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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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Es ist waS faul im Staate Dänemark.

134

E- ist wa- faul im Staate Dänemark.

(Shakspeare's Hamlet.)

Kopenhagen im Januar 1848.

Werthgeschätzter Landsmann, Vetter und Freund!

Boch immer gedenke ich mit großer Rührung der mannig-
faltigen Beweise von Liebe, welche ich in Ihrem Hause genossen,
und glaube, meinen Dank für jetzt noch nicht besser abtragen
zu können, als indem ich Ihnen, verehrter Herr! meine ferneren
Schicksale getreulich berichte.

Daß ich meines Zeichens ein Schuhmacher bin, ist Ihnen
bekannt, ebenso wissen Sie auch, daß ich nebst mehreren meiner
Mitgesellen das Unglück hatte, der Gegenstand der innigsten
Bekümmernisse aller Gensd'armen und Polizeidiener zu werden,
weil man höchstgefährliche demagogische Umtriebe in unserer
Brust ahnete, die wir nach dem Vorbilde der Studenten mit
einigen bunten Farben behängen hatten. Wer ich kann Ihnen
zu Gott schwören, und Sie könnend mir glauben, (denn da
ich mich nicht mehr innerhalb Deutschlands Grenzen aufhalte,
stehe ich, so zu sagen, jenseits des Grabes, und kann ohne
Furcht vor Sttafe die Wahrheit einer jeden Sache aussprechen),
die Tendenzen unserer Verbindung waren einer so großen Be-
mühung von Seiten der hohen Polizei nicht Werth; und Gott
soll mich strafen, wenn unser kühnstes Freiheitsideal über das
Tabaksrauchen auf der Sttaße und die Abschaffung der Poli-
zeistunde hinausging! Sie Derehrtester! nahmen während
meiner zehnjährigen Voruntersuchung, deren Resultat war, daß
ich vollkommen frei gesprochen wurde, den wärmsten Antheil
an mir, und verschafften mir später die Mittel, Dänemark zu
erreichen. Aber während meiner langen Voruntersuchungshaft
war ich in meinem Handwerke so zurückgekommen, und so viele
neue Moden waren unterdeß auf die Füße gekommen, daß ich
mich genöthigt sah, meine frühere Beschäftigung aufzugeben; und
so habe ich mich denn jetzt nach den mannigfaltigsten SchicksalS-

läuften hier in Kopenhagen zu dem Redacteur der „Fledermaus,
einer Tagesschrift für deutsche Interessen," emporgeschwungen.

Sie können fich keine ttaurigere Eristenz denken, als die
eines RedacteurS „der Fledermaus für deutsche Interessen" in
Kopenhagen. Die „Fledermaus" erscheint jeden Abend mit
einbrechender Dunkelheit, und nach einem Fluge von höchstens
einer halben Stunde find schon alle öffentlichen Exemplare von
den Spionen der dänischen Polizei in die Schlupfwinkel der
alten Gemäuer zurückgeführt. Und doch kann ich Ihnen, als
Redacteur, verfichern, daß dieses Blatt, obgleich es manchen
beißenden Artikel gegen den deutschen Bundestag enthält, den-
noch für Dänemark im höchsten Grade ungefährlich ist. Denn
den, in Kopenhagen ansässigen oder sich aufhaltenden Deutschen,
liegen die deutschen Interessen so wenig am Herzen, als etwan
den Chinesen, und die Dänen verstehen zu wenig deutsch, um
mein Blatt zu verstehen. Das ist es eben, weil die Dänen
daS Deutsche so wenig verstehen, deßhalb Haffen sie Alles, was
Deutsch heißt, so furchtbar, daß man fast glauben sollte, sie
hielten die Deutschen für die gefährlichsten Menschen, und viel
schädlicher als Russen, Engländer und Franzosen.

Aber, werden Sie denken, wenn man allem Deutschen dort
so feindselig ist, weßhalb unterdrückt man nicht sogleich die
„Fledermaus, eine TageSschrist für deutsche Interessen" in Ko-
penhagen?— Die Frage liegt nahe. Aber Sie müssen wissen,
daß hier ein alter wackerer Polizeispion lebt, (ein Deutscher
und ehemaliger Hauptdemagog), dessen Ausgabe darin besteht,
den Einfluß der Fledermaus auf die Gemüther der Kopenha-
gener Deutschen zu beobachten, und da der gute Mann sonst
viel Verdienste hat, so läßt man als eine Art von Sinecure
für ihn mein vielgeleseneS Blatt noch bestehen.

(Einige Tage später.)

Trauer erfüllt ganz Kopenhagen, die Schiffe im Hafen
haben schwarze Flaggen aufgezogen; in allen Kirchen hört
man Todtenlieder, und selbst der Buchwaizenpudding, das Na-
tionaleffen der guten Dänen, erscheint in einer schwarzen Sauye
bei Tafel; denn der geliebte Vater des dänischen Vaterlandes
ist so eben gestorben, oder um mich des dänischen Ausdruckes
zu bedienen, da dies Volk gleich den Engländern viele Aus-
drücke in seiner Sprache aus dem Schifferleben nimmt —
abgesegelt, und hat einem anderen Vater des Vaterlandes
Platz gemacht.

Dieser herrliche Regent hat acht Jahr und einige Monate
sein Volk beglückt, und fich eine europäische Berühmtheit
erworben durch den bekannten offenen Brief. Der Inhalt
dieses offenen Briefes, von vielen Köpfen ersonnen, ist von
König Christian mit so bewunderungswürdiger Meisterschaft
zu einem Ganzen vereinigt, daß die meisten Leute bis jetzt noch
glauben, er rühre einzig und allein von Christian VIII. her.
Sie wissen, daß dieser offene Brief des Dänenkönigs wie ein
Blitzstrahl von Norden her unter die guten Deutschen schlug,
und Deutschlands Bevölkerung, wie gewöhnlich alle wichtige-
ren Ereignisse dies zu thun pflegen, in drei Klaffen spaltete,
nämlich in daS deutsche Volk, den deutschen Bundestag und
die deutschen Fürsten. Bei den deutschen Fürsten hatte der
offene Brief König Christians zur Folge, daß dieser Mo-
narch als Antwort in kurzer Zeit einige dreißig wohlver-
siegelte und diplomatisch coubertirte Schreiben erhielt. Bei
dem deutschen Bundestage bewirkte er, daß dieser hohe Reprä-
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"Es ist was faul im Staate Dänemark"
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G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

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Tiermensch
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Fledermäuse <Motiv>
Karikatur
Zeitschrift
Satirische Zeitschrift
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Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 140, S. 154
 
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