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Tic höchst mcrkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla. . 07

jeden Tag schwerer wurde. Zu gleicher Zeit suchte sic sich, wie
so viele Frauen in ähnlichen^ Verhältnissen, mit dem Himmel
auf freundschaftlichen Fuß zu stellen. Sie betete häufig und wie
sie versicherte, weniger für sich als für ihre Mitmenschen, besonders
aber für das Wohl des Fürsten, dessen andere Hälfte zu werden
sie immer noch hoffte. Was die Prinzessin Ludmilla anlangt,
so überließ sie dieselbe deren romantischer Lektüre, fügte sich ihren
Wünschen mit der größten Geschmeidigkeit, in der Ueberzengung,
gerade dadurch das Mädchen zu beherrschen. Die Baronin lebte
der Zuversicht, daß sie das Herz Ludmillas werde nach Belieben
lenken und bei einem einzugehenden Ehebündniß ein Wort mit-
zureden haben würde. Ihr ganzes Streben ging dahin, sich
unentbehrlich zu machen. Ein unvorherzusehender Umstand setzte sie
jedoch in eine gewaltige Verlegenheit. Die Prinzessin nämlich,
j die sehr menschenscheu war — doch dies gehört in ei» anderes
Kapitel.

Euterpe.

Der Makak.

Die Prinzessin nämlich, die sehr menschenscheu war, aber
die Thiere sehr liebte, hatte vor einigen Monaten einen Affen
gekauft. Dieser Vierhänder war ein Makak und höchst possier-
lich, so daß er die Prinzessin und ihre Umgebung sehr belustigte.
Bald aber wurde sie sehr ernst und duldete nicht, daß man sich
mit ihm den geringsten Spaß erlaubte, oder ihn gar strafte,
wenn er sich einer Unart zu Schulden kommen ließ. Ludmilla
redete sich nämlich ein, besagter Makak sei kein Affe, sondern
ein verwunschener Prinz, der durch einen boshaften Zauberer
in einen Vierhänder verwandelt worden und die Affengestalt
nicht eher ablcgcn würde, bis man das zauberlösendc Wort ge-
funden. Ihre Einbildungskraft, welche durch die Lektüre von
Wundermärchen in beständiger Aufregung war, sah bald in dem
Makak keinen Quadrumanen, sondern einen mit allen Vorzügen
der Natur ausgcstattetcn Jüngling. Diesem Jüngling schenkte
sie ihr Herz und harrte voll Sehnsucht dem Augenblick entgegen,
wo ihr die Huld eines gütigen Genius das Zauberwort zuflüstern
und sie durch dasselbe den Affen wieder in einen Prinzen ver-
wandelt sehen würde. Sie hieß ihn nicht mehr Jocko, sondern
j Bahardur, nach dem Namen eines morgenländischen Königs-
sohncs, der, einem sehr glaubwürdigen Dichter zufolge, von
einem böswilligen Magier einst in ein Wildschwein verwandelt
worden. Sie ließ ihm ein besonderes Zimmer einräumen, in
welchem sie den größten Thcil des Tages zubrachte. Die Ba-
ronin wußte sich diese Vorliebe für das garstige Thier nicht zu
I erklären und erlaubte sich eines Tages, der Prinzessin eine
> bescheidene Bemerkung darüber zu machen. Diese aber ant-
! wartete mit sanfter Schwermuth: „Baronin, Sie sehen nicht
mit meinen Augen!"

„Ich sehe seine Unarten," sagte die Baronin.

„Wenn er oft wüthend herumspringt und an den Vor-
hängen zerrt," erwiderte die Prinzessin, „so sind dies Ausbrüche
! der Verzweiflung über den Zustand, in welchen ein böser Zauber
| ihn versetzt hat. Seine schöne Seele ist in einer Affengestalt
gefangen. Wie sollte er, ein hochbegabter Fürstensohn, ein
solch' fürchterliches Loos ruhig ertragen?"

Die Baronin tränte ihren Ohren nicht, als sic diese Worte
hörte. Sie glaubte zuerst, die Prinzessin beliebe zu spaßen.
Im Laufe des Gesprächs erfuhr sie jedoch zu ihrem Schrecken,
was der Leser bereits erfahren; ja, sie erfuhr noch außerdem
die zwei vertrauten Unterhaltungen zwischen der Prinzessin und
ihrem Vater. Ludmilla sagte zu wiederholten Malen, daß ihr
Herz nicht mehr ihr, sondern Bahardur gehöre, daß sie nicht
verzweisie, das Wort zu sinden, um dem Prinzen seine schöne
Jünglingsgestalt wieder zu geben und die Seine zu werden.

Die Baronin war kaum wieder in ihrem Zimmer und
von dem, was sie soeben vernommen, noch ganz verwirrt, als
sie den Befehl des Herzogs erhielt, vor ihm zu erscheinen. Sie
warf einen Blick in den Spiegel, studirte in der Geschwindigkeit
einen schmachtenden Zug um den Mund ein, und befand sich
bald im Gemache des Fürsten.

Hochdcrselbe empfing sie sehr freundlich und begann, indem
er das linke Bein über das rechte schlug, die Finger beider
Hände verschränkte und den Daumen der rechten um den
Daumen der linken Hand wirbeln ließ, eine lange Rede, deren
kurzer Sinn war, von der Baronin eine Aufklärung über das
räthselhafte Benehmen seiner Tochter zu erhalten.

Die Baronin blickte auf den Fürsten mit dem erwähnten
schmachtenden Zug um den Mund und seufzte tief auf.

„Ein Seufzer ist keine Antwort," sagte der Fürst etwas
ungeduldig. „Reden Sie!"

Frau von Greifentatz begann nun ebenfalls eine lange
Rede, in welcher sie die seltenen Vorzüge der Prinzessin mit
den lebhaftesten Farben schilderte, und sprach erst am Schluffe
von der Leidenschaft Ludmilla's zu dem Prinzen Bahardur,
alias Jocko.

Der Fürst hatte ruhig zugehört und betrachtete jetzt die
Baronin mit einem Ausdruck des Mitleids in der Ueberzeugung,
daß ihr Verstand plötzlich Reißaus genommen. Er erhob sich
vom Sessel, und die Baronin, durch den mitleidsvollen Aus-
druck im Blicke des Landcsvaters in ihrem langgenährtcn Ehr-
geiz neu belebt, entfernte sich mit einer tiefen Verbeugung und
einem eigenthümlich süßen Lächeln, das den Fürsten in seiner
Ueberzeugung von der Verstandesabwesenheit der Frau von
Greifentatz noch bestärkte.

Er dachte einige Minuten nach und ließ sodann die
; Prinzessin zu sich befehlen. „Die unglückliche Baronin hat mich
soeben verlassen," sagte er zu seiner Tochter.

„Warum unglücklich, mein thcuerer Vater?" fragte diese.

„Die Baronin ist wahnsinnig geworden," sagte der Fürst,
„und das ist doch cbcit kein Glück."

„Mein fürstlicher Vater geruht zu scherzen," erwiderte
Ludmilla. „Ich habe sie vor kaum einer halben Stunde ge-
sprochen und ihr Geist war frischer und regsamer als jemals."

„Widersprich mir nicht und höre mich ruhig an," sagte
der Fürst und winkte seiner Tochter, sich neben ihn auf's
Sopha zu setzen. Er sagte ihr, indem er jetzt den Daumen
der linken um den Daumen der rechten Hand wirbeln ließ,
warum er die Baronin zu sich bcschiedcn und was diese ihm
mitgctheilt. Der Fürst schwieg, und als die Prinzessin das

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