DIE VERFASSUNG DER STADT
in Rechtsfragen und hatte stets eine Universitätsaus-
bildung absolviert. Waren die Bürgermeister selbst
Akademiker, wie es im 17. Jahrhundert mehrfach
vorkam, so erledigten sie dieses Amt mit.-56-1 Weiter
sind zu nennen: Arzt, Rektor der Stadtschule samt
seinen Gehilfen, Stallmeister, Stalljunge, der rei-
tende Diener, Wagenknecht, Landvogt, drei Rats-
diener (Stadtknechte), Organist, Küster, Markt-
meister (übt die Marktpolizei aus), Fisch- und Wall-
meister (ihm ist die Karpfenzucht in den Gräben
vor der Mauer und dem Wall übertragen), die Tor-
wächter (ihre Zahl schwankt, um 1500 sind es ein
gutes Dutzend), die Knickhüter und die Wächter
auf den Warten, die Förster (1683 waren es sechs),
Flurschütze, Hufschmied, Kupferschmied (der die
Pfannen zum Bierbrauen herstellte), Wegebesserer,
Steinsetzer, Zimmermann, Bettelvogt, Schornstein-
feger, Ratten- und Mäusefänger, Fiskal (wohl ein
Gerichtsdiener), Weinschenk, Koch und Schweine-
schneider. Am Ende der Hierarchie rangierte das
unehrenhafte Amt des Scharfrichters und Schin-
ders. Nicht alle Ämter wurden auch zu jeder Zeit
mit Personal versehen; das Amt des Arztes bei-
spielsweise blieb lange Zeit vakant und wurde be-
zeichnenderweise erst wieder in der Pestzeit be-
setzt.257’ Die Bestallung erfolgte regelmäßig gesplit-
tet in Geld und Naturalien.258’ Als Amtsdauer galt
fast ausnahmslos ein Jahr, doch konnte die Bestal-
lung wiederholt werden, was gerade bei den Stadt-
schreibern, für deren Tätigkeit gute Kenntnisse der
örtlichen Verhältnisse erforderlich waren, geschah.
Ansonsten ist eine starke Fluktuation zu beobach-
ten.259’
Das Verhältnis zwischen Stadt
und Landesherr in der Zeit von Reformation
und Gegenreformation
Das Verhältnis zwischen Stadt und Landesherr
komplizierte sich durch die Reformation. Schon
früh, 1522, lassen sich lutherische Predigten in
Duderstadt nachweisen, und die neue Lehre fand in
Bürgerschaft und Rat bald mehr und mehr Anhän-
ger.260’ Der Kurfürst forderte deshalb am 17. Mai
1548, die „verbottene Lehr“ abzuschaffen. ’ Der
Rat leugnete in seiner Antwort, daß sich der Prote-
stantismus in der Stadt ausgebreitet habe, berich-
tete aber gleichzeitig, daß manche Duderstädter
den Gottesdienst in protestantischen Dörfern der
Umgebung besuchten.262’ Um diese Umständlich-
keit zu vermeiden, bemühte sich der Rat um die
Anstellung eines für die Lutheraner akzeptablen
Pfarrers, allerdings vergebens.263’ Immerhin wurde
der Gottesdienst in der Folgezeit zum Teil nach
dem neuen Ritus zelebriert, wenn eben auch nicht
,offiziell’.
Die Gegenreformation, vom Mainzer Erzbischof
Daniel Brendel (im Amt ab 1555) tatkräftig geför-
dert, suchte die Ausbreitung des Protestantismus
nicht bloß einzudämmen, sondern bemühte sich um
eine systematische Rekatholisierung. Zu diesem
Zweck bereiste der Erzbischof 1574 persönlich das
Eichsfeld. Während seines viertägigen Besuches
mit großem Gefolge in Duderstadt überschüttete
ihn der Rat mit Geschenken (die Rechnungsbücher
verzeichnen 2165 Mark Ausgaben, das ist ungefähr
ein Viertel der Geldausgaben des Jahres)264’, jedoch
vergebens. Der Erzbischof setzte alle lutherischen
Prediger ab, beschlagnahmte die Schlüssel der Kir-
chen und übergab sie einem von ihm eingesetzten
katholischen Priester.265’ Doch dieser konnte sich
an St. Cyriakus nicht halten, was nicht weiter ver-
wundert, denn der 1574 neu eingesetzte Kommissa-
rius des Eichsfeldes soll bei seinem Dienstantritt in
Duderstadt keinen einzigen Katholiken mehr vorge-
funden haben.266’ Immerhin gelang es dem Priester,
nach St. Servatius auszuweichen. Eine Visitations-
kommission für das Eichsfeld, bestehend aus dem
Oberamtmann und mehreren Geistlichen und Juri-
sten, kam am 1. Februar 1575 nach Duderstadt und
befahl dem Rat bei Androhung des Verlustes aller
Privilegien, die Cyriakus-Kirche zu öffnen. Bür-
germeister, alter und neuer Rat erklärten am 26.
