ZU BAU UND ENTWURF
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knoten in der Achse der Seitenschiffsfenster, diese
selbst und das Portal ganz im Sinne des Francke-
Entwurfes gearbeitet und damit neben den Quer-
haus-Giebel und das Seitenportal der Nordlang-
seite zu stellen sind.
Zu welchem Zeitpunkt hat man sich zu diesen
einschneidenden Änderungen des in den Holwein-
Schnitten und dem Kupferstich überlieferten Ent-
wurfes entschlossen? Naheliegend war die Vermu-
tung, daß dies nach dem Tode Franckes 1615 ge-
schah. Denn es ist unwahrscheinlich, daß Francke
selbst sich zu Umstellungen und Umformungen
bewegen ließ, die kaum als Verbesserung des Ent-
wurfes gelten können. Da Begründungen für den
oder auch die Planwechsel nicht überliefert sind
und die andauernden, vielleicht frühzeitig erkann-
ten Gründungsprobleme zwar das spätere Liegen-
lassen des Turmes, nicht aber das Auswechseln der
— theoretisch nicht minder standfesten — Hermen-
pfeiler durch Achteckstützen oder das Verrücken
der Seitenportale erklären kann, sind wir auf Ver-
mutungen und auf Interpretationen des Entwurfes,
seiner Ausführung und der — für diese frühe Zeit —
nur zufälligen Baunachrichten verwiesen.
Friedrich Thöne hatte gemeint, daß Francke selbst
für den „Pfeilerwechsel“ — sicherlich die wichtig-
ste Veränderung gegenüber dem ersten Entwurf —
verantwortlich gewesen sei. Er stützt sich auf jene
Liste von Bestattungen, die er auf den Herbst 1615
datiert und in der einerseits von „Pfeilern“ die Rede
ist, andererseits die Bestattung Franckes selbst
noch nicht erwähnt wird. Unstimmigkeiten bei der
Zählung der „Pfeiler“ und ihre (von Thönes An-
sicht, hier werde von den achtseitigen Freipfeilern
der Halle gesprochen, allerdings abweichende)
Identifizierung mit den Mauerpfeilern der Außen-
wände machen es jedoch wahrscheinlich, daß die
achtseitigen Freipfeiler erst nach dem Tode
Franckes, also in den Jahren 1616 bis 1618 errichtet
wurden. Nicht einer „muß“ nach Lage der Quellen
und nach dem Bild der Baustelle, das für 1615 zu
rekonstruieren ist, vor dem Tode Franckes entstan-
den sein; der Planwechsel wäre nach Herbst 1615
anzusetzen.21-1
Doch die Dinge liegen komplizierter. Eindeutig
beschreibt die erwähnte Liste Teile der Südhallen-
wand und des Turmes; eindeutig datiert sind zu-
dem Chor mit Querriegel und das Westjoch der
Nordlangseite (1613). Damit aber steht fest, daß
noch zu Lebzeiten Fanckes Bauteile errichtet wur-
den, die von „seinem“ Entwurf abweichen und —
zumindest — von ihm hatten „autorisiert“ werden
müssen. Dies gilt — wahrscheinlich — für das
Turmerdgeschoß mit dem „bandagierenden“ Zwi-
schengesims und dem sehr viel schmaleren Supra-
porten-Fenster für das Hauptportal ebenso wie für
die neue Position der Seitenportale. Diese vor allem
müssen frühzeitig verrückt worden sein; denn ge-
meinsam mit der Portalöffnung — bereits vor dem
Einsetzen der eigentlichen Portalarchitektur —
hatte das in der Grundrißperspektive des Kupfer-
stiches noch nicht gezeigte stärkere Risalitmauer-
werk zwischen den flankierenden Strebepfeilern
fundamentiert und zumindest mit seinen ersten
Quaderlagen angelegt werden müssen. Ein nach-
trägliches „Aufschichten“ des risalitbildenden
Wandkörpers schließt sich aus. Spätestens 1615,
noch vor dem Tod Franckes waren diese Mauer-
teile — auf jeden Fall auf der Südseite — realisiert,
vielleicht sogar vor Sommer 1613. Denn zu diesem
Zeitpunkt waren Chor, „Querhaus“ und Westjoch
der Nordseitenwand bereits bis etwa zur Mauer-
krone hinauf fertiggesellt.
