Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Joseph Gregor Winck — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 2: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1983

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57439#0013
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Biographie und künstlerische Abgrenzung
Am 8. Mai des Jahres 1710 erschien vor dem Pfarrer von Deggendorf in Niederbayern in Be-
gleitung eines Paten ein Paar, das seinen Sohn taufen lassen wollte. Der Vater Joseph Winckh
war ein aus dem Schwäbischen zugewanderter, zu dieser Zeit stellungsloser Schreiber, wie
aus seiner Bekundung (conditionem quaerens) hervorgeht, die Mutter eine gewisse Gertrud,
deren Familienname ungenannt bleibt. Als Taufpate trat der aus dem nahegelegenen Orte Fi-
scherdorf stammende Junggeselle Gregor Millner auf. Der Knabe wurde nach seinem Vater
Joseph getauft und erhielt als zweiten Vornamen den seines Paten: Gregor. Der kleine Jo-
seph Gregor Winckh wurde als „ehelicher Sohn“ eingetragen1.
Es darf jedoch vermutet werden, daß Joseph Winckh nicht mit Gertrud verheiratet war, und
es ist sicher, daß er nicht der leibliche Kindesvater gewesen ist. Da die Deggendorfer Hei-
ratsmatrikel für die Jahre 1709-1735 eine Lücke aufweisen, kann man den Nachweis für Exi-
stenz oder Nichtexistenz einer Ehe nicht mehr erbringen. Die Eintragung im Taufregister
war jedoch nicht stichhaltig, und die Kindesmutter wurde zu einem späteren Zeitpunkt zur
Frage der Vaterschaft nochmals gehört. Der nun folgenden Vernehmung ist zu entnehmen,
daß die „Mutter Gertrud den wahren Namen des Vaters verschwieg; nach einer Bedenkzeit
bekannte sie, das Kind sei unehelich, und erklärte öffentlich, es sei von einem anderen Mann
empfangen, dessen Ehre sie schone“2. Diese Bekundung wurde eingetragen, um den ur-
sprünglichen Vermerk „filius legitimus“ zu berichtigen.
Daß unter den besonderen Umständen nicht angenommen werden kann, der Tag der Taufe
sei auch derjenige der Geburt, ist einleuchtend3. Da der früheste Biograph Wincks, der
Fürstlich Quedlinburgische Hofrat und Professor für Geschichte an der Universität Erfurt,
Johann Georg Meusel, zu Lebzeiten des Künstlers das Geburtsjahr 1710 nennt, dürfte we-
nigstens diese Angabe stimmen4. Von diesem Zeitpunkt müssen wir die weite Spanne von
vierunddreißig Jahren übergehen. Man weiß nichts von Wincks Jugend, kennt nicht die Sta-
tionen seines künstlerischen Werdegangs. Die Vermutung, er sei Schüler Giambattista Tie-
polos gewesen, läßt sich so wenig erhärten wie die, er habe unter Cosmas Damian Asam an
der Ausmalung der Schloßkapelle von Ettlingen mitgearbeitet5.
Tatsache ist: In seiner süddeutschen Heimat ist kein Werk von ihm bekannt geworden. Und
obwohl der Hildesheimer Dompropst von Loe, dem wir Wincks Berufung in die Bischofs-
stadt verdanken, von ihm als „einem berühmten Meister zu Mannheim“ spricht6, ist unklar,
ob er als selbständiger Künstler dort tätig gewesen ist7.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß Winck Augsburg als Ausbildungsstätte gewählt hat, eine
Stadt, deren Akademie seit 1730 in Johann Georg Bergmüller (1688-1762) einen Lehrer be-
saß, der besonders als Freskomaler zu hohem Ansehen gelangte. Daß Winck zum Kunstbe-
trieb dieser Stadt enge Beziehungen unterhielt, bekundet er in einem an das Hildesheimer
Domkapitel gerichteten Schreiben aus Mannheim, in dem er ausführt, er müsse die ,,nöthi-
gen färben und gold ... von Augsburg“ kommen lassen8.
Keinen Erfolg haben Bemühungen gehabt, seine künstlerische Herkunft im Kreise süddeut-
scher Bildhauer oder Stukkatoren zu lokalisieren. Es ist nämlich bis heute viel zu wenig be-
achtet worden, daß wir es mit einer ausgesprochenen Doppelbegabung zu tun haben. Bereits
der zweite Auftrag, den Winck in Niedersachsen ausführte, dokumentiert seine hohe bild-
hauerische Fähigkeit bei der künstlerischen Ausgestaltung des Hauptgiebelfeldes der Braun-
schweiger Oper mit einem Relief in Stucco9. Es ist ganz unwahrscheinlich, daßder Architekt
Martin Peltier de Belford, dem sein Minister Heinrich Schrader von Schliestedt die Oberlei-
tung der Arbeiten anvertraut hatte, für eine so wichtige öffentliche Aufgabe einen Dilettan-
ten heranzog. Auch Wincks Wunsch, die Kupferstiche mit den Skulpturen der Giebel vom
Rathaus in Amsterdam einsehen zu dürfen, die der niederländische Bildhauer Artus Quelli-
nus für das nach den Plänen des Jacob van Campen erbaute neue Rathaus schuf, zeigt deut-
lich, daß ihm bedeutende Bildhauerarbeiten auch des Auslandes bekannt waren. Es ist mit-
hin nicht ausgeschlossen, daß Winck Lehr- oder Wanderjahre in Holland zugebracht hat.

9
 
Annotationen