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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0027
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DIE VERFASSUNG DER STADT

landgericht), oberste Instanz das Hofgericht in
Mainz.184)
Auf das Oberlandgericht hatte Duderstadt einen
gewissen Einfluß, da die Stadt seiner Richterbank
Abgeordnete zuwies. Sie tat dies in ihrer Eigen-
schaft als Landstand. Außer Duderstadt wurden
noch Heiligenstadt, seit 1682 auch Worbis und au-
ßerdem der mainzische Anteil von Treffurt zur
Städteschaft gezählt,185) die mit dem Adel (d.h. vor
allem der Ritterschaft) und der Geistlichkeit die
eichsfeldischen Stände bildeten. Wichtigstes Recht
war die Steuerbewilligung, d.h. ohne ihre Einwilli-
gung konnten keine Steuern im Lande erhoben
werden; auch die Einziehung allgemeiner Steuern,
insbesondere der Türken- und Landsteuer, gehör-
ten zu ihren Aufgaben. Bei öffentlichen Landesab-
gaben hatte die Stadt einschließlich ihrer Dörfer
von 40000 Reichstalern 5461 zu zahlen.186) Außer-
dem gehörten zu ihrem Tätigkeitsbereich die Ge-
setzgebung und die Landesverteidigung. Die Stände
versammelten sich bei der sogenannten Fegebanks-
warte vor Heiligenstadt, wo man unter freiem
Himmel beriet, später dann im Rathaus zu Heili-
genstadt.187)
Die Stadt und ihre Dörfer
Die Geschichte Duderstadts ist seit alters her eng
mit den umliegenden Dörfern verbunden gewe-
sen.188) Der Stadt war es im Mittelalter gelungen,
sechzehn Dörfer zu erwerben und auf diese Weise
6 ein Territorium auszubilden, das an Größe das der
Stadt Göttingen weit übertraf. Zwar wurden wie
erwähnt der Stadt 1525 die fünf „Kespeldörfer“ ge-
nommen und dem Amt Gieboldehausen unter-
stellt189), doch blieben Dienste und Abgaben wei-
terhin der Stadt erhalten.
Die steuerliche Behandlung der Dörfer unter-
schied sich grundsätzlich von der der Stadt.110) Ihre
Bewohner blieben von der Zahlung des Schosses in
der üblichen Form verschont, mußten jedoch das
Knickgeld zur Unterhaltung der Landwehr — der
sogenannten „Knicks“ - zahlen, sodann den
„Satzhafer“ abliefern, und zwar für den Preis, der
vom Rat festgelegt wurde und der seit der Mitte des
17. Jahrhunderts nur noch ein Drittel des Markt-
preises betrug. Jede Bauernstelle mußte einen Malter
liefern, jeder andere Dorfbewohner einen halben.191)
Nach einer Aufstellung Barckefeldts waren das im
Jahre 1670 367 Malter (zu je 180 Liter).192) Der Satz-
hafer wurde im Rathaus gelagert und diente dem Mar-
stall als Pferdefutter. Nach einer Bemerkung Barcke-
feldts wurden im 16. Jahrhundert in einem Jahr 827
Malter Hafer verfüttert; das wäre ohne den Satzha-
fer nicht möglich gewesen.193) Außer dem Satzhafer
mußten weitere Naturalien im Rathaus eingelagert
werden: die Getreideablieferungen einiger Dörfer,
die Erträge der vom Rat selbst bewirtschafteten

Ländereien und die Kornlieferungen der Müh-
len.194) So verwundert es nicht, daß sich der Rat im
16. Jahrhundert gezwungen sah, das Rathaus um
einen großen Fachwerkbau ,aufzustocken’. Die
Kespeldörfer versuchten 1679, die Pflicht zur Ab-
lieferung des Satzhafers abzuschütteln, jedoch
auch nach der Appellation beim Mainzer Hofge-
richt vergeblich.195)
Barckefeldt, dessen Chronik einen wichtigen Ein-
blick in die Verhältnisse des 17. Jahrhunderts gibt,
hält die Dienstpflicht für wichtiger als die Abgabe-
pflicht und nennt sie „das beste Kleinod, so diese
Stadt unter anderen Rechtsambkeiten von undenk-
lichen Jahren wol hergebracht“.196) Sie sind nach
Handdiensten einerseits und Wagen- und Pflug-
diensten andererseits zu unterscheiden und zum
Teil gemessen, d.h. zeitlich begrenzt, zum Teil un-
gemessen; Barckefeldt zählt sie in allen Einzelhei-
ten auf.197) Als Gegenleistung gab es einen kleinen
Imbiß (für einen vierspännigen Wagen war das ein
Stübchen Bier zu 3,8 Liter und ein Krengel).198) Die
Kespeldörfer zweifelten die Rechtmäßigkeit der
Dienste an. Der Prozeß ging 1581 bis zum Ober-
landgericht, 1682 gar zum Mainzer Hofgericht199)
und wurde 1741 noch einmal aufgenommen und
durch einen Vergleich des Amtes Gieboldehausen
beigelegt.200) 1681 prozessierte man wegen der
Knicks201) und 1695 wegen der Weigerung, unge-
messene Schanzdienste zu leisten.202) Insgesamt
konnte die Stadt ihre Position durchsetzen, mußte
allerdings eine Umwandlung der ungemessenen in
gemessene Dienste hinnehmen.203) Diese Auseinan-
dersetzungen sind sicher ein Zeichen dafür, daß die
Kespeldörfer die Herausnahme aus der Gerichts-
hoheit Duderstadts nutzen wollten, um vollstän-
dige Unabhängigkeit von der Stadt zu erreichen.
Die Dienste der Dörfer benutzte die Stadt für
Bau und Unterhalt der Straßen, das Herbeischaffen
von Material für städtische Bauten und die Beseiti-
gung der Kriegsfolgen, wie z.B. die Ausbesserung
von Wall, Graben und Stadtmauer nach dem Drei-
ßigjährigen Krieg.
Neben den bereits erwähnten Einkünften
konnte die Kämmerei folgende Einnahmen aus den
Dörfern verbuchen, wobei nur die ins Gewicht fal-
lenden aufgezählt sind: Die Erträge einiger Hof-
und Rittergüter und der vier Mühlen innerhalb und
außerhalb der Stadt, der Waldungen und Knicks;
sodann Erbenzinsen aus einigen Dörfern und der
Zehnt aus Breitenberg. Aus der Stadt selbst flössen
der Kämmerei zu: der Schoß als wichtigste Ein-
nahme, das Bürgergeld (für die Aufnahme in die
Bürgerschaft), Manntaler (von den Mitbewohnern
ohne Bürgerrecht), Hochzeitsgulden, Strafbußen,
Abzugsgeld (für Auswanderer), Stättegeld an Markt-
tagen, Wegegeld, Akzise der Branntweinbrennereien,
Braurecht und Braugeschoß und vieles andere
mehr.204’

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