Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0139
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Konrad Maier

Bemerkungen zur Baugeschichte und zur Stellung im
Rathausbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit

Nur wenige deutsche Rathäuser sind in ähnlich
intensiver Weise in ihrem Baubestand untersucht
und dokumentiert worden wie das Rathaus in
Duderstadt. Gleichwohl sind zwangsläufig viele
Erkenntnislücken geblieben. Zahlreiche scheinbar
bereits hinlänglich beantwortete Fragen mußten
neu gestellt werden, eine Fülle neuer Fragen trat
hinzu.
Insbesondere über die Anfänge und die erste Zeit
des Bestehens schweigen gleichermaßen die Schrift-
quellen und die bausubstantielle Überlieferung.
Aber auch für das 14. und 15. Jahrhundert ergibt
sich noch ein in vielen Punkten nur unscharfes
Bild. Einiges davon mag sich mit Blick auf kunstge-
schichtliche Parallelen klären oder präzisieren las-
sen. Doch ist gerade hierin Vorsicht geboten. Waren
doch die früheren Erforscher des Duderstädter
Rathauses verschiedentlich der Gefahr erlegen,
durch vorschnellen Analogieschluß oder gar durch
bloße Phantasie auch dort eine Eindeutigkeit des
Sachverhalts vorzutäuschen, wo Zweifel oder Mut
zur Lücke in der Aussage angebracht gewesen
wären.
Leider gilt dies auch fast für das gesamte kunstge-
schichtliche Vergleichsmaterial. Fehlende oder
mangelhafte, zumindest aber qualitativ sehr unter-
schiedliche Aufarbeitung der Individualbauge-
schichte der einzelnen Rathäuser kennzeichnet
schon die vom Ansatz durchaus verdienstvollen
Überblicke über die Geschichte des deutschen Rat-
hausbaues, wie sie Otto Stiehl1'* oder Karl Gruber2-1
in ihren zusammenfassenden Werken unternom-
men hatten. Noch heute sind der Möglichkeit,
Parallelerscheinungen aufzuzeigen und Besonder-
heiten herauszuarbeiten, wegen der unterschied-
lichen Verläßlichkeit von Vorarbeiten enge Gren-
zen gesteckt. Die nachfolgenden Ausführungen
verfolgen daher auch das Ziel, auf Forschungsdefi-
zite aufmerksam zu machen.

Die Anfänge
Bei dem heutigen Kenntnisstand ist es nicht
möglich, auch nur mit einem angenäherten Grad
von Wahrscheinlichkeit zu sagen, zu welchem Zeit-
punkt in Duderstadt das erste Rathaus erbaut oder
in Nutzung genommen wurde. Falls der älteste Teil
des vorhandenen Rathausgebäudes — von der
Funktion her betrachtet — einen Vorgänger beses-
sen haben sollte, stellen sich weitere zur Zeit noch
unbeantwortbare Fragen: welchen Standort, wel-
che Baugestalt, welche Abmessungen hatte dieser?
Die Notwendigkeit einer derartigen Einrichtung
ergab sich hier wie an anderen Orten spätestens mit
dem Vorhandensein einer Ratsverfassung. Diese
war in Duderstadt mit Sicherheit 1279 gegeben, als
Herzog Heinrich der Wunderliche dieser schon
1257 als civitas bezeichneten Gemeinde eine wahr-
scheinlich von seinem Vater Albrecht verliehene
Verfassung nach braunschweigischem Recht bestä-
tigte.35 Aber bereits 1255 ist für Duderstadt ein Rat
(consules) bezeugt,45 und vielleicht schon vor dem
— nur verfälscht überlieferten — Duderstädter Pri-
vileg Herzog Ottos des Kindes von 1247,55 nämlich
im Jahre 1241, als neben einem Schultheißen (scn.lt-
heicns) als Vertreter des Landesherrn, dem Adel
(nobiles) und dem gemeinen Volk (plebeji)von Bür-
gern (burgenses) die Rede ist, scheint die Entwick-
lung zu bürgerlicher Selbstverwaltung eingesetzt
zu haben.6-*
Wann dies in Duderstadt zu dem ersten dement-
sprechenden Bauvorhaben geführt hat, ist mit den
gegenwärtigen geschichtlichen und baugeschicht-
lichen Erkenntnissen nicht zu beantworten. Es er-
hebt sich sogar die Frage, ob der Duderstädter Rat
in den Anfangs) ahren sich nicht vielleicht zunächst
damit begnügt hat, in einem bereits bestehenden,
für einen anderen Zweck erbauten Gebäude unter-
zukommen. Eine solche nicht gerade repräsen-
tative Unterbringung provisorischen Charakters

135
 
Annotationen