Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0103
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Horst Masuch / Hans-Reinhard Fricke

Die baulichen Veränderungen nach 1800

Die Geschichte eines noch existierenden Gebäu-
des reicht von seiner Planung und Entstehung bis in
die Gegenwart, und wenn, wie beim Duderstädter
Rathaus anläßlich der von 1982 bis 1987 durchge-
führten Restaurierung, über die an anderer Stelle
berichtet wird, in jüngster Zeit bauliche Verände-
rungen durchgeführt wurden, so gehören auch sie
zu seiner Baugeschichte. Für die Darstellung dieser
Baugeschichte in getrennten Beiträgen mit einer
Zäsur um 1800 gibt es mehrere Gründe. Zum einen
ist 1754 die bauliche Entwicklung des Rathauses —
wenn wir darunter nur das Zufügen neuer Bauteile
verstehen — abgeschlossen; sie ist beim Rathaus in
Duderstadt in dem bis in die Gegenwart überliefer-
ten Zustand dokumentiert. Zum anderen verschiebt
sich von nun an die Bedeutung der Quellen, aus
denen die Baugeschichte erarbeitet wird. Für die
Darstellung der mittelalterlichen Baugeschichte ist
der Bauhistoriker fast ausschließlich auf Erkennt-
nisse angewiesen, die er aus der Bausubstanz selbst
gewinnen muß. Dabei kann er — wie es auch hier
beim Rathaus geschehen ist — z.B. mit Hilfe der
Dendrochronologie auch für eine Zeit, in der noch
keine schriftlichen Quellen zur Verfügung stehen,
zu einer Präzision der Darstellung kommen, die
der für die jüngere Zeit aus archivalischen Quellen
gewonnenen in nichts nachsteht. Auch für das aus-
gehende Mittelalter können die inzwischen dichter
gewordenen schriftlichen Belege die Erkenntnisse
aus der Untersuchung der Bausubstanz nur ergän-
zen, die Untersuchung selbst aber nicht ersetzen.
Noch für die Zeit des Laubenbaues (1531—34)
könnte eine nur auf archivalischen Quellen beru-
hende Darstellung der Baugeschichte die wahren
Verhältnisse nicht aufzeigen.
Um 1800 ändern sich die Untersuchungsmöglich-
keiten ganz entscheidend. In dieser Zeit ist die Ver-
waltung schon so perfektioniert, daß sich fast jede
bauliche Veränderung in einem schriftlichen Vor-
gang niederschlägt, der zunehmend auch noch

durch zeichnerische Darstellungen ergänzt wird.
Wenn dann der Historiker wie in Duderstadt das
Glück hat, daß die städtischen Archivbestände
keine größeren Lücken aufweisen, so ist der Archi-
var derjenige, der von nun an den wesentlicheren
Teil zur Darstellung der Baugeschichte zu erbrin-
gen hat. Diese Aufgabenverlagerung ist wichtig,
weil eine Bauuntersuchung zur Darstellung der
baulichen Veränderungen der jüngeren Zeit anstelle
von archivalischen Forschungen zu so gravieren-
den Eingriffen in die Bausubstanz führen würde,
daß sie einer Vernichtung der baulichen Erschei-
nungen dieser jüngeren Zeit gleich käme. Das ist
bei einem Gebäude, das restauriert werden soll,
nicht zu verantworten.
In Duderstadt hat es früher schon Ansätze ge-
geben, die Baugeschichte des Rathauses anhand
von Archivalien zu erarbeiten. Julius Jaeger publi-
zierte 1921 als ein Ergebnis seiner langjährigen
Arbeit im Archiv der Stadt eine zusammenfassende
Darstellung der wichtigsten Bauphasen des Rat-
hauses, die die Grundlage aller folgenden schriftli-
chen Äußerungen zur Rathausgeschichte bildete.1'
Richard Kretschmar, Stadtarchivar von 1936 bis
1954, hatte unter dem Stichwort „Rathaus“ eine
Zettelkartei zusammengestellt, die von seinen
Nachfolgern Joseph Dieck und Christoph Lerch
um einige wenige Nachträge ergänzt wurde. Eine
Darstellung der Baugeschichte des Rathauses ist
daraus nicht entstanden. Die jetzt vorgelegte Publi-
kation stützt sich nicht auf diese Zettelkartei, die
sich als lückenhaft und für diesen Zweck zu wenig
detailliert erwies. Die mit dem Auslaufen der
Restaurierungsarbeiten am Rathaus neu begonne-
nen Archivforschungen zur Baugeschichte er-
brachten ein mehrfaches an verwertbaren Beleg-
stellen.
Ein letzter Grund, die baulichen Veränderungen
des Rathauses nach 1800 für sich darzustellen, ist
damit gegeben, daß die ab 1803 vorgenommenen

99
 
Annotationen