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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0029
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DIE VERFASSUNG DER STADT

Duderstadt zwei ewige Räte sein und einer umb
den anderen ein Jahr lang das Regiment hat“.216'
Dieser Abschluß des Rates nach außen läßt sich be-
reits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts beob-
achten.2I7)
Die Ratswahl, so wie sie Hennicke geschildert
hat, wurde vom 16. bis zum 18. Jahrhundert nur we-
nig modifiziert. 1671 wurde wie schon 1668 der
Oberamtmann des Eichsfeldes zur Ratswahl auf
Montag nach Michaelis um 10 Uhr eingeladen „mit
denjenigen tractamenten, so etwa auff undt vorge-
tragen werden möchten“.218' Neben dem Stadt-
schultheißen nahm also noch ein zweiter mainzi-
scher Beamter an der Wahl teil und erhielt Gelegen-
heit, für besonders wichtig erachtete Urkunden,
Verordnungen oder Verlautbarungen öffentlich zu
verkünden. Schon 1582 hatten mainzische Gesandte,
allerdings nicht anläßlich der Ratswahl, im Beisein
von Schultheiß und beiden Räten auf dem Rathaus
ein Schriftstück „öffentlich proclamiert und ange-
kündigt“, die Huldigung von Schultheiß und Rat in
der Ratsstube entgegengenommen, ebenso wie das
Gelöbnis der Bürger durch Handschlag „uff dem
vorhuse“ (d.h. der Laube) und den ,gebührenden
Eid' vor dem Rathaus auf dem (Gropen-)Markt.219'
1671 war der Stadtschultheiß durch Krankheit ge-
hindert, persönlich an der Ratswahl teilzunehmen.
Er wurde vom Rat mittels des Stadtschreibers be-
fragt, wie man verfahren solle, und er antwortete,
daß alles in Ordnung sei, gab sein Votum ab und be-
fahl, mit der Wahl fortzufahren.220) 1769 entschul-
digte sich der Schultheiß wegen Schwachheit und
bestimmte die Stellvertretung seiner Aufgaben,
nämlich der Protokollführung und der Abnahme
der Verpflichtung des neuen Rates. Das ihm vom
Erzbischof zugestandene „votum decisionis“, das
ihm den Ausschlag bei Stimmengleichheit sicherte,
behielt er sich ausdrücklich vor.221' Die Einladung
an weitere Personen — 1659 etwa einen Obristen,
den Stadthauptmann, einen Doktor zu Heiligen-
stadt und einen Rittmeister zu Gieboldehausen zur
Regierungsübernahme Montag 16 Uhr222' — war
wohl nur ein gesellschaftliches und kein politisches
Ereignis.
Schriftliche Voten, also Stimmzettel, sind in
nicht geringer Anzahl aus dem 18. Jahrhundert
überliefert. Jeder Ratsherr, so läßt sich aus den er-
haltenen Unterlagen schließen, verfügte über so
viele Stimmen, wie verstorbene Ratsherren zu er-
setzen waren und zusätzlich über zwei Stimmen für
die zu ersetzenden Viermänner, wobei je ein Vier-
mann der katholischen und lutherischen Konfes-
sion angehören mußte.223' Solche Wahlen verliefen
durchaus nicht einmütig, 1690 traf man gar Vorkeh-
rungen gegen eine Schlägerei;224' offenbar wurde
der Wahl eines neuen Ratsmitgliedes, die de facto
eine auf Lebenszeit war, einiges Gewicht beigemes-
sen. Einiger Streit ergab sich auch aus dem Verbot,

dem Rat anzugehören, sofern bereits ein naher Ver-
wandter in diesem Gremium saß. Von dieser An-
ordnung konnten bei der kurfürstlichen Kanzlei in
Mainz Ausnahmen erwirkt werden, in dem diese
ein „breve eligibilitatis“ ausstellte. Bevor die Kanz-
lei dies tat, befragte sie die Regierung des Eichsfel-
des und den Stadtrat von Duderstadt, der innerhalb
von acht Tagen Bericht zu erstatten hatte.225' 1726
führte dies Verfahren zu einer Verzögerung bei der
Ratswahl.226' 1731 wurde aus diesem Grund die
Suspendierung einer Ratswahl beantragt, von der
Regierung des Eichsfeldes aber abgelehnt.227'
Für seine Tätigkeit im Rahmen der städtischen
Selbstverwaltung erhielt der Ratsherr, wie an-
derswo auch, bis weit in die Neuzeit hinein grund-
sätzlich keinerlei Besoldung oder Diäten.228' Schon
deshalb war er auf den Besitz eines gewissen Ver-
mögens angewiesen, um über Mittel zum Lebens-
unterhalt zu verfügen und gleichzeitig sich den Auf-
gaben im Rat widmen zu können. In der Tat lag,
wie erst jüngst ermittelt wurde, im 16. Jahrhundert
das durchschnittliche Vermögen der Ratsherren um
ein Mehrfaches über dem der Stadtbevölkerung.229'
Ganz leer gingen die Ratsherren andererseits doch
nicht aus. Neben der Steuerbefreiung für einen
Bierbrau230' wurden in unregelmäßigen Abständen
„Herrengeschenke“ an sie verteilt, 1588 zum Bei-
spiel Zinnbecken, aber auch Safran und Ingwer.231'
Viel mehr ins Gewicht, auch für die städtische Ge-
samtrechnung, fallen die Zehrungskosten. Erwähnt
wurden bereits die Festlichkeiten anläßlich der
Ratswahl. Zwar heißt es anläßlich einer Einladung
an den Stadthauptmann 1665, „hergebrachter ge-
wonheyt gemes ein kleines convivium“232', doch
dieses ,kleine Gastmahl' entpuppt sich Ende des
Jahrhunderts als fünftägiges Festmahl.233' 1659 ver-
zehrten die Gäste 391/2 Pfund holländischen Käse
im Werte von 2 Reichstalern 15 Groschen234', 16 75
betrugen die Gesamtkosten über 124 Reichsta-
ler235', 1679 fast 100 Reichstaler.236' Abzugs- und
Präsentationsschmaus von altem und neuem
Schultheiß kosteten 1726 zusammen fast 70 Reichs-
taler.237' Die üppigen Gastmahle erregten den Un-
willen der Bürger. Über einen Streit zwischen Rat
und Gilden zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist oben
berichtet worden238', doch auch in späterer Zeit ver-
stummten die Beschwerden nicht. Die Klagen
„einiger übel gesinnter der bürgerschaft“, wie sich
der Rat ausdrückt, bei der Regierung des Eichsfel-
des erwirkten ein Verbot der Mahlzeiten (1706).
Der Rat appellierte gegen den Entscheid mit der
Begründung, daß „die bei der rahtswahl gewöhn-
liche 5tägige Mahlzeit, den sogenandten üblichen
valet undt Zehentverpachtungßschmauß und an-
dere zehr undt bestallung mehr theilß abschafft,
theilß reducirt, in specie aber die elections-Mahl-
zeit auf einen tag restringiret“ worden sei. Die Re-
gierung des Eichsfeldes ließ sich von dieser be-

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