahren. Schnell
zog er sich dabei noch den alten
Oberrock über, frug den Direk-
tor, als er sich die Haare aus
dem Gesicht strich und die zwei
untersten Knöpfe einhakte, „was
zeig' ich denn an?" und trat
auf die schnell gegebene Ant-
wort hinaus.

„Bravo!" schrie die Masse

— „noch emal so en Feier!"
eine einzelne Stimme, und Cas-
par sprach, die rechte Hand
auf dem Herzen und mit tiefer
Verneigung:

„Ich hoffe — diesen Bei-
fall — nicht verdient zu haben

— heute über acht Tage" —
fuhr er dann aber mit etwas

erhöhter Stimme fort, werden wir die Ehre haben wieder
aufzuführen:

„Kunibert von Eulenhorst oder der geschundene
Raubritter — Ritterschauspiel in fünf Aufzügen."

„MagnuS soll leben — hoch!" jubelten ein paar Tenor-
stimmen — „hoch! und abermals hoch!" fiel der
und hinaus strömte das Publicum ins Freie.

Osseld und Wehrig blieben noch zurück und waren schwel-
gende Zeugen, wie die Herrlichkeit verging, wie die Lichter
erloschen — die Künstler wieder Menschen wurden. Das
Komische war entschwunden und der Ernst des Lebens schaute
höhnisch, wie aus einem nackten Todtenschädel hervor.

„Was macht daS Kind?" frug Mar, der die Jagdkleider
abgelegt und nur die Reiterstiefeln noch anbehalten hatte, eine
junge Frau — seine Frau, die eben zur Thür hereintrat.

„Es lebt noch," erwiederte diese mit verweinten Augen —
„wenn du'S aber noch einmal sehen willst, so mach', daß du
zu Hause kommst."

„Ist Ihr Kind so krank?" frug ihn Osseld theilnehmend.

„Ja — ich glaubte nicht, daß ich eS nach dem Theater
noch am Leben finden würde" — seufzte Mar aus tiefer Brust.

„Wie konnten Sie aber spielen, wenn Sie Ihr Kind zu
Hause so leidend wußten?"

„Der Winter ist hart," seufzte die Frau — „und die paar
Groschen rhun Noch." Damit verschwanden die Beiden in der Thür.

Magnus sah ihnen, daS Kinn in die Hand gestützt, nach;
dann wandte er fich seufzend ab und murmelte — mehr mit
sich selbst, als zu den Anderen redend:

„Ja, ja — es thut weh — recht weh — dagegen kommt'S
aber doch nicht auf, wenn man draußen stehn und den Hans-
wurst machen, tanzen, springen und tolle Spässe reißen muß

— und daheim dann indessen die Frau auf dem Stroh liegt."

„Und das haben Sie gethan?"

„Der Mensch kann viel ertragen," fuhr der Direktor fort,
indem er das Hackebret wieder in den Kasten legte — „leben,
mein Gott, leben wollen wir ja Alle — ich habe sieben Kinder."

„Bringt Ihnen denn daS Theaterspielen auch so viel ein,
daß Sie davon leben können?" trug Wehrig.

„Im Winter, ja — wenn nur die langen Sommerabende
nicht wären — da aber einen ganzen Abend Komövie zu spielen
und nachher— es ist schon da gewesen, vier Pfennige auf
den Antheil heraus zu bekommen, da reicht's denn freilich nicht
einmal für trocken Brod aus."

„Warum ergreifen Sie aber nicht etwas Anderes, verstehen
Sie keine Profession?"

„Ja — aber das ist zu spät!" seufzte Jener, „ich bin alt
und schwächlich — würde auch keine Kundschaft mehr bekommen."

„Dann sollten Sie fich aber wenigstens bemühen, Ihr
Theater so viel als möglich zu verbessern. Eine erhöhte Bühne
würde Ihnen zum Beispiel einen viel größeren Zuhörerkreis
sichern, weil dann auch die weiter Zurückstehenden im Stande
wären, von den Schauspielern mehr zu sehen, als eben die Köpfe."

„Ja, wenn ich das dürfte!" erwiederte der Direktor, „daS
ist mir aber polizeilich verboten — warum, weiß der liebe
Gott; sie können doch unmöglich fürchten, daß ich dem Hof-
theater Schaden thue. Auch darf ich nie mehr wie vier
Personen auf einmal draußen stehen lassen — da kriecht immer
so ein oder der andere Polizeidiener hier herum, und neulich,
wo einmal aus Versehen fünfe geblieben waren, zeigte mich
der an, und ich mußte einen Thaler und fünfzehn Neugroschen
Strafe bezahlen — daS schmerzt. Ein und zwanzig Groschen
hatten wir im Ganzen eingenommen, und nun noch der Saal
und die Lichter. Ja, wenn die großen Herren da oben nur
manchmal wüßten, wie ungerecht solche Strafen vertheilt find

— sie änderten es gewiß ab — denn so bös find sie nicht,
sie wissen's nur nicht. Ein Thaler fünfzehn Neugroschen —
das klingt ihnen so unbedeutend — so wie gar Nichts — und
dafür mußten neun Menschen zwei Tage lang hungern."

„Läßt sich denn aber dagegen garNichts thun?" frug OSfeld.

„Gegen die Polizei?" meinte achselzuckend Magnus und
lächelte mitleidig über die Frage. „Doch, meine Herren, ich
muß zu Hause — die Frauen sind schon Alle fort — beehren

19 *
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Freischütz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schauspieler <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Der Freischütz <Motiv>
Verbeugung <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 139, S. 147
 
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