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Auch ein Witz.

Humoreske von M. Barack.

Vor etwa dreißig Jahren stand ich als junger und lustiger
Lieutenant in D., einem kleinen Städtchen mit einem alten,
ehemaligen Klostergebäude, welches unser Bataillon als Quartier
bezogen hatte, da bauliche Veränderungen in der Kaserne unserer
ständigen Garnison, der schönen Stadt C., die vorübergehende
Detachirung des Bataillons nothwcndig gemacht hatten.

Wir Offiziere, besonders wir Lieutenants, verlebten höchst
langweilige Tage in D., denn man hätte sich versucht fühlen
können, wie weiland Diogenes, am Hellen Tage mit einer
Laterne in dem kleinen Neste umher zu laufen, um Menschen
zu suchen. Es gab Niemand daselbst, mit dem wir hätten
Umgang Pflegen und vor Allem, cs gab keine Mädchen, welchen
wir hätten die Cour machen können, was bekanntlich einem
Lieutenant so nothwcndig ist zum Leben, wie einer Pflanze
Regen und Sonnenschein. So kam es, daß wir, bezüglich
unserer Unterhaltung, lediglich auf uns selbst angewiesen, alle
möglichen Schwänke verübten und auf Kosten irgend eines
Kameraden Scherze ersannen, nur um die trostlose Langeweile
zu tödten und Gelegenheit zum Lachen zu haben. Freilich waren
wir Lieutenants damals auch Leute, „als ob uns die Engel
zusammcngctragen hätten", d. h. wir lebten in der herzlichsten
Kameradschaft mit einander, und Keiner hatte von dem Andern
zu befürchten, daß ein Scherz übel genomnicn, oder gar zu
ernsteren Folgen führen würde. Mancher köstliche Witz, mancher
ausgezeichnete Schwank wurde daher in jener Zeit ausgeführt,
der jetzt noch zu den fröhlichsten Erinnerungen meiner Jugend
gehört. Einer besonders, dessen ich gerade gedenke, macht mich
auch heute noch hell auflachen, obgleich ich ausnahmsweise nicht
der Veranstalter desselben war, sondern vielmehr zu den Geprellten
gehörte. Ich will ihn, wie folgt, znm Besten geben.

Einer unserer Kameraden — Gott habe ihn selig, er ist
längst tobt — war der Lieutenant von R., der seine Wohnung
in demselben Hause hatte, in dem auch ich wohnte. Er war
ein äußerst gutmüthiger, prächtiger Mensch, mit einem Herzen
wie Gold; doch er war entsetzlich phlegmatisch, liebte Ruhe und
Bequemlichkeit über Alles, und — es muß trotz des Sprich-
wortes äs mortuis nil nisi bene gesagt sein — er huldigte
dem Gotte Bacchus etwas allzusehr, so daß wir ihn häufig
ans „der Blume", wo wir unsere abendlichen Zusammenkünfte
hatten, in einem Zustande nach Hause geleiten mußten, den
man im gewöhnlichen Leben totale Trunkenheit zu nennen pflegt.
Er >var aus diesem Grunde bei seinen Vorgesetzten nicht besonders
gut angeschrieben, ja er hatte sogar schon „den ersten Warnnngs-
grad" erhalten mit dem Androhen, daß er beim nächsten Ver-
gehen unnachsichtlich entlassen würde. Wir aber hatten den

braven, guten Kerl recht von Herzen gern und waren stets
bemüht, ihn so viel wie möglich vom übermäßigen Genüsse
geistiger Getränke abzuhalten, oder — wenn ihm etwas mensch-
liches begegnet war — zu verhüten, daß es zu Ohren unserer
Vorgesetzten gelangte. R. war uns Hiefür auch aufrichtig dank-
bar und ließ mit wahrhaft rührender Resignation sich immer
und immer wieder zur Zielscheibe unserer Schwänke machen,
und lachte selbst herzlich mit, wenn wir ihm irgend einen

Schabernack gespielt hatten, was fast täglich geschah. Wurde
ihm eine Cigarre offerirt, so konnte er daraus schwören, daß
sie nach wenigen Zügen explodirte; wollte er sich Abends zu
Bette begeben, so brach entweder die Bettstelle zusammen, oder
cs waren die Leintücher an einander genäht, oder er fand ein
halbes Dutzend Schlafkameraden in Gestalt von Fröschen in
seinem Lager vor. War aber nichts dergleichen geschehen, war
er glücklich in sein Bette gelangt und sanft entschlummert, so
wurde er nach kurzer Frist durch das rasselnde Klirren seiner
Weckeruhr wieder emporgeschreckt. Auf der Kegelbahn begegnete
cs ihm, daß er die beiden Aermel seines während des Kegelns
abgelegten Rockes mittelst der Knopflöcher durch ein Mahl-
schlößchen verbunden fand, so daß er absolut nicht im Stande
war, das Kleidungsstück beim Verlassen der Bahn anzuziehen.

In der Militär-Schwimmschule wurden ihm, während er
im Bade sich befand, die Stiefel mit den Strupfen an den
Boden festgenagelt, und.einmal sogar hatten wir bei der gleichen
Veranlassung seine sämmtlichen Kleidungsstücke bei Seite geschafft,
so daß er erst nach Ablauf von zwei Stunden sich bekleiden
konnte, nachdem er sich aus seiner Wohnung andere Kleider
hatte herbeibringen lassen. Den ärgsten Streich aber hatten
wir ihm einmal gespielt, als er, einer Einladung folgend, nach
C. gegangen war, von wo er erst nach Mitternacht zurückerwartet
wurde. Während seiner Abwesenheit hatten wir nämlich mit
einer Geduld und Anstrengung, die einer besseren Sache würdig
gewesen wäre, zu nächtlicher Stunde einen vor dem Hause
stehenden Leiterwagen zerlegt, stückweise hinansgetragen in seine
im ersten Stocke befindliche, mittelst eines Nachschlüssels geöffnete
Wohnung und hier wieder zusammengesetzt, so daß die Deichsel
mit der am vordersten Ende befestigten Laterne zum Fenster
hinausreichte. Das Erstaunen des guten R. kann man sich
kaum denken, als er, Morgens 3 Uhr heimgekommen, diese
sonderbare Bereicherung seines Ameublements entdeckte; doch
phlegmatisch, wie immer, ließ er sich deßhalb nicht ans der
Fassung bringen, lachte herzlichst über den neuen Possen, den
wir ihm gespielt hatten, und entkleidete sich, um sich nieder 31t

legen und den Schlaf des Gerechten zu schlafen. Aber dies
war nur „ein schön gedacht Projekt" für ihn. Er war gerade
im Begriffe, in sein Lager zu steigen, da wurde er durch einen
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Auch ein Witz"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Creditline
Fliegende Blätter, 71.1879, Nr. 1794, S. 186

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