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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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Nr. 140
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https://doi.org/10.11588/diglit.2128#0162
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138

Audienz

einer Deputation von Fabrikanten and Kaoftenten bei dem
Fiuanzmiuister.

.Lw. Ercellenz haben die Gnade gehabt, unsre gehorsamste
Eingabe gütigst entgegen nehmen zu wollen, in welcher wir
des Weiteren die Gründe auseinandersetzten, die uns veran-
lassen, um eine Erhöhung des Zollschutzes sowohl auf Baum-
wollen- als Leinen-Garn, wie auch auf Roheisen, und endlich
um einen Differentialzoll für deutsche Schifffahrt ergebenst an-
zutragen, und in der Voraussetzung, daß Ew. Ercellenz in-
zwischen eben diese Gründe geprüft und gewürdiget haben
werden, erlauben wir uns jetzt dieses Gesuch hier mündlich zu
wiederholen.'

(Minister mit hochmüthigem Blick die Männer messend.)

.Haben Sie denn aber wohl, meine Herren, gehörig über-
legt, daß staatswirthschaftliche und finanzielle Angelegenheiten
gar nicht Ihr Fach sind, und weit über 3hre Sphäre hinauS-
reichen?*

.Wir find zu dem Geschäfte der Fabrikation und des Han-
dels erzogen worden, und dabei ausgewachsen, und da unsre
Bitte mit eben diesem Geschäft in nächster Beziehung steht, so
dachten wir.*

.Meine Herren, aus welcher Universität haben Sie studirt?»

.Aus gar keiner, Ercellenz.»

.So haben Sie denn wohl wenigstens daS römische Recht
privatim studirt?»

»Wir haben unS mit den Gesetzen nur in so weit bekannt
gemacht, als sie unfern Geschästskreis berühren.»

.Haben Sie je die Odyssee im Original gelesen, oder die
Aeneide?»

»Weder im Original, noch in der Uebersetzung. So herr-
lich diese Gedichte auch sein mögen, was könnten wir für unser
Fach Nützliches wohl daraus erlernen?»

.Ei! gar Vieles. Der Dichter schildert darin mit glühen-
den Farben die Irrfahrten des Ulysses und seines Sohnes auf
dem Meere, den Handel von TyruS, und Eie finden in alten

Schriftstellern daS getreue Gemälde der alten Handels-Republik
Carthago.»

»3ch erlaube mir, Ew. Ercellenz zu bemerken, daß wir
statt dieser erhabenen, wohl mit Fabel gemischten Dichtungen
und Schilderungen, es vorgezogen haben, die uns nähere,
wahre, wenn auch prosaische Thätigkeit der, nach ganz andrem
Maaßstabe, großen Handels-Republik der Vereinigten Staaten,
und waS uns noch viel näher angeht, den Handel und die
Schifffahrt Englands, praktisch in’8 Auge zu fassen, welches
nie 3rrsahrten macht, weder zur See, noch in seinen
Handels-Grundsätzen, wie gewisse andere Staaten.»

.Sehr wohl gethan für 3hre Geschäfte. — Aber haben
Sie fich je mit den Theorien der Staatswiffenschaften genau
bekannt gemacht?»

.Wie ich die Ehre hatte Euer Ercellenz zu bemerken, wir
haben uns stets mehr an dem Praktischen, als an dem Theore-
tischen gehalten.»

.Haben Sie je den großen Hegel gehört, oder den noch
jetzt so ausgezeichnet wirkenden Schelling?»

.Weder den Einen noch den Andern. — Auch nehme ich
mir die Freiheit, hier Ew. Ercellenz zu bemerken, daß unsre
Eingabe nur auf solide Waaren, so wie z. B. Eisen und der-
gleichen, aber keineswegs auf Hohlglaswaaren und solcherlei
gebrechliches Gut gerichtet ist.»

„Bleiben wir bei der Hauptsache stehen. Sie haben durch-
aus keine Studien gemacht. Lr§o: Ne sutor ultra crepidam.»

»Das will sagen, Ercellenz?»

.Das will sagen: Schuster, bleib' bei deinem Leisten!»

.Wir denken ja eben gerade bei unserm eigenen Leisten
zu sein.»

.Haben Sie je, meine Herren, Logik studirt?»

.Das eben nicht. Aber wir denken, daß der einfache ge-
sunde Menschenverstand hier ausreichen würde.»

Minister (auffahrend.) .Was Menschenverstand! Lassen
wir den Menschenverstand bei Seite; das führt nur zu revolu-
tionairen Grundsätzen, und verflacht noch obenein den Glauben.
Halten Sie fich an 3hrem Geschäft und mischen Sie fich nicht
in Staatsangelegenheiten, von denen Sie nichts verstehen
können, da Sie sämmtlich unstudirte Männer find. —
Adieu.»

(Die Deputation geht ab, unv trifft im Borsaal auf den Mimsterial-
rath.)

Rath. .Nun, wie ist es abgelaufen? 3ch habe 3hnen im
Voraus gesagt, daß Sie nichts ausrichten können.»

.So war's. — Und um den Glauben nicht durch Men-
schenverstand zu verflachen, werden wir wohl künftig an die
Unfehlbarkeit der Büreaucratie glauben müssen.»
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Audienz einer Deputation von Fabrikanten und Kaufleuten bei dem Finanzminister"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Kaufmann <Motiv>
Bürokratie <Motiv>
Audienz <Motiv>
Minister <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 140, S. 158
 
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