Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

Der Spiegelbrunnen.

gerade als ob Etwas mit Gewalt am Eimer zerre. Das Allcr-
schlimmste aber war das: wenn man horchte, vernahm man
zuweilen ein Geschnarch, just als ob da unten Einer schlafe, und
wenn das Geschnarche zu Ende war, begann hier und da ein
absonderliches Gerassel und Geschnaubc, inzwischen durch aber
ein ganz eigenes Gepfeife und Gepips.

Ueberdies stellte sich billiger Weise die Vermuthung ein,
es sei da unten irgend ein Ungethüm, und weil der Doctor
Stauphofer in der Stadt war — welcher von der ganzen Natur-
und Thierangelegenhcit mehr wußte, als alle anderen Gelehrten
mit einander, überdies auch Alles, was die stehenden und
rinnenden Gewässer betrifft und drin ist oder sein kann — ward
der vom Rath und Bürgermeister auf's Gewissen befragt: „Was
das da unten sein könne, ein Drache, Lindwurm oder was
sonst und wie ein solcher Geselle in den Brunnen gekommen
sei, denn hineinfliegen habe ihn Niemand gesehen."

Sagte der Stauphofer: „Nach all' dem, was ich von
Andern und selbst gehört habe, ist da kein Drache und kein
Lindwurm, sondern aber etwas noch viel Aergeres, das heißt

— ein Basiliska. Sage ich so: Die Drachen feind mehr im
Trocknen, auf Sand oder in denen Gehölzen — die Lindwürmer
mehr au denen Sümpfen — die Basilisken aber haben es mehr
mit dem Quellwasser und graben dem oft zu tiefst nach. Also
definir' ich meines Wissens so: Es hat sich der da unten etwan
irgend wo zu tief eingegraben, daß er sich unterhalb der Erden
nicht mehr ausgekannt und vcrwußt hat, ist weiters in die
Grundwasser hineingekommen, wo's ihm aber nicht getaugt hat,
hat dann alsbald einen Ausweg gesucht, sich folgend wieder
in das Quellwasser verirrt, und zwar in das, das da unten
rinnt, hat sich nun vordersamst da bei uns eingehcimst — und
wird ihn auch so leicht Niemand vertreiben. Denn wer zuhauen,
schießen oder stechen will, muß die Augen aufhaben, weil er
ansonst sein Ziel verfehlt. Das darf aber Keiner. Denn in
der Naturhistoria ist fest ausgesprochen: Was lebendes Wesen
in eines Basiliska's Augen blickt und dessen sonst ansichtig
wird, so lange das Ungethüm lebt, der fallt allsogleich todt um."

Sagte der Bürgermeister: „Da wird cs schwer sein, des
Jammers, und der Gefahr los zu werden. Vielleicht seid Ihr
aber doch im Jrrthum und ist nichts so Gefährliches unten.
Möcht' ich also wohl spekuliren lassen, wie sich die Sache ver-
hält. Ist mir aber nicht bewußt, wie, weil sich nicht leicht
Einer hcrbeilassen wird. — Eines Theils von wegen daß der
Basilisk, wenn er realiter unten wäre, heraufschanen könnte,
alsdann, wie Ihr meint, der Spekulircr todt Umfallen niüßtc

— des Zweiten wegen der bewußten Dünste. Denn die sind auch
nichts Gutes, und könnte Einer wieder sein Leben lassen müssen.
Laßt uns denn zum Brunnen gehen, da will ich dann das
Volk fragen, ob Einer gegen gute Belohnung hinabschaucn will."

Begaben sich also der Bürgermeister mitsammt dem Rath
und dem Doktor Stauphofer zum Brunnen, um den der Leute
genug standen, insbesondere auch viel Weibsen, alt und jung, und
fragte: Ob Einer oder Eine die That wagen wolle, sintemal
der Preis und Lohn ein Pfund Pfennige sei. Es fand sich
aber Niemand, und war allerseits großes Nachdenken, bis der

gelahrte Doktor Stauphofer sagte, ihm falle etwas ein, und fragte
den Bürgermeister: „Habt Ihr des Augenblickes einen recht
Scharfen im Gcfängniß?"

Antwortete der Bürgermeister: „Gcrad' genug und Einer
ist von der Weis', daß er eh' den Tod, als Vangknuß ver-
dient hätte."

Sagte der Stauphofer: „Recht so! Den nehmt heraus
und gebt ihm einen brennenden Span in die Hand. Da habt
Ihr so viel thunlich für sein Leben gesorgt, denn das Feuer
am Span verzehrt der bösen Dünste viel. Also ist die Sach'
dann so: Bringt ihn der giftige Dunst gleichwohl um, oder
schaut das Unthier just herauf und er ihm in die Augen, also
daß er dann todt umfallt, so hat das so viel nicht zu sagen.
Wann der Gesell aber mit dem Leben davon kommt, schenkt
ihm die Freiheit und dazu ei» Pfund Pfennige. Für das
mocht' er das Wagestück wohl nnternehmen."

Der Vorschlag gefiel Bürgermeister, Rath und Volk ganz
wohl; es währte auch schier keine halbe Stande, so war der
aus deni Gefängniß schon da, hatte begreiflich vorher noch Reu'
und Leid gemacht, nahm jetzt den brennenden Span und spcknlirtc

hinab. Aber nur ein paar Augenblicke. Denn da sprang er
schon hinweg und lallte voll Schrecken: „Gott's Dank, für den
Anblick verdien' ich Freiheit und das Geld Ivohl! da unten
liegt ein grausig wildes Gcthier, dick und lang, in der Mitte
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Spiegelbrunnen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Feuer <Motiv>
Rauch <Motiv>
Gefangener
Karikatur
Ungeheuer
Brunnen <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schaulustige <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1537, S. 2
 
Annotationen