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Joseph Gregor Winck — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 2: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.57439#0014
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Daß der plastische Giebelschmuck offenbar der einzige dieser Art geblieben ist, lag nicht an
der mangelnden künstlerischen Qualität, sondern daran, daß in Norddeutschland Leistun-
gen dieser Art kaum gefordert wurden.
Joseph Gregor Winck hat Mannheim noch 1743 verlassen, um im Auftrag des Hildesheimer
Domkapitels den unter Leitung von Justus Wehmer10 umgebauten Rittersaal mit einem alle-
gorischen Deckengemälde zu versehen. Ursprünglich hat Winck seinen Aufenthalt in Hil-
desheim nur als Zwischenstation betrachtet. Im Februar 1747, als sich die Arbeiten dem
Ende zuneigten, wandte er sich an die Domkapitulare und mahnte die „Nöthige gelder ad 40
Reichsthaler zur her und RückReiße“ an, weil er sich „also zu bald es meine iezige umb-
stände es nur leiden werden, mich zur RückReiße anschicke“11.
Zum Glück haben weitere Aufträge - besonders seine Berufung nach Braunschweig durch
Herzog Karl I. - seine Rückreisepläne aufgehoben.
Soweit heute bekannt ist, hat Winck seine Wahlheimat Hildesheim nur noch während der
Sommermonate verlassen, um hier Kirchen, dort Schlösser und Bürgerhäuser mit seinen
Fresken zu schmücken. Von nun an lassen sich seine Spuren fast mühelos verfolgen. Vermit-
teln die heute noch vorhandenen Fresken ein anschauliches Bild des Künstlers, ist über den
Menschen nur wenig zu erfahren: Schemenhaft tauchen aus seinen Briefen und der Korre-
spondenz seiner Zeitgenossen Konturen auf, die mehr ahnen lassen als klar umreißen. Das
auffälligste Moment ist: Er war äußerst geschäftstüchtig. Fast immer geht es um seine finan-
ziellen Probleme, so daß Landbaumeister Martin Peltier de Belford, bei dem Winck während
seines Aufenthaltes in Braunschweig wohnte, von seinem Gast amüsiert schrieb: ,,.. .car il
ne dement point le proverbe, qui dit: riche comme un Peintre.“ Daß er sich seines Wertes
bewußt war, geht nicht nur aus dem Schreiben an das Bürener Kolleg hervor, dem er bei ei-
nem Streit um seine Bezahlung androht, er werde keine Hand mehr rühren und man möge
den Rest ausführen lassen, „durch wene es beliebig ist“12. Das ist eine deutliche Sprache und
paßt gut zu dem Manne, der von seinem „von gott verliehenen Talent“ spricht13.
Die äußeren Stationen seines Lebens sind schnell zu überschauen. Winck heiratete in Hil-
desheim am 9. September 1753 Maria Anna Albers14, die Schwester des dortigen Dompfar-
rers Johann Gottfried Albers15, der das Paar in der Kapelle des Schüsselkorbstiftes traute16.
Der Ehe entstammten vier Kinder, drei Töchter17 sowie der als Neunjähriger verstorbene
Sohn Heinrich Ludwig Franz (1762-1771)18.
Joseph Gregor Winck verstarb - zwanzig Jahre vor seiner Frau19 - am 11. April 1781 und
wurde am „14. desselben Monats im Morgengrauen durch den verehrten Herrn Kanonikus
Albers... auf dem Friedhof der Heiligen Maria Magdalena“ begraben20.
Als Joseph Gregor Winck von Mannheim aus im Herbst 1743 in Hildesheim ankam, um den
Rittersaal des Domes mit Fresken zu versehen, war die barocke Innenausstattung des Domes
selbst, die vorwiegend in den Jahren 1727-1734 ausgeführt wurde, abgeschlossen, und die
ausführenden Künstler hatten sich in ihre süddeutsche Heimat zurückbegeben; denn es gab
zu dieser Zeit in Niedersachsen kaum Ortsansässige, denen man gewichtige Aufgaben - ins-
besondere solche der Innenausstattung - anvertrauen konnte. Die Folge war, daß die Kunst-
topographie Hildesheims vorwiegend von süddeutschen und italienischen, aber auch fran-
zösischen Strömungen bestimmt wurde21. Für die Arbeiten am Dom sind der Kurfürstlich
Mannheimische Hofmaler Antonio Bernardini (ca. 1697-1762), der die Deckengemälde
schuf, sowie die Stukkatoren Carlo Rossi und Michael Caminada zu nennen, von denen der
letztere ebenfalls gebürtiger Mannheimer war22. Zur Kunst dieser Stadt haben offenbar enge
Beziehungen bestanden, die wahrscheinlich durch Mitglieder der am Mannheimer Hof und
im Hildesheimer Domkapitel an einflußreichen Stellen vertretenen Mitglieder der Familie
von Weichs aufrechterhalten wurden23.
Wincks Erscheinen wurde im Gegensatz zu dem seiner Vorgänger zu einem singulären Fall,
denn aus der zunächst als Intermezzo24 geplanten Reise in den Norden wurde ein endgülti-
ger Verbleib, so daß man nicht ohne Recht von einem Hildesheimer Freskanten sprechen
könnte. Er tritt uns hier bereits als ausgereifte Persönlichkeit, als fertiger Künstler entgegen,
in dessen Schaffen in der Folgezeit Entwicklungsphasen nur schwach sichtbar werden, und
selbst diese können nicht mit letzter Bestimmtheit definiert werden, da durch den heute
fragmentarischen Charakter des Gesamtwerks, das durch ungünstige klimatische Bedingun-

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