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Der Spiegelbrunncn.

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strcbt's in die Höh nnd ist ganz fcderwüchsig, um den Hals
hat's Ringe wie Eisen, der Kopf ist halb wie ein Geißbock und
wieder wie ein Gockclhahn, und das Gcklau und Krallwcrk an
den Füßen ist über einen Schuh lang, da lüg' ich nicht."

Sagte der Stauphofer: „Hab' ich's nicht gesagt? Das
ist der wahre Basiliska." Drauf kündigte der Bürgermeister
dem Anderen seine Freiheit an und ließ ihm aus dem Stadtseckel
ein Pfund Pfennige bringen; all mit dem war der Spekulirer
ganz erfreut, ließ Bürgermeister nnd Rath leben und machte
sich aus der Stadt. Die zu München aber waren begreiflich
in großer Aufgeregtheit. Denn jetzt waren sie über allem
Zweifel und galt es, das Ungcthüm zu vertreiben oder zu
ermorden, denn für stets konnte cs nicht da unten bleiben.
Und zwar um so weniger, weil Niemand gut stand, ob cs
nicht einmal heraufkäm' und wer weiß, welch' weiteres Unheil
stifte. Ward demnach auf das Eifrigste cousultirt, was zu
thun sei, und meinte der Eine: „Das Beste sei, großes Feuer
auf einem Rost zu machen und dann die brennenden Scheiter
eines Rucks in den Brunnen hinabzuwerfen." Meinte ein
anderer Rathsherr: „Das sei wohl gut. Zuerst aber sollte

man Oel hinabgießcn, damit der Basilisk desto leichter Feuer
fange, nnd dazu viel Pech nnd Schwefel." Sagte der Dritte:
„Der Rath sei wieder gut und noch besser, als der erste. Aber
es sei die Frage, ob der Basilisk nicht zornig werde, also daß
er beim ersten Oel, Pech oder Schwefel herauf nnd unter sie
Alle hineinfahre." Sagte der Bürgermeister: „Der Meinung
bin ich auch, und gilt das Alles nicht. Weiß Einer was
Besseres?" Sagte der Vierte: „Das mit dem Feuer war'
wohl recht und handelt sich's nur darum, daß dem Gesellen
unten der Muth vergeht, heraufzufahren und er ohnmächtig
werde. Sag' ich so: Kauft alles einschläfrige Gift zusammen
und schütten wir's hinab, da frißt sich dann der Basilisk
zu todt und schlaft ein, und alsbald das ist und wir's am
Schnarchen erkennen und das nacheinander schwächer wird,
ist's ein Zeichen, daß sein Leben ausläßt nnd dann werfen
wir das brennende Holz hinab." Sagte der Bürgermeister:
„Das ist schier der beste Rath. Fragt sich aber, ob man
so viel Schlafgift auftrcibcn kann, pro seounäo känr das
ganz thcuer zu stehen, pro tertio fragt sich, ob's genug wär',
ein solches Gethier einzuschläfern — und pro quarto: ob es
das Gift überhaupt frißt." Sagte der Stauphofer: „Da hat
der Bürgermeister wahr gesprochen und sag' ich Euch, ein
Pfund reichte nicht aus, denn eine solche Bestia hat ganz
andere norvos als unser Einer. Im Ucbrigcn wär' das Be-
lauben wohl gut." Sagte Einer: „Wie wär' denn das?
Laßt uns vom Bäcker in der Schäfflcrgasse ein Rohr herüber-
legen, in den Brunnen hinein und den zudecken. Da kann
dann der Rauch ninderst mehr hinaus und muß der Andere
unten seines Todes ersticken." lind wieder Einer: „Das sei
ganz wohl gesprochen, steh' aber Niemand gut, daß der Ba-
silisk zu früh zornig werde. Sei demnach sein Rath der: „Es
sollte der Jörg im Schrammcrgäßlcin ein rundes Gcbretter
machen, das in den oberen Rand des Brunnens passe, das
sollte dann unversehens hincingchoben und allsoglcich etliche

schwere Steine darauf gelegt werden. Damit sei dann der
Basiliska seines Ausganges oben beraubt und bleibe ihm nichts
übrig, als entweder seines Todes zu verblassen oder — sich
unterhalb durch das Wasser und den Erdboden sortzugraben,
bis er irgend anderswo wieder herauskomme." Dieser Rath
ward in so weit als der beste erkannt. Der Bürgermeister
aber war keineswegs dafür und sagte: „Ich achte Eueren Ver-
stand ganz hoch, kann aber das nicht gelten lassen. Frag' ich,
warum denn nicht: Sag' ich pro primo, deswegen nicht. Wir
müßten seiner Zeit dann doch hinabschaucn, ob der Geselle
richtig und wirklich fort und davon gekrochen sei. Nun bedenkt,
wann das etwa» nicht wär', was giftiger Dunst sich da an-
gesammelt haben könnte, daß wir wer weiß sogleich Alle mit-
einander todt umfielen, ungezählt, wenn er den Kopf herauf-
reckte und wir ihm gleichwohl in die Augen blickten und seiner
im Ganzen ansichtig würden. (Fortsetzung folgt.)

Wie die Wahrheit zum Krüppel wird.

Ein ungarisches Märchen, nach Paul Gyulai.

Lüg' und Wahrheit wollen wandern
Traulich eine mit der andern,

Denn sic sind von Hans ans Schwestern.
Ei seit wann? Nicht erst seit gestern.

Ihre Mutter näht zwei Säcke,

Backt zur Zehrung dann Gebäcke,

Und giebt Jeder gleicher Weise
Zwanzig Brödchcn ans die Reise.

Auf dem Wege jammert Lüge:

„Du, mich hungert, ich erliege;

Speisen heute wir von Deinem,

Später schmausen wir von Meinem."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wie die Wahrheit zum Krüppel wird"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Personifikation
Wahrheit <Motiv>
Schwester <Motiv>
Lüge <Motiv>
Karikatur
Frau <Motiv>
Maske <Motiv>
Nacktheit <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1537, S. 3
 
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