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Die höcf)st merkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla.

Schweigen nicht unterbrach, rief er: „Du siehst also, daß die
arme Baronin den Verstand verloren."

„Die Baronin hat den Verstand nicht verloren, mein
fürstlicher Vater," sagte die Prinzessin sanft und mit gesenkten
Blicken. „Sie hat nur ein Geheimniß entdeckt, das sie vielleicht
hätte bewahren sollen."

„Alsohast Du ihn verloren!" eiferte der Fürst aufspringend.

„Beruhigen Sie sich, mein Vater," sagte diese. „Ich
bin nicht von Sinnen. Ich kann mir von meinem Fühlen und
Denken die vollkommenste Rechenschaft geben."

„Du liebst einen Affen und glaubst an Deinen gesunden
Menschenverstand?" rief der Vater.

„Es giebt Affen in Menschengestalt; cs giebt Menschen
in Affengcstalt," bemerkte Ludmilla ruhig und gelassen, „und
cs giebt Dinge zwischen Himmel und Erden, die nur das innere,
nicht das äußere Auge zu erblicken vermag."

„Es giebt Dinge zwischen Himmel und Erden, die man
Irrenhäuser nennt," rief der Fürst in heftigstem Zorn und
befahl seiner Tochter, sich zu entfernen. Sie wollte ihm ehr»
furchtsvoll die Hand küssen; er zog aber dieselbe zurück und
deutete auf die Thüre.

Als ihn Ludmilla verlassen, griff der Fürst nach einem
zinnernen Teller, faltete ihn mit krampfhaften Händen zusammen
wie einen Bogen Papier, entfaltete ihn dann wieder, und wicdcr-
| holte diesen Faltungs- und Entfaltnngsprozcß so oft, bis er in
vier Stücke auseinanderfiel, — der Teller nämlich.

stolhiMnia.

Der Prinz Bahardur.

Die Prinzessin Ludmilla war durch den Zorn ihres Vaters
nichts weniger als bestürzt; denn dieser väterliche Zorn gehörte
! nach ihrer romantischen Ansicht zu der wahren Liebe eben so
nothwendig, wie eine Dornhecke zur Ztosxle-cluwo. Sie war
stolz darauf, in ihrer heißen Liebe zu dem verafften Prinzen
Bahardnr ein neues Hinderniß gefunden zu haben, um ihm
ihre Treue und Aufopferung beweisen zu können. Denn was
i ist wahre Liebe ohne Opfer? Sie öffnete ihr Tagebuch und
schrieb sieben volle Ouartseiten in engen Zeilen und mit kleinen
Buchstaben über die Liebe und deren Kraft, selbst die unwider-
stehlichsten Hindernisse zu besiegen.

Nachdem sie die leeren Seiten ihres Tagebuchs um sieben
vermindert hatte, suchte sic ihr Lager auf. Dasselbe that die
Baronin. Diese träumte einen süßen Traum. Sie sah sich
nämlich als Gemahlin des Herzogs, an dessen Seite sie die
Huldigung der Unterthanen mit einem leichten Kopfnicken ent-
gegen nahm. Als sie am andern Morgen erwachte, wurde sic
j zur Prinzessin gerufen. Ludmilla hatte ebenfalls geträumt und
! sie theilte der Baronin ihren Traum in der größten Aufregung mit.

„Baronin!" rief sie, „ich habe ihn gesehen. Ich habe
ihn gesehen, den theuern Prinzen Bahardur in dem vollsten
j Glanze seiner Jugend und seiner unvergleichlichen Schönheit.

Ich hatte das Zauberwort gefunden und kaum war cs von
! meinen Lippen ausgesprochen, als die Affenhülle zu Boden fiel
und der Prinz mit Thränen der Dankbarkeit mich an seine

Brust drückte und mir ewige Treue schwur. Ein Turban mit
einem von Diamanten blitzenden Panasch schmückte sein Haupt;
ein prachtvoller Mantel von himmelblauem Sammt hing ihm
über die Schultern. Das Schwert an seiner Linken war mit
einem von Rubinen strahlenden Griff verziert, und diesen Griff
mit seiner Rechten fassend rief er, indem sein dunkelbraunes
Auge heldenmuthig funkelte, daß er meinen Besitz, wenn es nicht
anders sein könnte, gegen ein Heer von Riesen erkämpfen würde.
Ludmilla, fragte er, liebst Du mich? Ich fühlte, daß ich

erröthctc und vermochte nicht, ein Wort über die Lippe zu
bringen. Da preßte er mich noch fester an seine Brust und
ich — erwachte. Es war ein süßer Traum; aber ach! es
war nur ein Traum, und ich strenge mich jetzt umsonst an,
das Zauberwort wieder zu finden."

„Prinzessin!" rief die Baronin.

„Ich weiß, was Sic sagen wollen," unterbrach Ludmilla.
„Sie haben meinem Vater das Geheimniß mitgetheilt und er
hat mich seinen Groll empfinden lassen. Aber ich verzeihe
Ihnen, Baronin. Es mußte so kommen; es ist in den Sternen
geschrieben."

Die Frau von Greifentatz ging. Die Prinzessin aber

begab sich in das dem Affen eingeräumte Zimmer. Er war
diesen Morgen sehr ausgelassen, zerrte fortwährend an der
Käfigthüre und schnitt dabei die fürchterlichsten Grimassen.

„Beruhigen Sie sich, theurer Prinz," sagte Ludmilla sanft
und mit fast flehender Stimme. „Die Stunde Ihrer Befreiung
— eine innere Stimme sagt mir's — die Stunde Ihrer Be-
freiung wird bald schlagen." Auf diese Worte zeigte ihr der

Bewohner des Kästgs seinen Rücken und kratzte sich die Fort-
setzung desselben auf's Lebhafteste. (Schluß.solgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die höchst merkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Prinz
Romantische Liebe
Prinzessin <Motiv>
Käfig
Affen
Haustiere
Karikatur
Sympathie
Vorstellung
Verzauberung
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1545, S. 68
 
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