Februar 1575 in der Ratsstube vor einem Notar, daß
der größere Teil der Bevölkerung seit 30 Jahren und
mehr protestantisch sei, die Lehre Luthers seit vie-
len Jahren öffentlich gelehrt werde und die Ein-
wohner „sich alle sambt und sonderlich, keinen
ausgenommen, zu der Augspurgischen Confession
öffentlich bekennen“. Man berief sich zudem auf
den Augsburger Religionsfrieden von 1555.267’ Als
Ersatz für die Cyriakus-Kirche bot der Rat die klei-
nere Servatius-Kirche an. Die Visitationskommis-
sion erkannte die vom Rat vorgebrachten Punkte
nicht an, so daß der Rat an den Kurfürsten selbst
appellierte. Dieser warf am 17. Februar dem Rate
vor, Predigten des katholischen Pfarrers untersagt
zu haben und ergänzte am 19. April, daß die Be-
stimmungen des Augsburger Religionsfriedens sei-
nem Handeln nicht entgegenstünden.268’ Darauf-
hin sandte der Rat vier Personen aus seiner Mitte
nach Mainz, um persönlich vorstellig zu werden.
Ihnen und einer neuerlichen Delegation aus dem
Bürgermeister und dem Stadtschreiber, nur wenige
Monate später entsandt, erklärte man das Verhalten
des Rates für Ungehorsam; ein Abweichen von den
bisherigen Forderungen könne nicht erwartet wer-
den.269’ Die Stadt nahm Kontakt zur eichsfeldischen
Ritterschaft auf, deren lutherische Pfarrer vom Erz-
bischof vertrieben worden waren und die deshalb
auf dem Reichstag zu Regensburg vorstellig wer-
den wollte270’, und wurde selbst mit einem Schrei-
ben an die Kurfürsten im November 1575 in Re-
gensburg aktiv.271’ Währenddessen, mittlerweile
war es Frühjahr 1576 geworden, ließ der Amtmann
des Eichsfeldes öffentlich ein Verbotsdekret an-
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in Rechtsfragen und hatte stets eine Universitätsaus-
bildung absolviert. Waren die Bürgermeister selbst
Akademiker, wie es im 17. Jahrhundert mehrfach
vorkam, so erledigten sie dieses Amt mit.-56-1 Weiter
sind zu nennen: Arzt, Rektor der Stadtschule samt
seinen Gehilfen, Stallmeister, Stalljunge, der rei-
tende Diener, Wagenknecht, Landvogt, drei Rats-
diener (Stadtknechte), Organist, Küster, Markt-
meister (übt die Marktpolizei aus), Fisch- und Wall-
meister (ihm ist die Karpfenzucht in den Gräben
vor der Mauer und dem Wall übertragen), die Tor-
wächter (ihre Zahl schwankt, um 1500 sind es ein
gutes Dutzend), die Knickhüter und die Wächter
auf den Warten, die Förster (1683 waren es sechs),
Flurschütze, Hufschmied, Kupferschmied (der die
Pfannen zum Bierbrauen herstellte), Wegebesserer,
Steinsetzer, Zimmermann, Bettelvogt, Schornstein-
feger, Ratten- und Mäusefänger, Fiskal (wohl ein
Gerichtsdiener), Weinschenk, Koch und Schweine-
schneider. Am Ende der Hierarchie rangierte das
unehrenhafte Amt des Scharfrichters und Schin-
ders. Nicht alle Ämter wurden auch zu jeder Zeit
mit Personal versehen; das Amt des Arztes bei-
spielsweise blieb lange Zeit vakant und wurde be-
zeichnenderweise erst wieder in der Pestzeit be-
setzt.257’ Die Bestallung erfolgte regelmäßig gesplit-
tet in Geld und Naturalien.258’ Als Amtsdauer galt
fast ausnahmslos ein Jahr, doch konnte die Bestal-
lung wiederholt werden, was gerade bei den Stadt-
schreibern, für deren Tätigkeit gute Kenntnisse der
örtlichen Verhältnisse erforderlich waren, geschah.
