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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0174
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MARTIN THUMM

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182 Lasurprobe an der Nordostecke des Rathauses. Nach
Grad der Verschmutzung und Maß der Restaurierungs-
spuren wurden Anzahl und Pigmentierung der Lasur-
schichten bestimmt.

Überzeugung durch, daß das Mauerwerk farblich
in der Oberfläche vereinheitlicht werden sollte.
Dies geschah aber mehr aus dem ästhetischen
Wunsch, den „Flickenteppich“ des reparierten
Mauerwerkes nicht stehenzulassen, als aus der Ein-
sicht, daß der gestalterische Überbau des rot-
weißen Fachwerks auch einen farbig gefaßten
Sockel zur Voraussetzung haben mußte. So konnte

gerade dort, wo auch materiell die „historische
Reinheit“ weitestgehend nachweisbar war, ein „rei-
nes“ denkmalpflegerisches Konzept nicht verwirk-
licht werden. Mit dem Kompromiß einer Lasur, die 213
das Mauerwerk noch durchscheinen läßt, wurde
aber eine auch denkmalfachlich noch tragbare Lö-
sung entwickelt. So zeigte gerade diese Diskussion,
daß denkmalpflegerisches Handeln stets im Span-
nungsfeld zwischen der kompromißlosen Ver-
pflichtung zum Bauwerk und der Aufgabe, die Ent-
scheidungen deutlich und transparent in den öffent-
lich-politischen Raum zu tragen, stattfindet. Und
es gehörte auch zum denkmalpflegerischen Kon-
zept, daß mit dem Ergebnis am Ende alle in ver-
söhnlicher Stimmung auseinandergehen konnten.
Den Duderstädtern wurde die eingangs er-
wähnte Mahnung von John Ruskin als denkmal-
pflegerisches Konzept mit auf den Weg gegeben:
„Kümmert euch um eure Denkmäler, und ihr
werdet nicht nötig haben, sie wieder herzustellen.
Einige Bleiplatten beizeiten auf ein Dach gelegt, ein
paar tote Blätter und Zweige rechtzeitig aus einem
Abflußrohr entfernt, werden sowohl Dach wie
Mauer vom Verderben retten. Bewacht ein altes
Bauwerk mit ängstlicher Sorgfalt; . . . zählt seine
Steine wie die Edelsteine einer Krone; stellt Wa-
chen ringsherum auf, wie an den Toren einer bela-
gerten Stadt, bindet es mit Eisenklammern zusam-
men, wo es sich löst; stützt es mit Balken, wo es
sich neigt; kümmert euch nicht um die Unansehn-
lichkeit solcher Stützen: Besser eine Krücke als ein
verlorenes Glied. Tut dies alles zärtlich und ehr-
furchtsvoll und unermüdlich, und noch manches
Geschlecht wird unter seinem Schatten erstehen,
leben und wieder vergehen. Sein letzter Tag muß
einmal kommen, aber laßt ihn offen und unzweifel-
haft sein, und laßt keine Entwürdigung und falsche
Herstellung ihn noch der letzten toten Ehren be-
rauben, die Erinnerung ihm erweist.“

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