Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Spiegelbrunnen.

10

weh gethan habe, bekenn' ich vor männiglich, daß mir das leid
thut, und wann er selbst mir für künftig nichts nachtragt, ist's
mir schier so lieb, als daß wir dem Basiliska Herr geworden."

Da schlug der Stauphofer voll Freuden ein, waren die
Zwei ganz versöhnt und gute Freunde, der Bottich mit Staub
und Asche ward zum Sendlingerthor hinausgetragen und die
Sache mit dem großen Loch in der Erde und allem Weiteren
nach Befehl vollzogen. Der Bürgermeister aber zeigte mittler-
weile den Ort genau an, wohin das Couterfei des Basilisken,
sowie die übrige gemalte Sache angcheftet werden sollte und sagte:
Da sollte cs inskünftig nicht mehr anders heißen, den» beim
Spiegelbru nnen.

Nächst ging er mit dem Doktor Stauphofer seines Weges
entlang und sagte, als sie sich verabschiedeten: „Stauphofer,
Ihr habt der Stadt viel Heil gebracht — und wer weiß, mir
von wegen meiner bösen Fra« auch!"

Sagte der Doktor Stauphofer: „Wie das?"

Antwortete der Bürgermeister: „Wißt Ihr, was ich vvrhab'?
Ich Hab' aber das vor und eh' eine halbe Stunde verrinnt,
werd' ich die Prob' wohl anstelle» können. Denn so viel weiß
ich: Wann ich je Ko in mein Losament komme, fahrt mir mein
Weib zornig entgegen, und thut mir gleich einer Furia. Warum?
Weil mir die Weibsen freundlich waren und schon gar die
ledigen! Da seh' ich dann schon all' ihr schreckliches Antlitz
und hör' sic schreien: „Du gottloser Mann, das stund' Dir
wohl besser an, als daß Du mich allein liebst und mir treu
bleibst!" Wißt Ihr, Stauphofer, was ich dann thun will?
Da reiß' ich den Spiegel von der Wand, den halt' ich ihr
für und donnere: „Da schau' hinein. Du Basilisk und ob Du
mir gefallen kannst!"

Sagte der Stauphofer: „Da meint Ihr wohl, es könnt'
sie auch zerreißen? Sag'ich Euch: Erwartet uit zu viel! Denn
so weit habe ich's in der üistoria nuturao gebracht, als daß
ich weiß, ei» Basiliska sei fest beieinander — aber ein böses
Weib dreimal fester! Bersucht's aber. Nutzt cs nicht, schaden
kann's nichts."

Sagte der Bürgermeister: „Ich will ihr Leben nicht,
sondern nur, daß sie mir das meine nicht verkürze, und wenn
wir uns wieder treffen, sag' ich Euch, wie die Sache ausge-
fallen ist."

Kam dann am dritten Tage darauf in die Windenmacher-
gassc, trat zu ihm in's Losament, just da der Stauphofer seinen
Imbiß nahm und sagte: „Stauphofer, haltet mit dem Essen
und schaut mich au."

Sagte der Doktor Stauphofer: „Ihr schaut ganz froh her.
Hat's etwa» gefruchtet?"

Versetzte der Bürgermeister: „Also wohl, das sei Gott
Lob' und Preis! jetzt bin ich der Plag' los und ledig."

Und der Stauphofer: „Hat's ihr etwan das Herz ab-
gerissen?"

Sagte der Bürgermeister: „Das nicht, aber anders ist sie
geworden. Hört nur! Allererst ich heimkam, fuhr sie wie der
Satan auf mich ein, und ich mit dem Spiegel von der Wand
anher und rus' ihr entgegen, sie sollte hineinschaun, fiel sie vor Zorn i

und Schreck in einen Stuhl, lag da ohnmächtig und hatte ich viel
Müh' und Essig von Nöthen, daß ich sie wieder zu sich brachte.
Denn ein christlicher Mann bin ich."

Sagte der Stauphofer: „Das erkenn ich, ansonst hättet
Ihr abgcwartet, was da komme."

Sagte der Bürgermeister: „Als sie dann wieder zu sich
kam, war sic viel bescheidener. Des nächsten Tags kam ihr

»euer Muth — ich aber allsogleich mit dem Spiegel daher,
und gestern wieder. Da siel sie mir dann Übereins um de»
Hals und sagte: „Hab ich Dich geplagt, plag' ich Dich nimmer,
D» hast den rechten Weg gefunden." Da war ich ganz glück-
lich und bin's noch. Denn statt daß tvir vorher in mci'm
Himmelbett gar oft haderten, und ich bis spät nicht zur Ruh'
kam, lag sic die ganze Nacht ganz friedlich, plagte mich Hin-
derst, und als wir heute Morgens aufstanden, >var sic sanft,
wie ein Täublein. Das dank' ich Euch!"

Sagte der Stauphofer: „Also geb' der Himmel, daß cs
ein' sichern Halt habe, und wann Ihr das Geringste merkt,
laßt nur nicht aus, ruckt gleich mit dem Spiegel an!"

Sagte der Bürgermeister: „Drauf könnt Ihr schwören."

Damit ging er von dannen, und heißt es, insweitere habe
sich Alles gut begebe», bis der Bürgermeister christlich starb
und die Bürgermeisterin vor Kummer etliche Tage darauf — so
viel Beileid und Kummer trug sie. Nächst starb der Stauphofer,
und der Meister Hans und alle Anderen sind auch längst dahin.
Denn an die fünfhundert Jahr' ist keine kleine Zeit, und kommen
und gehen da viele Menschen. Das Gcmäl des Meisters
Hans aber überlebte sic Alle und der Ein und Andere ganz
Alte, könnt' cs »och gesehen haben. Jetzt aber ist cs fort

und nimmer da. Damit geht die Kunde zu Ende.

I)r. F. Tr»»tmi»>n.

3*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Spiegelbrunnen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Spiegelbild <Motiv>
Schrecken <Motiv>
Ehefrau <Motiv>
Bürgermeister
Karikatur
Spiegel <Motiv>
Kopfbedeckung <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1539, S. 19
 
Annotationen