Ansonsten ist eine starke Fluktuation zu beobach-
ten.259’
Das Verhältnis zwischen Stadt
und Landesherr in der Zeit von Reformation
und Gegenreformation
Das Verhältnis zwischen Stadt und Landesherr
komplizierte sich durch die Reformation. Schon
früh, 1522, lassen sich lutherische Predigten in
Duderstadt nachweisen, und die neue Lehre fand in
Bürgerschaft und Rat bald mehr und mehr Anhän-
ger.260’ Der Kurfürst forderte deshalb am 17. Mai
1548, die „verbottene Lehr“ abzuschaffen. ’ Der
Rat leugnete in seiner Antwort, daß sich der Prote-
stantismus in der Stadt ausgebreitet habe, berich-
tete aber gleichzeitig, daß manche Duderstädter
den Gottesdienst in protestantischen Dörfern der
Umgebung besuchten.262’ Um diese Umständlich-
keit zu vermeiden, bemühte sich der Rat um die
Anstellung eines für die Lutheraner akzeptablen
Pfarrers, allerdings vergebens.263’ Immerhin wurde
der Gottesdienst in der Folgezeit zum Teil nach
dem neuen Ritus zelebriert, wenn eben auch nicht
,offiziell’.
Die Gegenreformation, vom Mainzer Erzbischof
Daniel Brendel (im Amt ab 1555) tatkräftig geför-
dert, suchte die Ausbreitung des Protestantismus
nicht bloß einzudämmen, sondern bemühte sich um
eine systematische Rekatholisierung. Zu diesem
Zweck bereiste der Erzbischof 1574 persönlich das
Eichsfeld. Während seines viertägigen Besuches
mit großem Gefolge in Duderstadt überschüttete
ihn der Rat mit Geschenken (die Rechnungsbücher
verzeichnen 2165 Mark Ausgaben, das ist ungefähr
ein Viertel der Geldausgaben des Jahres)264’, jedoch
vergebens. Der Erzbischof setzte alle lutherischen
Prediger ab, beschlagnahmte die Schlüssel der Kir-
chen und übergab sie einem von ihm eingesetzten
katholischen Priester.265’ Doch dieser konnte sich
an St. Cyriakus nicht halten, was nicht weiter ver-
wundert, denn der 1574 neu eingesetzte Kommissa-
rius des Eichsfeldes soll bei seinem Dienstantritt in
Duderstadt keinen einzigen Katholiken mehr vorge-
funden haben.266’ Immerhin gelang es dem Priester,
nach St. Servatius auszuweichen. Eine Visitations-
kommission für das Eichsfeld, bestehend aus dem
Oberamtmann und mehreren Geistlichen und Juri-
sten, kam am 1. Februar 1575 nach Duderstadt und
befahl dem Rat bei Androhung des Verlustes aller
Privilegien, die Cyriakus-Kirche zu öffnen. Bür-
germeister, alter und neuer Rat erklärten am 26.
Februar 1575 in der Ratsstube vor einem Notar, daß
der größere Teil der Bevölkerung seit 30 Jahren und
mehr protestantisch sei, die Lehre Luthers seit vie-
len Jahren öffentlich gelehrt werde und die Ein-
wohner „sich alle sambt und sonderlich, keinen
ausgenommen, zu der Augspurgischen Confession
öffentlich bekennen“. Man berief sich zudem auf
den Augsburger Religionsfrieden von 1555.267’ Als
Ersatz für die Cyriakus-Kirche bot der Rat die klei-
nere Servatius-Kirche an. Die Visitationskommis-
sion erkannte die vom Rat vorgebrachten Punkte
nicht an, so daß der Rat an den Kurfürsten selbst
appellierte. Dieser warf am 17. Februar dem Rate
vor, Predigten des katholischen Pfarrers untersagt
zu haben und ergänzte am 19. April, daß die Be-
stimmungen des Augsburger Religionsfriedens sei-
nem Handeln nicht entgegenstünden.268’ Darauf-
hin sandte der Rat vier Personen aus seiner Mitte
nach Mainz, um persönlich vorstellig zu werden.
Ihnen und einer neuerlichen Delegation aus dem
Bürgermeister und dem Stadtschreiber, nur wenige
Monate später entsandt, erklärte man das Verhalten
des Rates für Ungehorsam; ein Abweichen von den
bisherigen Forderungen könne nicht erwartet wer-
den.269’ Die Stadt nahm Kontakt zur eichsfeldischen
Ritterschaft auf, deren lutherische Pfarrer vom Erz-
bischof vertrieben worden waren und die deshalb
auf dem Reichstag zu Regensburg vorstellig wer-
den wollte270’, und wurde selbst mit einem Schrei-
ben an die Kurfürsten im November 1575 in Re-
gensburg aktiv.271’ Währenddessen, mittlerweile
war es Frühjahr 1576 geworden, ließ der Amtmann
des Eichsfeldes öffentlich ein Verbotsdekret an-
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