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Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 5: Hameln: Verlag C.W. Niemeyer, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.57464#0070
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3523


3523.1
Schloß Ricklingen (Gmkg. Schloß Ricklingen,
Gde. Garbsen, Lkr. Hannover)
Scheibenkreuz
TK 3523 R3534220 H58105 60
M: 190/930/26 (Schaftbreite 59, Sockelbreite 97) Kalkstein
St: Am südwestlichen Ortsrand, ca. 180 m vor der Leinebrücke, neben
der Landstraße auf einem Hügel, zu dem eine Treppe hinaufführt.
Der Denkstein gehört zu dem im Großraum Hannover nur noch
dreimal vorhandenen medaillonartigen Typus der Scheiben-
kreuze, bei dem Scheibe und Fuß fast gleiche Breite aufweisen
und Scheibe wie Schaft mit seitlichen Auswüchsen (Halbkreis-
bzw. Dreiviertelkreisbossen) versehen sind. Beide Seiten dieser
Stele zeigen reliefartig ausgearbeitete Darstellungen, die ur-
sprünglich farbig bemalt waren. Auf der NO-Seite (Abb.) sieht
man einen barhäuptigen Ritter in Adorantenhaltung und vor
ihm sein Wappenschild mit dem lüneburgischen Löwen. In
halber Höhe des Schaftes sitzt seitlich je eine Bosse. Eine zeigt
das sächsische Landeswappen, die andere zwei gekreuzte und
mit den Spitzen nach unten gekehrte Schwerter. Die den Schaft
krönende mächtige Scheibe hat als Mittelpunkt den Kruzifixus
mit Maria und Johannes. Diese Szene wird von einem Schrift-
band umrandet, dessen Worte in gotischer Minuskelschrift lau-
ten:
4- hertoghe albert vo sasse un luneborch unde corvorste
unde arscmarescale des roemsche rikes bid voer hem.
Der Rand der Scheibe ist mit vier (je zwei sich gegenüberlie-
genden) Bossen besetzt, auf denen Evangelistensymbole zu se-
hen sind. Die SW-Seite zeigt im Schaftteil eine in faltenreichen
Mantel gehüllte Figur, die als Kopfbedeckung eine Kappe trägt.
Aus ihren betend erhobenen Händen windet sich ein Schriftband
mit den in Kapitalen geschriebenen Worten:
MISERERE MEI DEVS.
Vor der Figur ist das Wappen derer von Reden, darüber auf der
(heraldisch) linken Bosse ein Wappen derer von Holle (oder von
Meltzing) zu sehen. Das zwei Sparren zeigende Wappen auf der
gegenüberliegenden Bosse ist eventuell das des thüringischen
Geschlechts Breitenbuch. Auf dieser Scheibenseite, deren vier

Bossen hier nur mit gotischen Dreipässen verziert sind, gibt die
eingeschlagene Inschrift Kunde über den Anlaß der Denkstein-
setzung. Sie lautet:
Anö 1385 iare uerteyen nacht na Paschen do togen de uan
lunenborch mit örem heren hertogen albrechte to sassen vor
de borch to rickelinge vppe de van mandelse dar so wart
hertoge albrecht geworpen mit eyner blyen dat se afftogen
vnde hertoge albrecht de starff dar van.
Oben auf der Scheibe ist das „Geschoß“ — ein roh belassener
Findlingsstein - mit einem Eisenband befestigt. Bezüglich der
beiden Figuren sei gesagt, daß die auf der NO-Seite den tödlich
verwundeten Herzog Albrecht (manchmal auch Albert genannt)
von Sachsen und Lüneburg zeigt. Die Figur auf der SW-Seite
ist dagegen nicht sicher zu deuten. Es kann sich um einen der
Gefolgsmänner des Herzogs oder aber um seine Witwe (Katha-
rina) handeln. Zum Schutze des Denksteins ist 1617, auf An-
ordnung des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig und


3523.1 Schloß Ricklingen

Lüneburg, ein heute noch vorhandenes auf vier steinernen Qua-
derpfeilern gesetztes Steindach baldachinartig darüber errichtet
worden. Geschichtlich fallt dieses Ereignis in die Zeit des Lü-
neburger Erbfolgekrieges (1371-88). Damals wurde das alte
Schloß Ricklingen, eine Wasserburg, von Herzog Albrecht be-
lagert, um seinen hier residierenden Vasallen Dietrich von Man-
delsloh wegen Landfriedensbruch und anderer Vergehen zur
Raison zu bringen. Der Herzog ist dann sehr wahrscheinlich auf
diesem Hügel durch das steinerne Geschoß einer Wurfmaschine
(Blide) so schwer verwundet worden, daß er kurz darauf in
Neustadt/Rbge. starb. Er ist im Kloster St. Michael in Lüneburg

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