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Joseph Gregor Winck — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 2: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.57439#0024
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Winck empfand die Fassade des Opernhauses im Hinblick auf seine eigene Arbeit, die er in
„stuck en relief“ herstellte, d. h. einem in Stuck ausgeführten Halbrelief, das farblich inGri-
sailletönen gefaßt war und eine vollplastische Wirkung erzeugte, als zu unruhig11. Er er-
suchte Peltier, sich beim Minister dafür einzusetzen, . .daß der Anstrich dieser Fassade
des Opernhauses, welche so schlecht und buntscheckig ist, einheitlich in der Farbe des na-
türlichen Steins getönt werden möge.. .“12.
Um sich für den Aufbau seiner Figurengruppe Anregungen zu verschaffen, erbat sich Winck
„desseins“ nach dem von Jacob van Campen erbauten Rathaus von Amsterdam mit seinen
berühmten skulptierten Giebelfeldern, die von Schrader dem Maler zukommen ließ13. Da-
bei wird es sich nicht um Zeichnungen, sondern um den aus sechs Blättern bestehenden Satz
Kupferstiche von Daniel Stalpaert gehandelt haben, die 1650 erschienen14. Winck hat sie tat-
sächlich nur benutzt, „um davon einige Proportionen zu nehmen“15. Seine eigene Kompo-
sition, von der Peltier schrieb, sie sei „vollkommen gelungen und geben die schönsten Pro-
portionen wieder“, steht zu der figurenreichen, stark dynamischen der des Artus Quellinus
in keiner Beziehung.
Während die kleinen Giebelfelder mit Putten und Girlanden geschmückt wurden, war auf
dem Hauptgiebelfeld eine Apotheose des Gründers der Oper dargestellt: Herzog Anton Ul-
rich als Beschützer der Musen.
Vor einer von einem Ast hängenden Draperie steht Apoll, das Haupt von einer Aureole um-
strahlt, und weist mit der Rechten auf einen Obelisken hin, auf dessen Postament ein Tondo
mit dem Bilde des Herzogs sichtbar ist. Von der rechten Giebelecke her bewegen sich Putten
auf diese Szene zu, während im Hintergrund Pegasos, das geflügelte Pferd der Musen, sich
zum Himmel emporschwingt. Das Puttenmotiv klingt auf der anderen Seite wieder auf; hier
herrscht die auf einer Wolkenbank sitzende Diana, zu der sich Apoll hinwendet.
Die Figuren sind mit leichter Hand über das Giebelfeld gruppiert, und geschickt hat Winck,
der das klassische Schema einer zentral angeordneten Figur vermeidet, die Bewegungszüge
und Gesten seines Apolls so angelegt, daß von ihm die Aktionen auf beiden Giebelhälften
zusammengehalten werden.
Die Arbeiten, die Winck am Braunschweiger Opernhaus ausführte - sie gehören zu den ganz
seltenen Beispielen dieser Art im norddeutschen Raume -, beweisen, daß er schon früh my-
thologische Themen glücklich zu behandeln wußte. Nicht zuletzt kann man in ihnen das
bisher vermißte Bindeglied zu den allegorischen, in Grisaille ausgeführten Darstellungen der
„Vier Jahreszeiten“ sehen, die er später für das Schloß seines Braunschweiger Mäzens Hein-
rich Schrader in Schliestedt malte.
Schon wenige Jahre nach seinem Tode wurde Wincks Name im Zusammenhang mit seiner
Tätigkeit am Braunschweiger Opernhaus nicht mehr erwähnt, vielmehr erfolgte eine Zu-
schreibung an Harms16. Seine Schöpfungen haben nur 52 Jahre lang die Braunschweiger
Oper geziert. Über ihr Schicksal unterrichtet uns Carl Wilhelm Sack:
„Daß dieses Bild bis auf den heutigen Tag nicht erhalten ist, haben wir auch dem bei Sachver-
ständigen oft mangelnden Kunstsinne zuzuschreiben.
Als man nämlich im Jahre 1799 hier den König Friedrich Wilhelm III. von Preußen bei Hofe
erwartete, erhielt der Cammer-Baumeister Lang-Wagen den Auftrag, das Opernhaus dazu
in möglichst besten Stand zu setzen. Dieser hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als anstatt das
allegorische, etwas schadhaft gewordene Gemälde einer Ausbesserung zu unterwerfen, das-
selbe vielmehr ganz beseitigen zu lassen.
Als derselbe nun am 22. Julius d.J. höchsten Orts aufgefordert wurde, über diesen Vanda-
lismus sich zu rechtfertigen, berief er sich theils auf den Obercammerherrn von Veltheim,
der als Intendant mit ihm das Haus besehen, theils darauf, daß der größte Theil dieses in grau
und grünlichem Tone gehaltene Gemäldes, Blasen gezogen, vom Regen abgewaschen, und
da Rohr und Nagel nachgelassen, viele Gipsstücke abgefallen seien. Es sei nicht möglich ge-
wesen, daß ein Maler dies in alten Farben habe wieder herstellen können, weshalb er sich auf
das Zeugniß von Sachverständigen berufen wolle.“17

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