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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0030
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ULRICH HUSSONG

haupteten Mäßigung — die ja ein bezeichnendes
Licht auf frühere Zustände wirft — nicht beein-
drucken und hielt ihre Maßnahme aufrecht.239’.
Ganz sicher in diesem Zusammenhang wurde ein
separates Rechnungsbuch über die Spezifikation
der Kosten der Ratswahlen im Jahre 1705' ange-
legt.240’ Das ermöglichte eine gewisse Transparenz
der Ausgaben, wie im übrigen schon früher (ab
1688) die „Herrengeschenke“ übersichtlich geord-
net nach Empfängern in den Rechnungsbüchern
aufgelistet wurden.241’
Diese „Herrengeschenke“ wurden 1709 abge-
schafft und statt dessen „Bestallungsgelder“ ausge-
zahlt.242). Die Vermutung liegt auf der Hand, daß
die geschilderte Auseinandersetzung mit der Bür-
gerschaft über den Umfang der Ratszehrungen den
Anlaß gab, Geschenke des Rates an sich selbst, die
immer als Begünstigung ausgelegt werden können,
umzuwandeln in eine Bestallung, die sich als Vergü-
tung für eine Dienstleistung darstellt. Übrigens er-
hielt auch der nicht regierende Rat Bezüge, unge-
fähr die Hälfte der Ausgabe für das amtierende Kol-
legium.24^ Die Beschwerden über den Rat fanden
auch mit dieser Neuregelung kein Ende. Vom Jahre
1796 ist die Anzeige bei der Regierung des Eichsfel-
des bekannt, daß bei der Ratswahl die Stimmen
dem meistbietenden Aspiranten verkauft würden,
und 1800 wurde die Regierung aufmerksam ge-
macht, daß die neu Erwählten üppige Gastmahle
veranstalteten, die die Einkünfte der erhaltenen
Stelle auf mehrere Jahre verschlängen.244’
Im übrigen beschränkten sich die Klagen über
den Rat nicht auf die Zehrung und Korruption. Die
schon aus dem Mittelalter bekannte Unzufrieden-
heit der Gilden mit dem Rat entlud sich spektaku-
lär 1704, als die Gilden gewaltsam die Oberkirche
öffneten, Sturm läuteten und anschließend, Schult-
heiß und Rat beschimpfend, aufs Rathaus zogen.
407 Mann versammelten sich im großen Saal. Die
Beschwerden richteten sich gegen Verwandt-
schaftsbegünstigungen bei Ratswahlen und
schlechte Verwaltung, insbesondere der Stadtgüter,
des Marstalls, des Weinkellers und der Apotheke.
Den zuerst genannten Vorwurf konnte der Rat
schlechterdings nicht widerlegen; er begründete
die Tatsache, daß die meisten Personen im Rate mit-
einander verwandt waren, mit kleinstädtischen Ver-
hältnissen. Mißbräuchliche Amtsführung habe er
allerdings nicht betrieben. — Eine kurfürstliche
Kommission konnte den Streit nicht schlichten,
wozu die Ungeschicklichkeit des Rates, auf Kosten
der Stadt einen Sieg der kaiserlichen Truppen im
Spanischen Erbfolgekrieg mit einem Festmahl zu
feiern, sicherlich beitrug. 1744 schien durch eine
kurfürstliche Verfügung der Streit endlich abge-
schlossen zu sein, doch setzte er sich noch in den
nächsten Jahrzehnten fort.245-1

Zur Zeit des Bürgermeisters Barckefeldt Ende
des 17. Jahrhunderts hingen in der Ratsstube öffent-
lich die Termine der Ratssitzungen aus. Sitzungs-
frei waren die Zeiträume von Lucie bis Freitag nach
Drei Könige (1683 zum Beispiel 13. Dezember bis
8. Januar), von Septuagesima bis Freitag nach Remi-
niscere (14. Februar bis 19. März), von Judica bis
Freitag nach Quasi modo geniti (4. bis 30. April),
von Exaudi bis Ffeitag nach Fronleichnam (30. Mai
bis 6. Juni), von Margarete bis Freitag nach Bartho-
lome! (13. Juli bis 27. August). „Danach wird noch
zwei- oder dreimal zu Rathause gegangen bis Frei-
tag nach Galli [22. Oktober]; alsdann gehet der
neue Rat auf. Wenn aber inzwischen extraordinarie
etwas vorfället von wichtigen oder anderen Sachen,
so schleimige Consultation oder Expedition requi-
riren, so werden solche Ordinarferien billig nicht
attendiret.“246’
Der Rat beschränkte sich nicht darauf, in Plenar-
sitzungen sich zu beraten und Entschlüsse zu fassen
(wobei die mittelalterliche Gewohnheit, bei wichti-
gen Entscheidungen den nichtregierenden Rat hin-
zuzuziehen, beibehalten wurde).247’ Um seinen viel-
fältigen Aufgaben gerecht zu werden, wählte er aus
seinen Reihen zwei Kämmerer zur Kontrolle der
Finanzen, die im Ansehen direkt den Bürgermei-
stern folgten, und je zwei Bauherren, Grabenher-
ren, Mauerherren, Schoßherren, Bannerherren,
Schützenherren, Büchsenherren und Pfahlherren,
die für die Landvermessung zuständig waren.248’
Ein Teil dieser Funktionen ging in der frühen Neu-
zeit auf einen Ratsbedienten über, den Stadthaupt-
mann, der in der Regel aus dem benachbarten Adel
gewählt wurde und der für alle militärischen Ange-
legenheiten verantwortlich war, d.h. für die In-
standhaltung der Verteidigungsanlagen und die
Ausrüstung von Stadt und Bürgerschaft, auch für
Wachdienste und Öffnung und Schließung der
Stadttore. In Friedenszeiten standen ihm acht bis
neun berittene Diener zur Verfügung, die natürlich
auch zur Bekämpfung von Unruhen eingesetzt
wurden.249’ Aus den eigenen Reihen wählte der Rat
die Vogtherren, die die Ablieferungen der abgabe-
pflichtigen Dörfer überwachten250’, später über-
nahm dies Amt ein angestellter Landvogt.251’ Die
übrigen Aufgaben wurden nicht vom Rat selbst
wahrgenommen, sondern von Ratsbedienten. Als
vornehmster von ihnen galt der Stadthauptmann,
wie Barckefeldt schreibt.252’ Wegen des hohen Salärs
— der Stadthauptmann mußte drei Pferde, einen
Knecht und einen Jungen halten253’ — ließ die Stadt
den Posten zeitweilig unbesetzt bzw. versuchte, die
Besoldung abzusenken.254’ Wichtigstes Verwal-
tungsamt war das des Stadtschreibers, dessen Tätig-
keit weit über das Führen der Protokolle und Aus-
fertigen der Urkunden hinausging.255’ Die Ver-
waltungsaufgaben der Kämmerei erledigte der
Kämmereischreiber. Der Syndikus beriet die Stadt

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