So möchte man vermuten, daß mit der — auf der
Schnittperspektive noch nicht gezeigten — Verstär-
kung des Turmerdgeschosses, wohl noch zu Leb-
zeiten Franckes, auch eine neue Fassadengliede-
rung beschlossen und realisiert wurde.22) Gleich-
zeitig mag man sich für die Verrückung der Seiten-
eingänge entschieden haben. Ob damals bereits
eine neue, nicht mehr im Kontinuum den Hallen-
saal umfassende Empore vorgesehen war, läßt sich
nicht sagen. Auf modernen Längsschnitten der
Kirche muß allerdings auffallen, daß die heutigen
Emporen ein ganzes Stück niedriger als die der
Schnittperspektive angeordnet sind. Schon deswe-
gen konnten sie nicht mehr Anschluß an die „höhe-
ren“ Gewölbeemporen des Querriegels und des
Turmes finden. Hatten „funktionale“, die Höhe
und Zugänglichkeit der Priechen kritisierende Be-
denken den ersten Entwurf zum Scheitern ge-
bracht? Gab es ähnliche Gründe für das Verrücken
der Seitenportale?
Am Ende bleibt die Frage nach dem „Pfeiler-
wechsel“. An der gegenwärtigen Position der
Achtseitpfeiler war aufgefallen, daß sie im Hin-
blick auf die Gewölbe nicht ohne Zwang mit den
Eckpfeilern des Turmes und der „Emporenhäuser“
zu verbinden waren. In Relation zu diesen Einhei-
ten stehen sie „zu weit außen“, so daß die Scheid-
bogenarkaden zwischen Mittel- und Seitenschiffen
nicht in gerader Bahn von West nach Ost gespannt
werden konnten, sondern heftig ausweichen und
besonders unterstützt werden mußten, um über-
haupt Anschluß zu finden. Ganz anders sieht es auf
dem Entwurfsbild der Schnittperspektive aus:
Dort stehen die Hermenpilaster auf einer Stand-
linie, einer Achse, die sowohl ihnen als auch den
mächtigen Turm- und „Emporenhaus“-Pfeilern
ihren jeweiligen Ort zu weist. Im Unterschied zu
den breiten, eine deutliche Zäsur setzenden Band-
gurten zwischen Halle und Westbau bzw. Halle
und „Eporenhäusern“ (allerdings nicht Halle und
„Chorarm“!) sind diese Pfeilerachsen durch
schmal profilierte Scheidbogen in das Spitztonnen-
gewölbe projiziert. Das heißt: anders als in der
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selbst und das Portal ganz im Sinne des Francke-
Entwurfes gearbeitet und damit neben den Quer-
haus-Giebel und das Seitenportal der Nordlang-
seite zu stellen sind.
Zu welchem Zeitpunkt hat man sich zu diesen
einschneidenden Änderungen des in den Holwein-
Schnitten und dem Kupferstich überlieferten Ent-
wurfes entschlossen? Naheliegend war die Vermu-
tung, daß dies nach dem Tode Franckes 1615 ge-
schah. Denn es ist unwahrscheinlich, daß Francke
selbst sich zu Umstellungen und Umformungen
bewegen ließ, die kaum als Verbesserung des Ent-
wurfes gelten können. Da Begründungen für den
oder auch die Planwechsel nicht überliefert sind
und die andauernden, vielleicht frühzeitig erkann-
ten Gründungsprobleme zwar das spätere Liegen-
lassen des Turmes, nicht aber das Auswechseln der
— theoretisch nicht minder standfesten — Hermen-
pfeiler durch Achteckstützen oder das Verrücken
der Seitenportale erklären kann, sind wir auf Ver-
mutungen und auf Interpretationen des Entwurfes,
seiner Ausführung und der — für diese frühe Zeit —
nur zufälligen Baunachrichten verwiesen.
