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Er bringt

er rechne auf seine Verschwiegenheit, selbst in Dingen, welche Jeder
wissen könnte, aber nicht zu wissen brauchte.

Das war aber gerade in Grüneck keine so leichte Sache,
als sich der Major dachte. Für die Grünecker gab es nichts,
und wäre es auch noch so nichtig, was sie nicht unumgänglich
wissen mußte», besonders was in fremden Häusern vorging.

Daß man über den Major so gut wie gar nichts erfuhr,
ließ den Grüneckern Tag und Nacht keine Ruhe. Seit nun
der Schullehrer beim Major aus und einging, ward Plötzlich
die Schullehrcrin, die man bisher ziemlich bagatcllmäßig behandelt
hatte, der Gegenstand allgemeiner Freundschaft und liebevoller
Aufmerksamkeit. Man schickte ihr von allen Seiten gute Bissen
zu, man lud sie allenthalben zum Kaffee, und das geschah
Alles aus Speculation, die Schullehrerin zu Mittheilungcu über
den Major zu verlocken, da aus dem Schullehrer nichts heraus-
zukriegen war. Die arme Schullehrerin ward endlich aus Dank-
barkeit für die ihr erwiesenen Liebenswürdigkeiten gezwungen, bei
ihrem Manne auf Mittheilungcu über den Major zu dringen,
wozu alle Mittel, Liebkosungen und fatale häusliche Scenen in
Anwendung gebracht wurden.

So blieb dem Schullehrer, um nur den bisher ungetrübten
Hausfrieden zu wahren, nichts übrig, als Einiges, was er über
den Major wußte, seiner Frau anzuvertrauen. Diese beeilte
sich natürlich, die verschiedenen Daten, in einer das Interesse
etwas erhöhenden Ausschmückung in Umlauf zu bringen. Nun
erzählte sich Grüneck, der Major habe seine seit 10 Jahren
kränkelnde Frau vor einem Jahre verloren, die Wirthschaftcrin
des Majors sei dies; schon aus früherer Zeit, und cs wäre
nicht unmöglich, (dieß war ein genialer Zusatz der Schullehrerin)
daß der Major die Wirthschafterin heirathe.

Das gab ein furchtbares Gericht über den armen Major.
So sind die Männer! hieß es. Kaum ist sie unter der Erde,
geht er schon auf Freiersfüßcn, und die Dienerin der unglück-
lichen Herrin tritt nun an ihre Stelle! Schändlich! Infam!..
Der Major und seine Wirthschafterin waren nun die gehaßtestcn
Menschen in Grüneck. Aber noch etwas kam dazu, was ge-
eignet war, die Aufregung zu vermehren. Ueber das neue
thurmartige Gebäude im Parke des Majors wußte der Schul-
lehrer nichts mitzutheilen, als daß es scheine, der Keller des
Schlößchens befriedige den Major nicht, weil eben unter
dem in Rede stehenden Thurme eine gewölbte unterirdische
Räumlichkeit angebracht sei, welche beinahe so aussehe, wie eine
Gruft, weil der Eingang durch eine Steinplatte gedeckt sei.

Eine Gruft! flüsterte man sich in Grüncck zu. Wer soll
da begraben werden? . . . Entsetzlich! Der Major ist eine
Art Blaubart! Ein Weib hat er schon unter die Erde gebracht!
Nun wird bald die arme Wirthschafterin dran komnicn!

Von diesem Augenblicke war die dicke Wirthschafterin
mit dem Vollmondsgesichte, wenn sie sich hier und da zeigte,
nur als eine Leiche betrachtet, und wenn der Major ausritt,
wichen ihm die Frauen und Mädchen angstvoll aus.

Inzwischen geschah etwas, das wohl geeignet gewesen wäre,
die üble Meinung, die sich über den Major gebildet hatte,
gänzlich umzuwandel».

seine Frau.

Der Major hatte nämlich dem Bürgermeister einen Besuch
gemacht, und sich angelegentlich nach den Armen-Verhältnissen
Grünecks erkundigt. Des Bürgermeisters • Darstellung der Sache
veranlaßte den Major, sogleich eine ansehnliche Summe für

die Armen zu erlegen, und den Bürgermeister aufzufordcrn,

jedesmal, wenn es Noth thut, sich an ihn zu wenden.

„Es ist ein edler Mann!" sagte der Bürgermeister in

der nächsten Gemeindcsitzung. Aber die Grünecker gehen nicht
so leicht ans den Leim!

„Was? der edel?! . . . Keine Idee! Das Gewissen
peinigt ihn! Er will sich durch Wohlthaten los kaufen von
ewiger Höllenpein! . . ."

So standen die Dinge, als eines Tages der Major nach
mehrwöchentlicher Abwesenheit nach Grüncck zurückkehrte.

Bei seiner üblichen Abendconsercnz mit dem Schullehrer
bemerkte dieser, daß sein Gönner sich in einer ganz eigenthüm-
lichen Stimmung befand. Er war abwechselnd tiefsinnig, und
heiter, ja zuweilen umspielte ein verschmitztes Lächeln seinen
Mund, der dann wieder ärgerlich zugekniffen wurde. Der
Schullehrer merkte, daß etwas Besonderes in dem Gemüthe des
Majors vorgegangen sein müsse, wußte aber aus dem wechselnden
Ausdrucke in des Majors Gesichte nicht klug zu werden. Sollte
er eine traurige, oder eine fröhliche Miene machen? Das war
schwer zu entscheiden. Eben war der Schullehrer im Begriffe,
im Stillen zu überlegen, wie er sich heute dem Major gegen-
über aus der Schlinge ziehe, als dieser plötzlich heftig die beiden
Spitzen seines Schnurbarts aus dem Gesichte strich.

„Ei was!" ries er dabei aus. „Geschehen ist's einmal,
und endlich muß es ja doch heraus. So hören Sic lieber
Schullehrer: Ich habe in M. einen dummen, aber vielleicht,
wer weiß es? einen sehr kluge» Streich ausgeführt. Ich habe
wieder gchcirathet!"

Der Schullehrer, war so überrascht von dieser Mittheilung,
daß ihm der Mund weit offen stehen blieb. Eine Fliege, die
ihn schon lange umsummte, glaubte diesen günstigen Moment
benützen zu müssen, um zu versuchen, wie sich's auf der Zunge
eines Schullehrers sitzt. Die Folge war, daß dieser den Mund
schloß, in Folge dessen die Fliege in ihrem Gefängniß so
verzweifelt war, daß der Schullehrer von jenem Hustenreize
überfallen ward, der oft ein Symptom unterdrückten Lach-
kitzcls ist.

Mit großen, strenge» Augen sah ihn daher der Major
an. „Geben Sic nur Acht, daß Sic in Ihrem Leben nicht
noch ärgere Dummheiten begehen!" sagte er pisirt. „Dann
werden Andere — lachen!"

„Bei meinem Seelenheil!" versicherte ob des Mißverstäud-
nisscs bestürzt der Schullehrer: „Eine Fliege war mir in den
Schlund gefahren! . . Hier, Herr Major, hier ist das Unge-
heuer! ..."

Nun war cs an dem Major, die Sache so lustig zu nehmen
als sie war.

Bei dieser Gelegenheit theiltc ihm der Major nähere
Details über den Schritt mit, den er unternommen, ferner, daß
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