Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 4: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1987

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/fdn_4/0055
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ZU BAU UND ENTWURF

26 Systematisierter Grundriß.


Kleine Kirchstraße, auf ihr Einrücken in die Flucht
der Hausfronten auf der Südseite des Kornmarktes
und auf die so entstehenden Bilder eines gegliedert
Ganzen städtebaulicher Art müssen hier zur De-
monstration dieser alles andere als „zufälligen“
Wirksamkeit der Marienkirche genügen.16)
Sicher ist, daß der - seinem Rang gemäß freiste-
hend konzipierte - Bau vor allem eine Front, eine
Schauseite entwickelt, die in voller Breite und
18 Höhe ganz gesehen werden will: Die Nj'prdlang-
seite im Zuge - etwa, auf den wichtigen Versatz
war hingewiesen — der südlichen Bebauung des
Kornmarktes und streng parallel zum (nicht mehr
existierenden) grachtenähnlichen Wasserlauf zwi-
schen dem Straßenzug Reichenstraße/Reichsstraße
im Norden dieses Stadtraumes und dem Markt
bzw. der Straße im Süden. Längsachse der Kirche
und Wasserlauf bestätigen gemeinsam und am je-
weils anderen die Bedeutung dieser gestreckten
Platzfigur für die Stellung und Orientierung aller

an ihr mitwirkenden Elemente. Wer in diesen
Platzraum eintritt, wird die Nord- und Hauptfront
der Kirche zunächst nur schräg von Nordwesten
oder aber Nordosten erblicken. Dann erst wird
man eine „normale“, d. h. senkrecht der Kirche zu-
geordnete und damit erst die Langseite zur Front, ja
zu einem planen „Bild“ erklärende Position ein-
nehmen; etwa dem Nordportal oder aber der Stirn
des Nordquerhauses gegenüber — in diesem Falle
unterstützt durch den ehemals hier angeordneten
Steg über den Wasserlauf. Geht man „hinter“ die-
sen Graben zurück, ist auch genügend Abstand ge-
wonnen, um die Kirche in ihrer ganzen Größe „auf
einmal“ ins Auge fassen zu können.
Auf ähnliche Weise und in Analogie zur Nord-
front will auch die Südlangseite als Front gesehen
werden. Auch hier war und ist durch den Kirchhof
genügend Abstand gegeben, um den Bau in seiner
ganzen „Breite“ erfassen zu können. Die West-
und Turmfront spielt demgegenüber eine relativ
untergeordnete Rolle. Entweder wird sie im Zu-
sammenhang der Nord- oder Südfront „mitgese-
hen“, oder aber sie zeigt sich nur in Teilen. Etwa,
wenn man von Westen und der Kommisse her
kommend entlang der Häuserflucht auf der Süd-
seite des Kornmarktes frontal auf die Stirn des
Nordseitenschiffes wie auf eine von rechts einge-
rückte Kulisse zugeht; oder, wenn man sich in die
Turm-, Portal- und Kirchenachse stellt und auf
diese Weise zwar die vom rißgerecht aufgetragenen
Entwurf (vgl. den Holwein-Stich der Turmfront)
„vorbestimmte“ Position einnimmt, aber gerade
hier keineswegs in die Lage versetzt ist, das Ganze
der Westfront, geschweige denn die gesamte Höhe
der Turmarchitektur auf einen Blick zu fassen; der
abermals höhere Turm des Francke-Entwurfes
hätte es vollends unmöglich gemacht.
Westfront und Turm wollen und können nur
schräg und damit in Einheit mit der lagernden Bau-
masse des Kirchenkörpers und seiner dominieren-
den Langfronten tatsächlich gesehen werden. Das
läßt vermuten, daß der Turm anders auch nicht
wirken sollte. Denn „ohne“ die gelagerte Masse der
dreischiffigen Halle als „Kontrapost“ ist der Hoch-
wuchs des Francke-Turmes kaum zu erklären.
Allenfalls als „fernsichtiges“ Weg- und Zielmai im
Aufbau bildmäßig organisierter Stadträume ge-
winnt er eigenständige Bedeutung: noch einmal sei
auf seine Stellung in Relation zur Kleinen Kirch-
straße und auch noch zur entfernteren Mauren-
straße hingewiesen.
Körperlich dichte, klar in ihren Oberflächen und
Kanten definierte, dem konstitutiven Element des
Aufbaus, dem Quader, nach kubischer Form und
Wirkung erstaunlich nahe Einheiten der architek-
tonischen Organisation sind es, die als „ragender
Turm“ oder „lagernder Hallenkörper“ in eine klare
Kontrastrelation gestellt erscheinen. Diese Glied-

21

23

17

35
19

18

51
 
Annotationen