Friedrich Thöne hatte gemeint, daß Francke selbst
für den „Pfeilerwechsel“ — sicherlich die wichtig-
ste Veränderung gegenüber dem ersten Entwurf —
verantwortlich gewesen sei. Er stützt sich auf jene
Liste von Bestattungen, die er auf den Herbst 1615
datiert und in der einerseits von „Pfeilern“ die Rede
ist, andererseits die Bestattung Franckes selbst
noch nicht erwähnt wird. Unstimmigkeiten bei der
Zählung der „Pfeiler“ und ihre (von Thönes An-
sicht, hier werde von den achtseitigen Freipfeilern
der Halle gesprochen, allerdings abweichende)
Identifizierung mit den Mauerpfeilern der Außen-
wände machen es jedoch wahrscheinlich, daß die
achtseitigen Freipfeiler erst nach dem Tode
Franckes, also in den Jahren 1616 bis 1618 errichtet
wurden. Nicht einer „muß“ nach Lage der Quellen
und nach dem Bild der Baustelle, das für 1615 zu
rekonstruieren ist, vor dem Tode Franckes entstan-
den sein; der Planwechsel wäre nach Herbst 1615
anzusetzen.21-1
Doch die Dinge liegen komplizierter. Eindeutig
beschreibt die erwähnte Liste Teile der Südhallen-
wand und des Turmes; eindeutig datiert sind zu-
dem Chor mit Querriegel und das Westjoch der
Nordlangseite (1613). Damit aber steht fest, daß
noch zu Lebzeiten Fanckes Bauteile errichtet wur-
den, die von „seinem“ Entwurf abweichen und —
zumindest — von ihm hatten „autorisiert“ werden
müssen. Dies gilt — wahrscheinlich — für das
Turmerdgeschoß mit dem „bandagierenden“ Zwi-
schengesims und dem sehr viel schmaleren Supra-
porten-Fenster für das Hauptportal ebenso wie für
die neue Position der Seitenportale. Diese vor allem
müssen frühzeitig verrückt worden sein; denn ge-
meinsam mit der Portalöffnung — bereits vor dem
Einsetzen der eigentlichen Portalarchitektur —
hatte das in der Grundrißperspektive des Kupfer-
stiches noch nicht gezeigte stärkere Risalitmauer-
werk zwischen den flankierenden Strebepfeilern
fundamentiert und zumindest mit seinen ersten
Quaderlagen angelegt werden müssen. Ein nach-
trägliches „Aufschichten“ des risalitbildenden
Wandkörpers schließt sich aus. Spätestens 1615,
noch vor dem Tod Franckes waren diese Mauer-
teile — auf jeden Fall auf der Südseite — realisiert,
vielleicht sogar vor Sommer 1613. Denn zu diesem
Zeitpunkt waren Chor, „Querhaus“ und Westjoch
der Nordseitenwand bereits bis etwa zur Mauer-
krone hinauf fertiggesellt.
So möchte man vermuten, daß mit der — auf der
Schnittperspektive noch nicht gezeigten — Verstär-
kung des Turmerdgeschosses, wohl noch zu Leb-
zeiten Franckes, auch eine neue Fassadengliede-
rung beschlossen und realisiert wurde.22) Gleich-
zeitig mag man sich für die Verrückung der Seiten-
eingänge entschieden haben. Ob damals bereits
eine neue, nicht mehr im Kontinuum den Hallen-
saal umfassende Empore vorgesehen war, läßt sich
nicht sagen. Auf modernen Längsschnitten der
Kirche muß allerdings auffallen, daß die heutigen
Emporen ein ganzes Stück niedriger als die der
Schnittperspektive angeordnet sind. Schon deswe-
gen konnten sie nicht mehr Anschluß an die „höhe-
ren“ Gewölbeemporen des Querriegels und des
Turmes finden. Hatten „funktionale“, die Höhe
und Zugänglichkeit der Priechen kritisierende Be-
denken den ersten Entwurf zum Scheitern ge-
bracht? Gab es ähnliche Gründe für das Verrücken
der Seitenportale?
Am Ende bleibt die Frage nach dem „Pfeiler-
wechsel“. An der gegenwärtigen Position der
Achtseitpfeiler war aufgefallen, daß sie im Hin-
blick auf die Gewölbe nicht ohne Zwang mit den
Eckpfeilern des Turmes und der „Emporenhäuser“
zu verbinden waren. In Relation zu diesen Einhei-
ten stehen sie „zu weit außen“, so daß die Scheid-
bogenarkaden zwischen Mittel- und Seitenschiffen
nicht in gerader Bahn von West nach Ost gespannt
werden konnten, sondern heftig ausweichen und
besonders unterstützt werden mußten, um über-
haupt Anschluß zu finden. Ganz anders sieht es auf
dem Entwurfsbild der Schnittperspektive aus:
Dort stehen die Hermenpilaster auf einer Stand-
linie, einer Achse, die sowohl ihnen als auch den
mächtigen Turm- und „Emporenhaus“-Pfeilern
ihren jeweiligen Ort zu weist. Im Unterschied zu
den breiten, eine deutliche Zäsur setzenden Band-
gurten zwischen Halle und Westbau bzw. Halle
und „Eporenhäusern“ (allerdings nicht Halle und
„Chorarm“!) sind diese Pfeilerachsen durch
schmal profilierte Scheidbogen in das Spitztonnen-
gewölbe projiziert. Das heißt: anders als in der
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