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59

Die höchst merkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla.

£cr|)fitfiore.

Polizei-Direktor und abscheuliches Wetter.

Dieser aber versank in tiefes Nachdenken. Warum wollte
seine Tochter nicht in die Ehe treten? Warum schloß sie sich
ab und lebte in ununterbrochener Einsamkeit? Warum war sie
so zerstreut und warum sprach sie so wenig als sie neben ihm
saß? Er konnte sich diese Fragen, die sich ihm aufdrängten, nicht
beantworten; er vermuthete jedoch, daß das Herz seiner Tochter
von einer geheimen Leidenschaft bestürmt sei. Aber von welcher
Leidenschaft? Wer im ganzen Lande durfte sich für würdig halten,

; die Hand seiner Tochter zu besitzen? Sollte sie ihre Neigung
einem Unwürdigen geschenkt haben? Und wer könnte dies sein?

Er durchmaß mit heftigen Schritten das Gemach und ries
sich alle historisch gewordenen geheimen Liebschaften von Prin-
zessinnen in's Gedächtniß zurück, als ihm der Polizei-Direktor
angcmeldet wurde.

Der Polizei-Direktor hatte dem Fürsten zweimal wöchentlich
Bericht über die Vorgänge in der Residenz abzustatten. Diese
Berichte drehten sich fast ausschließlich um Familienverhältnisse,
um Hochzeits-, Gcburts- und Slcrbefällc. Im Falle außer-
ordentlicher Ereignisse wie Entführungen, Meuchelmorde, Selbst-
morde, Bankroutc, Fcucrsbrünste, nächtliche Diebstähle mit Ein-
brüchen und dergleichen, hatte er einen Extta-Bcricht abzustattcn.

Der Polizei-Direktor besaß ein treffliches Erzählertalcnt
und wußte jeden Vorfall so auszuschmückcn, daß er seinen Herrn
selten langweilte. Niemals war er jedoch demselben so erivünscht
gekommen wie in diesem Augenblicke. Der Polizei-Direktor
merkte dies und begann mit innerm Behagen einen Stadtskandal
zu erzähle». Der Fürst schenkte ihm jedoch nur wenig Aufmerk-
samkeit und unterbrach ihn bald mit den Worten: „Davon
später! Ich trage Ihnen auf, die Leute, die sich im Parke unter
den Fenstern der Prinzessin sehen lassen, vor denselben sich
aufhalten, oder ihre Blicke auf dieselben richten, höchst sorg-
fältig zu überwachen und deren Namen und Stand zu erfahren.
Sic haben mir jeden Morgen zu berichten."

Der Chef der öffentlichen Sicherheit verneigte sich und
nahm auf den Weg ein gnädiges Lächeln des Fürsten mit. Er
war froh einen besonderen Auftrag erhalten zu haben und voll
Hoffnung, sich deffen zur Zufriedenheit des Staatsoberhauptes
zu entledigen. Allein der Himmel, der sich über die Residenz
wölbte, ließ am ersten Tage diese Hoffnung zu Wasser werden.
Es fiel nämlich ein solch' starker Regenguß, daß sich, einige
Polizeimänner ausgenommen, kein sterbliches Wesen in den Park
wagte, und diese dort nichts ertappten, als einen hartnäckigen
Schnupfen. Das Haupt der öffentlichen Sicherheit hatte also
j am folgenden Morgen dem Fürsten blos zu berichten, daß er
I nichts zu berichten habe. Da nun der Himmel drei Tage hindurch
seinen nassen Zorn über das Land ausschüttete, so verging die
Hälfte einer Woche, ohne daß der Polizei-Direktor irgend etwas
sah und der Fürst irgend etwas hörte. Am vierten Tage wurde
der Himmel wieder heiter. Die Sonne blickte strahlend auf die
Residenz und deren Bewohner, als gäb' es nichts Angenehmeres
j aus Erden zu sehen und — wie ein Dichter sagen würde —

> küßte die Thräncn von dem smaragdenen Laub der Bäume und

von den Kelchen der Blumen und Blüthen. Alles drängte sich
nach dem Parke; Niemand ließ sich jedoch zum unsäglichen Leidwesen
des Polizei-Direktors unter den Fenstern der Prinzessin erblicken.
Warum hätte sich aber auch das Publikum unter die Fenster der
Prinzessin bemühen sollen, da hinter diesen Fenstern auch nicht
das Allergeringste zu sehen war? Sie war nämlich theils durch
Schaltern, theils durch schwere Vorhänge vor dem Tageslichte
abgeschlossen und cs schien, als ob hinter denselben kein leben-
des Wesen athmetc. Die acht Tage verstrichen also, ohne daß
der Herzog klüger war als zuvor.

Was die Prinzessin Ludmilla betrifft, so blieb sie nach
der von ihrem Vater bestimmten Frist nicht nur bei ihrem Ent-
schlüße, ihr Lebcnsloos mit keinem Manne thcilcn zu wollen,
sondern drückte ihn diesmal noch fester, noch entschiedener aus.

„Sie ist eigensinnig wie ihre Mutter," brummte der Fürst
vor sich hin, als ihn die Prinzessin verlassen. Er ging eine
Weile mit lebhaften Schritten ans und ab, indem er einen
zinnernen Teller wie ein Stück Pergament zusammcnrollte, zog
darauf so heftig an dem Schcllenzug, daß ihm der elfenbeinerne
Griff desselben in der Hand blieb, und sagte zu dem eintretenden
Kammerdiener: „Die Baronin von Greifentatz!"

(Fortsetzung folgt.)

Monolog.

„Das muß man sagen: der Winter hat halt doch auch
sei» Angenehmes; wenn's draußen stürmt und wettert und
man hat sein trauliches, gut geheiztes Stübchen, — e § i ft
herzerwärmend!"

8’
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Monolog"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Spitzer, Emanuel
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Ofen
Winter <Motiv>
Wortspiel
Nachdenklichkeit
Wärme <Motiv>
Selbstgespräch <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1544, S. 59
 
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