Große Produktion der Zwillingsschwestern Misses Brennan.
gesahr. Die eine Schwester durste nur in dem Augenblicke,
wo die andere sich in ihre Hände schwang, zittern, und die
Gesährtin stürzte sich zu Tode; und die andere Schwester durste
nur in dem Augenblicke, wo die eine mit dem vollen Gewichte
ihres Körpers an dem Mundlncbel hing und sich schivindelnd
rasch drehte, einen ticscn Athemzug thun, und die andere war
ein Kind des Todes.
Vereint durch die Geburt zu beinahe ein und demselben
Geschöpfe, machte sie diese fortwährende Gegenseitigkeit der Ge-
sahr zu einem Doppelwesen, dessen Vereinigung wohl die düsterste
war, die des Todes. .Die Todesschwcster,," nannte sie auch
die geistvolle Tragödin Hcrmine Thomas.
„Die armen Mädchen!" sagte diese Künstlerin mit einem
traurigen Blicke nach den beiden Artistinen, welche lächelnd und
freudestrahlend ihre Arbeit unter dem Plafond des ricscnhohcn
Saales hcruntcrwirbelten und in der Lust gaukelten wie bunte
Schmetterlinge.
„Arm? Warum?" fragte Gras Landrol, der warmherzige
Kunstenthusiast, in dessen Loge die Schauspielerin an diesem
Abende der Vorstellung hatte beiwohnen mögen. „Die Schwe-
stern Brennan arm! Sie haben eine größere Gage als sie
verzehren können. Und wegen der Gefährlichkeit der Arbeit?
Lieber Himmel! Da bin ich wirklich Fatalist. Wir können
im nächsten Augenblicke ebensogut den Hals brechen, wie sie."
„Das Alles meinte ich auch nicht!" lächelte die.Thomas.
„Ich sagte: die armen Schwestern! Weil ich ihre Zukunst
voraussche."
„Sind Sie eine Zigeunerin, holde Frau?"
„Halb und halb, weil ich Künstlerblut bi». Aber jeder
Mensch, der ein wenig mit dem Herzen denkt, würde Achnliches
rathcn. Denken Sie sich doch diese beiden Geschöpfe, die vom
ersten Athemzuge an vereint, förmlich Eins geworden sind, nur
znsällig getrennt; welche dieselbe Muttermilch, dieselben Schmeichel-
worte, dasselbe Lächeln gehabt haben, dasselbe kleine Leid und
dieselben Freuden; dieselbe Schule, dieselbe Arbeit, dieselben
Aussichten. Wie alt könne» sie heute Beide sein? Höchstens
l6, 17 Jahre. Sie haben nichts Verschiedenes, als das Ge-
sicht und den Namen: Liana heißt die Eine, Angela die An-
dere. Halten Sie es nicht für gewiß, daß sie einst in dem-
selben Momente denselben Mann lieben werde»? Und darum
sagte ich: „Die armen Mädchen!"
Angela war ein himmlisches Mädchen. Sie hatte die
Züge, das Lächeln eines Cherubs, ihre seidenweichen Locken,
die bei der Arbeit um ihre reine Stirne wirbelten, hatten das
sanfte Braun der Kastanien. Liana dagegen war beinahe häß-
lich. Sie hatte groteske Züge, kleine Augen, rothes, sprödes
So hatte sich denn eine ganz scste Norm entwickelt. Angela
halte alle Triumphe und alle Bewunderung des Herzens. Liana
theilte nur Alles mit ihr. Alle Bouquets, alle Anbeter ge-
hörten für Angela. Alle Gedichte, welche die Schwestern be-
kamen , waren an Angela gerichtet. Und es war natürlich,
daß sich Liana scholl in frühester Jugend daran gewöhnt
hatte, und Alles ganz in der Ordnung sand. Wenn ein
Kavalier mit entzückten Blicken an den Fenstern ihrer Wohnung
vorübcrging, lies sie ganz eifrig zu ihrer Zwillingsschwestcr und
sagte: „Angela, da ist wieder Einer, der in Dich vernarrt ist!"
Und unerössnet brachte sie ihr alle Liebesbriefe, die an
„Schwester Brennan" adrcssirt waren, denn sie wußte ja, sic
gehörten der schönen Angela.
Und auch zu Hause hatte sich dieses Berhältniß genau aus-
gebildet. Liana versah die kleine Hauswirthschast, und Angela
las, empfing die Besuche, lachte, und entzückte alle Wxlt. In
ihrer Vaterstadt San Francisco ebenso, wie im alten Europa.
Liana liebte ihre Schwester innigst und war säst selber
verliebt in sie. Es schien säst, als ob Angela Alles allein
verdiene. Sie Halle auch zahlreiche Freier unter den Be-
wunderern und Anbetern, und zuletzt entschloß sie sich, dem
schönsten, reichsten und besten derselben, einem Grasen Sollogub,
ihre Hand zu reichen, und Petersburg sah in ihr die glück-
lichste Braut. _(Schluß folgt.)
Nervenschwach.
Er: „Sieh' dort, Amalie, ein Retour-Fuhrlverk — das
können wir gleich benützen!" -- Sic: „Aber, Edgar, ich
bitte Dich, was fällt Dir denn ein? Meine Nerven! Weißt
Du denn nicht, daß ich das Rückwärtsfahren nicht vertragen
„Verehrte Herren!
