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Prinzessin Langeweile.

ließen, müßten überhaupt noch erfunden werden. Der Hanptmann
von der Leibgarde zog nun an seinen Hof zurück. So hatte
denn die Prinzessin das Freien satt bekommen . . .

Sie verlangte einst einen Palast, der sich an einen kahlen
schroffen Felsen lehnen müsse. Abendländische Architekten wurden an
den Hof berufen, alle kräftigen Hände mußten Frohndienste leisten,
eine Hungersnoth entstand, aber dafür ward auch eine Stelle
Wüstenei in ein Stück Paradies verwandelt. Im Innern des
Palastes starrte es von Gold und Edelgcstcin; in dem Festsaale
hatte ein Teppich Raum, der dreihundert Ellen Länge und
sechzig Ellen Breite maß, und auf dem ein Garten eingewirkt
war, dessen Bäume aus Smaragden, dessen Blüthen aus Dia-
manten und dessen Blumen aus Rubinen bestanden — die
Prinzessin bezog aber eine niedrige Lehmhütte, die auf ihr
Geheiß an den Palast gebaut werden mußte . . .

Einige Tage darauf wünschte sie einen Schleier, mit
dem sie ihre Hütte einhüllen könne, der aber so fein sein müsse,
daß er durch einen Ohrring der Prinzessin gezogen werden
könnte. Der König schickte einige Heere auf die Suche, und

nach Verlauf von zwei Monaten überreichte er der Prinzessin

den verlangten Schleier, der aus einer Pagode auf der Insel

Elephante geraubt werden mußte und zehntausend Soldaten das
Leben kostete. Die Prinzessin hatte den Schleier schon vergessen
und zerriß ihn mit ihren rosigen Fingern.

Wie eine Riesenspinne um den Colibri, so wob die

Langeweile um die Prinzessin ihre Netze. Ihre Augen wurden

immer größer und ihre Wangen immer blässer . . . Einmal
fuhr sie in der Nacht von ihrem Lager empor und befahl ihrer
blinden Zofe, die Sterne am Himmel zu zählen. Da dies
nicht gut möglich war, nahm die Prinzessin den Kopf der
Sklavin in ihre Hände und küßte sie auf die Augen. — „Jesa,"
sprach sie, „mein Herz stirbt vor Sehnsucht. Ich fühle es mit
jedem Tag besser. Jesa, sterben die tscherkessischen Mädchen an
Herzweh?" — „Ja, wenn sie lieben," flüsterte die Blinde.
— „Wenn sie lieben? Lieben! . . . aber mein Herz ist
todtkalt, trotz der Sehnsucht, die ich empfinde, und die Märchen-
erzähler schwatzen so viel von der heißen Flamme, die das Herz
durchzieht, wenn man liebt" ... So trauerte die Prinzessin,
und der ganze Hof schwieg und der König weinte. Seine
Tochter hatte ihm die Sinne verwirrt — wie sie den jungen
Kurden, der draußen an den Pfählen des Gartens gelehnt stand,
verzauberte. Er kehrte nicht heim. Man hatte ihm die Botschaft
hinterbracht, daß seine Geliebte sich nach ihn, die Augen ausweine,
daß sein Vater im Sterben liege und ihm die Häuptlingswürde
übertragen wolle — er kehrte nicht heim. Er preßte sein Haupt
an die Pfähle und manchmal stieg er einen Baum hinan, die
Prinzessin zu erspähen. Lange harrte er vergeblich, endlich sah
er sie mit der Tscherkessin durch den Garten schreiten. Er sprang
von dem Pfahl hinab in das wogende Meer der Rosenbäume.
Zerrissen von den Dornen und blutend schleppte er sich bis zur
Prinzessin hin, die nachlässig ihr Antlitz in den weißen Schleier
barg. — „Laß mich Deine Augen sehen," bat der Kurde,
indem er die Hände emporstreckte, „laß mich sie sehen, auf daß
ich gesunde." —

„Der Mann ist wahnsinig," sprach die Prinzessin ruhig;
„man jage ihn aus dem Garten!"

„O, laß mich die Luft athmen, die Du aushauchst",
stöhnte der Knieende, „oder zertritt meine Seele mit Deinen

Füßen, damit ich sterbe." Die Trabanten wollten ihn wcg-
schlagen — „Jesa, liebst Du die Wahnsinnigen?" wandte sich
die Prinzessin an die Blinde . . . „Sollen wir ihm den Kopf
abhauen lassen? . . . Man jage ihn ans dem Garten und
er möge dann in Ruhe gelassen werden!" Die Prinzessin schritt
weiter. Der Wind strich durch die Bäume und die Spring-
brunnen glänzten wie Diamanten . . .

Die Prinzessin kam nun öfter nm die Abendzeit in den
Garten; dort aber hockte der Kurde und schaute mit glühenden
Augen auf das unverschleiertc Gesicht der Prinzessin. Sie hatte
abermals einen Wunsch. Auf der Spitze des Felsens, an dem
der Palast hing, war die. „blaue Blume" erblüht. Die „blaue
Blume" gehört in die Classe der Cacteen und bliiht nur einmal
in hundert Jahren und nur auf hohen sonnenbeschienenen Felsen.
Die „blaue Blume" öffnet am Mittag mit einem Knall den
blauen Kelch und sie stirbt mit Sonnenuntergang. Sic ist
der Sonne geweiht und wer sie im blühenden Zustand erlangt.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Prinzessin Langeweile"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Adamo, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 71.1879, Nr. 1783, S. 98
 
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