Ehrgeizige Liebe.
„Des Weibes Ehrgeiz ist die Liebe", geneckt, wenn ich in den
schönen Pcnsionstagen davon schwärmte, einmal vielleicht die
Gattin eines Dichters zu werden. Ach, wie glücklich bin ich!
Wie gar wenige Menschen nur erreichen das Ziel ihres Sehnens,
und mir ist der innigste Herzenswunsch crsüllt worden, durch
Arthurs Liebe. Wirklich, wirklich, ich bin die Frau eines Dichters
geworden! Welche Wonne, welcher Stolz! Der Glanz des
DiamantschmuckeS, den mein Bräutigam mir schenkte, erschien
mir armselig gegen das dünne Bändchen, das unter den, Titel
„Memnonskläuge" in goldenen Lettern seinen Namen trägt und,
als Manuscript gedruckt, eine Anzahl seiner Lieder enthält. Unser
Brautstand war Ein Schwimmen im Meere der Poesie, und
unsere Ehe ist nur eine Fortsetzung diese« Zustandes bi« an's
Grab. Ich.kann sie auswendig alle seine „Mcmnonsllänge",
und unwillkürlich fließen sic mir von den Lippen, was meine,»
Arthur wohl zu gcsallcn scheint. Er behauptet, daran, daß seine
Gedanken zum Grundion der meinen werden, zu erkennen, daß
ich die zweite Halste seiner Dichterseclc bin. Er meint auch,
daß ich ihn bei seinem künsligc» poetischen Schaffen durch Mit-
cmpfindung sördernd zur Seite stehen werde. Ich kann mir
nicht denken, daß man noch glücklicher sein kann, als ich es jetzt
bin. und doch wird dies -in höheres Glück noch sein. Und daß
auch Ich den Namen trage, den Ec berühmt machen wird! Ei
wohl, guter, lieber, alter Proscffor, du hattest Recht, „Des
Weibes Ehrgeiz ist die Liebe", und nichts auf Erden ist schöner
und beglückender, als das Hochgcsühl des Ehrgeizes für den Ge-
liebten. Meine thcu're Agathe, ich kann Dir die volle Innigkeit
meiner Freundschaft für Dich nicht wärmer ausdrücken, als durch
den Wunsch, daß auch Dir das stolze Glück blühe, di- Gattin
eines Dichters zu werden. Deine Constanze.
15. Oktober 1877.
Liebste Agathe! Wie äußerlich ruhig fließe» unsere Tage
in der Monotonie des Landlebens dahin, wie -nächtig bewegt
aber sind sie innerlich! Was Alles habe ich erlebt, seit ich Dir
vor kaum drei Wochen zum letzten Male schrieb! Ich kann
Dir nicht schildern, welches Gefühl von Ehrsurcht niich ergriff,
als mir Arthur eines Morgens inillheilte, er ttagc den Pta»
zu eine», großen Epos i», Kopse. Ich wagte cs kaum, ihn,
den gewöhnlichen Frühstückskuß aus die Stirne zu drücke», die
so Gewaltiges birgt. Ein schaffender Poet ist doch eigentlich
eine Art Halbgott, den, gegenüber man sich bei aller Zärtlich-
keit einer gewißcn heiligen Scheu nicht erwehren kan». Man
kann cs kann, begreifen, da« ein >o hohes Wesen Einen liebe»
kann, und doch liebt mein Arthur mich so sehr! Denke nur,
er räumt mir Antheil an seinem Schaffen ein. Zwar will er
mir seinen Plan erst miltheilen, wenn er ihn seiner ausgearbcitet
hat, doch — welche Ehre! — eben zu dieser Ausarbeitung be-
hauptet er, meiner Gegenwart zu bedürfen. Er sagt, die Ge-
danken strömten ihm reicher, die Empfindungen wärmer zu, wenn
er mich an seiner Seite sühle. Du kannst Dir vorstellc», wie
überglücklich mich dies macht, aber — — es ist dennoch eine
seltsame Situation. Natürlich störe ich sein begeistertes Sinnen
durch kein Wort, und an Stelle unseres kosenden Geplauders ist
andachtsvolle Stille zetteten; große Stille, denn es stört meinen
Arthur auch, wenn ich musicire. Das begreift sich, allein ich
dachte, mich an seiner Seite mit einer kleinen Handarbeit be-
schäftigen zu können, doch macht ihn das monotone Auf und
'Nieder der Nadel nervös, und stört den „Fluß seiner poetischen
Empfindung". Und denke Dir, bald wäre er, zum ersten Mal,
ein wenig böse aus mich geworden. Ich wollte nämlich, als er
wieder ganz und gar in seiner Begeisterung versunken war, ohne
in meinem Unverstand Schlimmes zu ahnen, ein Buch zur Hand
nehmen. Mein lieber Ätthur aber war beinahe empört darüber,
daß ich mich mit den Gedanken eines Andern abgeben könne,
während er mit seiner Gedankenarbeit beschäftigt ist. Er ver-
sichert. cs dabei erhebend zu fühlen, wenn ich mein Denken und
Empfinden aus ihn coneentrire. Es ist eine sehr weihevolle
Situation, allein etwas-seltsam, stundenlang so laut und
regungslos neben ihm zu sitzen. Neulich habe ich ihn durch
eine ungeschickt brüske Bewegung aus seiner Versunkenheit empor-
gcschrcckt und um einen Vers gebracht, den er so klangvoll nicht
wieder finden kann. U-berhanpt staune ich über die Compli-
catton der „Gesetze des Schaffens", die er mir erklärt. Es ist
wunderbar, durch welche Kleinigkeiten solch -in Genius in seinem
Wirken gestört werden kann! Vom Auswachen bis zum Ein-
schlafen ist es jetzt meine vornehmste Sorge, daß er durch nichts
gestört werde. Hat er mir erst seinen Plan mitgetheilt, dann
wird es weit bester sein, dann werden wir darüber sprechen,
einstweilen aber ist cs ein wenig L la — la Trappe bei uns.
Darum auch hat Dir so viel vorgeplaudert Deine, auf ihre
einstweilig stumme Mitarbeitcrschast stolze, aber unverbesserliche
Plaudertasche
Constanze.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ehrgeizige Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1884
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1889
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 81.1884, Nr. 2044, S. 98
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg