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Die höchst merkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla.

auf die verschwundene Vierhändigkeit der Menschen vollständig
seiner Meinung anschließen. Der Mensch war vierhändig, daran
ist kein Zweifel, und wäre damals das Piauoforte schon erfunden
gewesen, so würde jeder Mensch vierhündige Stücke darauf haben
spielen können, ohne dazu,. >vie es jetzt der Fall ist, seinen
Nebenmenschen zu Hülfe rufen zu müssen. Eine dunkle Ahnung
von seiner vierhändigen Vergangenheit hat der Mensch aber
immer noch und es giebt Künstler, die mit den Füßen malen
oder die Geige spielen —"

„Also," unterbrach der Fürst, der inzwischen einen zinnernen
Humpen zusammengedrückt und denselben nun zwischen den Fingern
in eine gewundene Säule verwandelte, „also wird es mir noch
am Ende zur Ehre gereichen, einen Makak zum Schwiegersohn
zu haben?"

„Hoheit!" rief der wirkliche Geheim- und Medicinalrath
Leichner. Kaum aber hatte er das zweisilbige Wort ausge-
sprochen, als sich ein Zischen, Heulen, Pusten und ein Klirren
von zerbrochenen Scheiben und Geschirren hören ließ und mit
einem verzweifelten Satze der Makak durch's offene Fenster in's
Gemach des Fürsten sprang. Seine Hoheit und das Paar
wirklicher Geheimräthe fuhren cutsetzt von ihren Sitzen auf,
während das Thier, den blutigen Schwanz zwischen den Vorder-
händen haltend, ächzend, krächzend und mit tollen Sprüngen
eine Zufluchtsstätte suchte. Es dauerte keinen Augenblick, so
sprang sein grausamer Feind, ein schwarzer Kater mit grau-
gelben funkelnden Augen, ebenfalls in's fürstliche Gemach, wo
der blutige Kampf fortgesetzt wurde. Derselbe währte nicht
lang. Schon nach einigen Sekunden gab der Ouadruman
unter den Krallen des Katers den Geist auf.

Mit innigster Befriedigung sah der Fürst die vierhündige
Leiche. Und die Prinzessin Ludmilla?

Erato.

Der Zauberer Murrabar.

Die Prinzessin Ludmilla, die >vir in der Mitte des vorigen
Kapitels vor dem ungebärdigen Prinzen Bahardur, alias Jocko,
gesehen, hatte * diesem den Käfig und zugleich hatte sie das
Fenster geöffnet, vor welchem der Käfig sich befand. Sic hatte
sich sodann in ihr Boudoir begeben, um ihre Morgentoilette zu
besorgen. Jocko, von einem nnbczwinglichcn Freiheitsdrang
ergriffen, hatte sich mit einer nicht genug zu bewundernden
Geschicklichkeit von der feinen Stahlkette befreit und das Weite
gesucht. Kaum auf das nächste Dach gelaugt, wurde er von
dem schwarzen Kater angegriffen und — der geneigte Leser
kennt bereits die schauderhafte Katastrophe.

Ludmilla hatte das Geschrei des Geliebten vernommen und
war ans ihrem Boudoir gestürzt; sie war halb entkleidet und
ehe sie einen Schritt zur Rettung des Theuern thun konnte,
ward ihr die niederschmetternde Nachricht von dem Ereigniß
übcrbracht, das im Zimmer ihres Vaters stattgefunden.

Sie sprach kein Wort und warf sich im Zimmer, wo der
leere Käfig des Ermordeten stand, in einen Sessel. Lange
starrte sie vor sich hin; als sie aber die Augen wieder aufschlug, fuhr
sic entsetzt zurück; denn gerade vor ihr hatte sich i» einem Arm-
stuhl der schwarze Kater äufgepflanzt, der sic nun unverwandt

anstierte, indem er sich mit sichtbareni Behagen die blutigen
Krallen leckte.

„Fort aus meinen Augen!" rief die Prinzessin. „Du bist
der Zauberer Murrabar, der grausame Mörder Desjenigen, der
an Schönheit und Tugend seines Gleichen nicht auf Erden hatte
und dessen edles Blut noch an deinen Griffen klebt."

Der Zauberer Murrabar ließ sich aber durch die zornige»
Worte Ludmilla's nicht schrecken, und erst nachdem sie ihm
einen dickleibigen romantischen Folianten an den Kopf geworfen,
sprang er mit einem ganz eigenthümlichen Geschrei zum Fenster
hinaus, wobei er nicht unterließ, mit den Hinterpfoten den Käfig
auf den Boden zu schleudern.

An demselben Tage gegen Sonnenuntergang fuhr eine
dicht geschlossene Kutsche aus dem herzoglichen Palast und hielt
erst gegen Mitternacht vor dem Kloster B—n an. Eine ver-
schleierte Gestalt stieg aus der Kutsche. Brauch' ich erst dem
scharfsinnigen Leser zu sagen, wer die verschleierte Gestalt war?

Kelpomeue.

Von Sieben der Häßlichste.

Die Zeit schlägt Wunden und heilt sic wieder. Das ist
freilich eine abgedroschene Wahrheit; allein sic ist ja eben deßhalb
abgedroschen, weil sic eine Wahrheit ist. Wie dem aber sei,
dreizehnmal sah Ludmilla hinter den Klosterfenstern des Mondes
Sichel sich erneuen. In Ermangelung der Bücher, die man
ihr entzogen hatte, warf sie den ganzen Tag und einen Theil
der Nacht ihre Gefühle und Gedanken in gebundener und «»*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die höchst merkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Ironie <Motiv>
Galanterie <Motiv>
Prinzessin <Motiv>
Landesherr
Hässlicher Mensch <Motiv>
Rüstung <Schutzkleidung, Motiv>
Verlöbnis <Motiv>
Ähnlichkeit <Motiv>
Affen
Karikatur
Ritter
Handkuss
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1546, S. 74
 
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