Unser unsterblicher Schiller wurde geboren zu Marbach
Und unser großer Lessing in Kamenz —
hoch leben die Damens!»
gesahr. Die eine Schwester durste nur in dem Augenblicke,
wo die andere sich in ihre Hände schwang, zittern, und die
Gesährtin stürzte sich zu Tode; und die andere Schwester durste
nur in dem Augenblicke, wo die eine mit dem vollen Gewichte
ihres Körpers an dem Mundlncbel hing und sich schivindelnd
rasch drehte, einen ticscn Athemzug thun, und die andere war
ein Kind des Todes.
Vereint durch die Geburt zu beinahe ein und demselben
Geschöpfe, machte sie diese fortwährende Gegenseitigkeit der Ge-
sahr zu einem Doppelwesen, dessen Vereinigung wohl die düsterste
war, die des Todes. .Die Todesschwcster,," nannte sie auch
die geistvolle Tragödin Hcrmine Thomas.
„Die armen Mädchen!" sagte diese Künstlerin mit einem
traurigen Blicke nach den beiden Artistinen, welche lächelnd und
freudestrahlend ihre Arbeit unter dem Plafond des ricscnhohcn
Saales hcruntcrwirbelten und in der Lust gaukelten wie bunte
Schmetterlinge.
„Arm? Warum?" fragte Gras Landrol, der warmherzige
Kunstenthusiast, in dessen Loge die Schauspielerin an diesem
Abende der Vorstellung hatte beiwohnen mögen. „Die Schwe-
stern Brennan arm! Sie haben eine größere Gage als sie
verzehren können. Und wegen der Gefährlichkeit der Arbeit?
Lieber Himmel! Da bin ich wirklich Fatalist. Wir können
im nächsten Augenblicke ebensogut den Hals brechen, wie sie."
„Das Alles meinte ich auch nicht!" lächelte die.Thomas.
„Ich sagte: die armen Schwestern! Weil ich ihre Zukunst
voraussche."
„Sind Sie eine Zigeunerin, holde Frau?"
„Halb und halb, weil ich Künstlerblut bi». Aber jeder
Mensch, der ein wenig mit dem Herzen denkt, würde Achnliches
rathcn. Denken Sie sich doch diese beiden Geschöpfe, die vom
ersten Athemzuge an vereint, förmlich Eins geworden sind, nur
znsällig getrennt; welche dieselbe Muttermilch, dieselben Schmeichel-
worte, dasselbe Lächeln gehabt haben, dasselbe kleine Leid und
dieselben Freuden; dieselbe Schule, dieselbe Arbeit, dieselben
Aussichten. Wie alt könne» sie heute Beide sein? Höchstens
l6, 17 Jahre. Sie haben nichts Verschiedenes, als das Ge-
sicht und den Namen: Liana heißt die Eine, Angela die An-
dere. Halten Sie es nicht für gewiß, daß sie einst in dem-
selben Momente denselben Mann lieben werde»? Und darum
sagte ich: „Die armen Mädchen!"
Angela war ein himmlisches Mädchen. Sie hatte die
Züge, das Lächeln eines Cherubs, ihre seidenweichen Locken,
die bei der Arbeit um ihre reine Stirne wirbelten, hatten das
sanfte Braun der Kastanien. Liana dagegen war beinahe häß-
lich. Sie hatte groteske Züge, kleine Augen, rothes, sprödes
So hatte sich denn eine ganz scste Norm entwickelt. Angela
halte alle Triumphe und alle Bewunderung des Herzens. Liana
theilte nur Alles mit ihr. Alle Bouquets, alle Anbeter ge-
hörten für Angela. Alle Gedichte, welche die Schwestern be-
kamen , waren an Angela gerichtet. Und es war natürlich,
daß sich Liana scholl in frühester Jugend daran gewöhnt
hatte, und Alles ganz in der Ordnung sand. Wenn ein
Kavalier mit entzückten Blicken an den Fenstern ihrer Wohnung
vorübcrging, lies sie ganz eifrig zu ihrer Zwillingsschwestcr und
sagte: „Angela, da ist wieder Einer, der in Dich vernarrt ist!"
Und unerössnet brachte sie ihr alle Liebesbriefe, die an
„Schwester Brennan" adrcssirt waren, denn sie wußte ja, sic
gehörten der schönen Angela.
Und auch zu Hause hatte sich dieses Berhältniß genau aus-
gebildet. Liana versah die kleine Hauswirthschast, und Angela
las, empfing die Besuche, lachte, und entzückte alle Wxlt. In
ihrer Vaterstadt San Francisco ebenso, wie im alten Europa.
Liana liebte ihre Schwester innigst und war säst selber
verliebt in sie. Es schien säst, als ob Angela Alles allein
verdiene. Sie Halle auch zahlreiche Freier unter den Be-
wunderern und Anbetern, und zuletzt entschloß sie sich, dem
schönsten, reichsten und besten derselben, einem Grasen Sollogub,
ihre Hand zu reichen, und Petersburg sah in ihr die glück-
lichste Braut. _(Schluß folgt.)
Nervenschwach.
Er: „Sieh' dort, Amalie, ein Retour-Fuhrlverk — das
können wir gleich benützen!" -- Sic: „Aber, Edgar, ich
bitte Dich, was fällt Dir denn ein? Meine Nerven! Weißt
Du denn nicht, daß ich das Rückwärtsfahren nicht vertragen
„Verehrte Herren!
Unser unsterblicher Schiller wurde geboren zu Marbach
Und unser großer Lessing in Kamenz —
hoch leben die Damens!»
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nervenschwach"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1884
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1889
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 81.1884, Nr. 2050, S. 146
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg