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Die höchst merkwürdige Geschichte von der Prinzessin Ludmilla.

gebundener Rede auf's Papier, und zwar die Gefühle in
gebundener und die Gedanken in ungebundener, wobei zu be-
merken ist, daß in ihren Schöpfungen das Ungebundene allzu-
gebunden und das Gebundene allzu ungebunden war, und die
Gefühle von den Gedanken und die Gedanken von den Gefühlen
sich nicht unterscheiden ließen. Als aber der Mond im Begriffe
war, seine Sichel zum vierzchntenmalc zu erneuen, führte sie
derselbe Wagen, der sie nach dem Kloster gebracht, wieder in
die Arme ihres Vaters zurück.

Der Fürst war sehr mild und freundlich gegen sic, und
sie ihrerseits hatte keinen Grund mehr, die Freier ohne Weiteres
abzuweisen. Sieben Prinzen fanden sich nacheinander ein. Lud-
milla entschied sich für den Siebenten, weil er unter ihnen
dem ermordeten Jocko am ähnlichsten sah.

Urania.

Schluß der merkwürdigen Geschichte von der
Prinzessin Ludmilla.

Ein halbes Menschenalter ist seitdem vorübergegangcn. Die
Prinzessin Ludmilla ist neun Monate nach ihrer Vermählung Wittwc
geworden. Ihr Gemahl hatte sich auf einer Fuchsjagd mehr als sonst
in Champagner übernommen, war auf dem Heimritt vom Pferde
gestürzt, und in Folge dieses Sturzes schlief er schon nach einigen
Tagen an der Seite seiner Ahnen. Sie lebt seitdem zurückgezogen
in ihrem Schlosse und bringt unter dem Namen Eulalia von
Musenthal auf den literarischen Markt jedes Jahr wenigstens
zwei Bände, die in Hintcrpommern großen Verschleiß finden.

Ihr Vater, den sie nicht, wie er hoffte, zum Groß-
vater gemacht, versucht seine Kraft nicht mehr an zinnernen
Tellern, sondern nur noch an Zinkdrähten, und er schüttelt
unzufrieden den Kopf, wenn er einen solchen Draht nicht
gleich wie einen Zwirnfaden zerreißen kann.

Die Baronin von Grcifcntatz, die unmittelbar nach der
Ermordung Jocko's mit einer ansehnlichen Pension von dem
Fürsten entlassen worden, hat nach langen Bemühungen endlich
einen Sterblichen gefunden, der sie zum Traualtar führte. Sie
sagte an demselben zum drittenmale „Ja!" aber schon einen
Monat später bereute sic, dieses einsilbigste und folgenreichste
aller Wörter dort ausgesprochen zu haben. In ihrem dritten
Gatten, dem Obristcn von W—ch, hat sie einen Mann gefunden,
dessen eiserne Constitution ihr nicht erlauben wird, den Wittwcn-
schlcicr wieder hervorzusuchcn. Diese Ehe ist ein Kampf um
das Dasein, ein unnntcrbrochcncr Kampf, in welchem der Obrist
täglich seiner andern Hälfte neue Niederlagen bereitet.

Der wirkliche Geheim- und Mcdicinalrath Leichner ist
vergangenen Winter zu seinen Patienten versammelt worden.
In dem Studirzimmer seines Collcgen aber, des wirklichen
Geheim- und Mcdicinalraths von Grüftling, befindet sich auf
dem Gipfel eines Bücherschranks, zwischen den Büsten des
Hippokratcs und Galenns, das Skelett Jocko's, des unglücklichen
Helden dieser Erzählung. Sein grausamer Mörder wandelt
auch nicht mehr unter den Lebenden. Wie Julius Cäsar starb
er an den Iden des März, aber nicht durch Dolche von Ver-
schwörern, sondern auf folgende Weise. Gegen Mitternacht
tönten ihm von den benachbarten Dächern die Liebcsseufzer

vieler Kater in's Ohr. Obgleich schon betagt, fing sein Herz den-
noch an, heiß zu klopfen; und bald kletterte er auf seinem Drittel-
dutzend Freiersfüße von Traufe zu Traufe, um einem jungen
Mitkater den Rang streitig zu machen. Ein heftiger Kampf
entspann sich und der alte Junggeselle flog schon nach einigen
Minuten von einem der höchsten Giebeldächer in einen gepflasterten
Hof, wo man ihn am frühen Morgen als Leiche fand. Wie Jocko
dient auch er jetzt der Wissenschaft. Der Hofapothekcr Pillendorf
hat sich nämlich des Katers schwarzen Pelz ungeeignet und lockt
nun vermittelst desselben elektrische Funken aus dem Harzkuchen.

Weder Mensch noch Thiere wissen, wann ihnen die letzte
Stunde schlägt, und noch viel weniger wissen sie, was aus
ihnen wird, nachdem ihre letzte Stunde geschlagen. Und mit
dieser Betrachtung schließe ich die höchst merkwürdige Geschichte
der Prinzessin Ludmilla, indem ich mich der wohlwollenden Nach-
sicht eines hochgeehrten Publikums gehorsamst empfehle.

Banquicr: „Warum b.etteln Sic denn? — Sie
sind ja ein kräftiger Mann, der sich durch Arbeit mehr
verdienen kann als er braucht!" — Sozialist: „Ich huldige
dem Grundsatz: „Eigenthum ist Diebstahl! Wenn ich
arbeite, so muß man mir Etwas dafür zu Eigent hum
geben, nämlich Geld — also st ehle ich, sobald ich das nehme
für Arbeit! Wenn ich aber bettle, so komme ich zu solchen,
die zu viel gearbeitet, das heißt zu viel gestohlen
haben! — Wenn Sie mir jetzt Etwas von Ihrem Ucberfluße
geben, so geben Sie blos her, was Sie mir voraus weg-
genommen, das heißt gestohlen haben!" — Banqnier:
„Wenn Sic aber nun Etwas von meinem Erwcrbscigcnthum ge-
schenkt nehmen, so sind Sic doch wenigstens ein „Hehler" oder
„Begünstiger" des von Ihnen behaupteten Diebstahls!"
— Sozialist: „Als das will ich mich in Gottes Namen
betrachten lassen, damit die Herrn einschen, daß ein Sozial-
demokrat auch — liberal sein kann!"

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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Sozialisten-Logik"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Bankier <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Arbeit
Eigentum
Karikatur
Sozialist
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 62.1875, Nr. 1546, S. 75

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