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Joseph Gregor Winck — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 2: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.57439#0038
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Die Decke ist von einem schlichten Profil mit floraler Ornamentik umgeben, auf den Längs-
und Schmalseiten dominiert je eine Girlande, in den Ecken befinden sich Kartuschen.
Ist Wincks Tätigkeit zuvor in Hildesheim und später in Büren auf die Freskomalerei be-
schränkt geblieben, war er in Liebenburg weitgehend für die gesamte Ausstattung der
Schloßkirche verantwortlich. Von ihm stammen nicht nur die Deckenmalereien und das Al-
tarbild; auch die Nebenaltäre, die Kanzel mit Schalldeckel, das Tabernakel und der Sarko-
phagaltar sind von ihm entworfen. Sie wurden vom Hildesheimer Bildhauer Johann Caspar
Mohr ausgeführt.
Nicht zuletzt hierin wird man den Grund für die Harmonie suchen müssen, die diesen Raum
zu einem unvergleichlichen Gesamtkunstwerk hat werden lassen.
Das Thema des Deckenbildes, die „Legende des heiligen Clemens“, eine Huldigung an den
Hildesheimer Fürstbischof, mag - wie so oft - nach genauen Angaben gelehrter Räte festge-
legt worden sein. Daß daraus kein Historienbild im eigentlichen Sinn entstand, ist mit der
Bereitwilligkeit von Künstlern wie Gläubigen zu erklären, sich dem Schutz des Überirdi-
schen und Wunderbaren zu unterstellen. Zeigt schon die thematische Bezugnahme auf den
Patron noch eine ganz barocke Geisteshaltung, ist auch die künstlerische Durchführung
formal dieser Zeit zuzurechnen. Himmel und Meer, Architektur und Landschaft werden auf
grandiose Art miteinander verbunden und dies eben zu einer Zeit, in der Ästhetiker wie
Werner konstatieren: „Ist es nun nicht Unsinn, wenn die Maler da Historien, die sich auf der
Erde zugetragen haben, Bäume, ganze Landschaften, oder wol gar Seestüke hinkleksen?
Was für eine Empfindung mus es in uns erregen, wenn wir über unsern Gebäuden Bäume
wachsen, oder gar Schiffe in der Luft über uns herumtummeln sehen? Das einzige Element,
welches der Künstler hier zum Schauplaz seiner Vorstellung wälen kan, ist die Luft.“6
Winck hat zehn markante Episoden der Heiligen-Legende dargestellt, wobei er sich strikt an
die literarische Quelle, die Legenda aurea des Jacobus Voragine, hält7.
Die Jugend des Clemens ist übergangen, die Geschichte setzt gleich mit dem Höhepunkt
ein.
Auf der Ostseite über dem Hochaltar erhebt sich, ganz symmetrisch angelegt, die Eingangs-
front eines römischen Tempels. Rötliche Marmorsäulen tragen ein kompliziertes System ge-
sprengter und verkröpfter Giebel8. Den Tempelabschluß bildet eine hohe Attika mit Feuer-
vasen, während der „Bildeingang“ - die seitlichen Balustradenmotive basieren auf der realen
Architektur - über eine große Treppe erreicht wird. Repoussoirfiguren, die eine Steigerung
des Tiefeneindrucks bewirken, führen zu Clemens, der im päpstlichen Ornat, die Tiara auf
dem Haupt, die feierliche Pontifikalhandlung vornimmt.
Die Architekturkulisse wird auf der Nordseite fortgesetzt. In der ersten Szene sehen wir eine
Kommunion der Gläubigen, bei der Clemens einem Knienden die Hostie zeigt. Im mittle-
ren Bild ist eine Hafentreppe dargestellt, seitlich von Postamenten mit bekrönenden Urnen
begrenzt. Von rechts schreitet der Präfekt Mamertinus, das Liktorenbündel in der Linken,
begleitet von Soldaten, auf Clemens zu, um ihm die Verbannung durch Kaiser Trajan zu ver-
künden: „Also sprach der Präfect zu Clemens mit weinenden Augen ,Der Gott, den du in
Reinigkeit ehrest, der helfe dirc. Und bereitete ihm ein Schiff und hieß ihm darein geben alle
Notdurft. Es folgten ihm aber viel Cleriker und Laien nach in die Verbannung.“
Den Abschluß dieser Seite bildet das in starker Untersicht gezeigte Schiff, das zwischen ei-
nem mächtigen, von einem Baum bekrönten Felsen und der Landungsbrücke eben von Skla-
ven beladen wird. Diese Episode spielt vor einem Hintergrund mit römischer Palastarchitek-
tur.
Im Gegensatz zur Nordseite ist die gegenüberliegende Epistelseite ganz auf das Landschaft-
liche beschränkt. Die Episoden sind wieder in der gleichen Richtung aufgebaut und begin-
nen mit dem Schauplatz der Steinbrüche bei Chersona, in denen verbannte Christen arbei-
ten, welche von römischen Soldaten angetrieben werden. Im folgenden wird das im ausge-
trockneten Meere vergessene Kind am Jahrestag der Leiden des Heiligen von seiner Mutter
wiedergefunden. Es schließt sich eine weitere Wundertat des Heiligen an. Kniend bittet er
Jesus, seinen Bekennern eine Quelle zu bescheren: „Und da er gebetet hatte und um sich
schauete, sah er ein Lamm stehen, das hatte den rechten Fuß aufgehoben ... Da merkte er,

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