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13.
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst-
handlungen, sowie von allen Postämtern und
Zeitungs-Expeditionen angenommen.
Erscheinen wöchentlich ein Mal.
1793.
Preis des Bandes (26 Nummern) M 6.70. Bei direktem
Bezüge per Kr euzb and: für Deutschland und Oesterreich ^
M. 7.50, für die anderen Länder des Weltpostvereins — LiaaI. OO.
Einzelne Nummer 30
Prinzrssin
(Eine persisch
Der junge Kurde hatte den Kaufpreis für die auf den
Markt getriebenen Pferde seinen Begleitern übergeben und schlich
nun ans einsamen Wegen zu dem königlichen Garten zurück.
Er konnte der Sehnsucht nicht widerstehen und kletterte abermals
einen der Palmenpfähle hinan, die das Gitter des Gartens
bildeten, allein er sah nur das Silberdach des weißen Marmor-
Langewcile.
>e Geschichte.)
späterstes im Sonnenschein brennen und die Malachiteinfassung
der geschlossenen Fenster wie riesige Schlangenaugen funkeln.
Der Kurde stieg hinab und preßte sein Haupt an einen
Pfahl. Er hatte das Antlitz der Prinzessin unverschleiert er-
blickt, und dasselbe Antlitz, das den König verzauberte, hatte
auch seine Sinne verwirrt . . .
Die Quellen der Geschichte fließen oft sehr spärlich, imb so
erfahren wir aus ihnen blos, daß Sulum II. von seinem Volke
der Grausame genannt wurde; allein Sulum II. war weich im
Gcmüth, und wenn er in zwecklosen Kriegen viele seiner getreuen
Untcrthanen anfopferte, so trug seine Tochter die Schuld daran.
Die Prinzessin langweilte sich. Sie konnte vor Langeweile
nicht schlafen, sie hatte keinen Appetit ans Langeweile, und sie
ward krank und blaß. Nichts konnte sie erheitern. Die Gesänge
der Lautenschläger aus Cordova mutheten sie an, wie süße Feigen;
die Harfen der arabischen Sänger erklangen stets nur von den
Augen, den Zähnen und den Füßen der Prinzessin; die chinesischen
Gaukler tranken stets dasselbe siedende Ocl und ließen stets
denselben Olivenbaum ans der Erde emporwachsen; und die
Märchenerzähler zwischen Bagdad und Bassora erzählten von
Liebe und Liebe — dies alles war langweilig. Der Leibarzt
Giovanni Arezzo betrachtete die Sache vom pathologischen Stand-
punkte und sprach die Ansicht aus, Ihre Hoheit würde von der
Langeweile gesunden, wenn sie mit hochihrcr Hand einen Sterb-
lichen beglückte. Daraufhin meldete sich der Prinz von Nubien,
Hauptmann von der Leibgarde zu Byzanz. Die Prinzessin
ließ aber den Brautwerber fragen, ob dieser sich für sie die
Augen ansstechen lassen wolle, wie es ihre tscherkessische Zofe
gcthan? Der Prinz von Nubien zog aber ein ernstes Gesicht
und meinte, so weit erstrecke sich seine Galanterie nicht, und
die Männer, die sich für die schönste Frau die Augen ansstechen
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13.
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst-
handlungen, sowie von allen Postämtern und
Zeitungs-Expeditionen angenommen.
Erscheinen wöchentlich ein Mal.
1793.
Preis des Bandes (26 Nummern) M 6.70. Bei direktem
Bezüge per Kr euzb and: für Deutschland und Oesterreich ^
M. 7.50, für die anderen Länder des Weltpostvereins — LiaaI. OO.
Einzelne Nummer 30
Prinzrssin
(Eine persisch
Der junge Kurde hatte den Kaufpreis für die auf den
Markt getriebenen Pferde seinen Begleitern übergeben und schlich
nun ans einsamen Wegen zu dem königlichen Garten zurück.
Er konnte der Sehnsucht nicht widerstehen und kletterte abermals
einen der Palmenpfähle hinan, die das Gitter des Gartens
bildeten, allein er sah nur das Silberdach des weißen Marmor-
Langewcile.
>e Geschichte.)
späterstes im Sonnenschein brennen und die Malachiteinfassung
der geschlossenen Fenster wie riesige Schlangenaugen funkeln.
Der Kurde stieg hinab und preßte sein Haupt an einen
Pfahl. Er hatte das Antlitz der Prinzessin unverschleiert er-
blickt, und dasselbe Antlitz, das den König verzauberte, hatte
auch seine Sinne verwirrt . . .
Die Quellen der Geschichte fließen oft sehr spärlich, imb so
erfahren wir aus ihnen blos, daß Sulum II. von seinem Volke
der Grausame genannt wurde; allein Sulum II. war weich im
Gcmüth, und wenn er in zwecklosen Kriegen viele seiner getreuen
Untcrthanen anfopferte, so trug seine Tochter die Schuld daran.
Die Prinzessin langweilte sich. Sie konnte vor Langeweile
nicht schlafen, sie hatte keinen Appetit ans Langeweile, und sie
ward krank und blaß. Nichts konnte sie erheitern. Die Gesänge
der Lautenschläger aus Cordova mutheten sie an, wie süße Feigen;
die Harfen der arabischen Sänger erklangen stets nur von den
Augen, den Zähnen und den Füßen der Prinzessin; die chinesischen
Gaukler tranken stets dasselbe siedende Ocl und ließen stets
denselben Olivenbaum ans der Erde emporwachsen; und die
Märchenerzähler zwischen Bagdad und Bassora erzählten von
Liebe und Liebe — dies alles war langweilig. Der Leibarzt
Giovanni Arezzo betrachtete die Sache vom pathologischen Stand-
punkte und sprach die Ansicht aus, Ihre Hoheit würde von der
Langeweile gesunden, wenn sie mit hochihrcr Hand einen Sterb-
lichen beglückte. Daraufhin meldete sich der Prinz von Nubien,
Hauptmann von der Leibgarde zu Byzanz. Die Prinzessin
ließ aber den Brautwerber fragen, ob dieser sich für sie die
Augen ansstechen lassen wolle, wie es ihre tscherkessische Zofe
gcthan? Der Prinz von Nubien zog aber ein ernstes Gesicht
und meinte, so weit erstrecke sich seine Galanterie nicht, und
die Männer, die sich für die schönste Frau die Augen ansstechen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Prinzessin Langeweile"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)