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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0205
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Beatrice Trost

Der Figurenschmuck der Rathaustreppe
und sein Bildschnitzer Andreas Georg Kersten

Die bis 1534 errichtete Freitreppe des Duder-
städter Rathauses erhielt in den Jahren 1673/74 ein
216 dem Treppenlauf folgendes Schutzdach, das auf
skulpierten Pfosten ruht und dessen Blenden üppig
ornamentiert sind. Es ist nicht bekannt, ob die Ver-
dachung eine bereits vorhandene ersetzte. Der reprä-
sentative Charakter läßt einen bestimmten Anlaß
vermuten, der jedoch nicht aus den Quellen hervor-
geht. Überliefert ist im städtischen Rechnungsbuch
des Jahres 1674 folgender Vermerk: „32 Reichs-
thaler for die Rathaußstiege außzuarbeiten And.
Georg Kersten geben“ Der Duderstädter Bild-
hauer Andreas Georg Kersten, der in Holz und
Stein zu arbeiten verstand, ist daher als Schnitzer
der Treppendekoration bezeugt.
Die einläufige Treppe ist am Antritt von zwei
215 Postamenten gerahmt. Auf diesen erheben sich mit
dem Rücken zur Rathauswand eine männliche
Figur in Rüstung und am äußeren Eck ein mehr-
fach mit Profilen gegliederten Pfeiler. Dieser ist auf
allen vier Seiten gleich gewichtig mit Tiermasken
und Fruchtgehängen verziert. Bemerkenswert ist
die uneinheitliche Wirkung dieses portalartigen
Einganges. Während der Ornamentpfosten sich auf
dem hohen Antrittpostament des Geländers erhebt,
steht die männliche Figur auf einem niedrigeren
Postament, das mit der Figur aus Holz gearbeitet
ist. Gleich einem Kissen wirkende Volutenkapitelle
dämpfen die Last des darauf ruhenden Bogens, der
sich bemüht, das Gleichgewicht wiederherzustel-
len. Auf seinem geraden oberen Abschluß ruht das
Schutzdach, das in seiner Steigung der Treppe folgt
und auf der Geländerseite von einer Ornament-
blende unterfangen ist. Auf dem oberen Treppen-
absatz öffnet sich links das Laubenportal. Hier
mußte das gestalterische Problem gelöst werden,
daß die prunkvolle Treppe auf eine Wand zuführt
und die Wendung nach links zu dem Laubenportal
vorbereitet werden sollte. Zwei Frauenfiguren
stehen dem Treppensteigenden gegenüber, ganz

klar in ihrer Frontalität. Ihrer zweiten Aufgabe, auf
das Portal zuzuführen, werden sie gerecht mit Hilfe
eines Bogens, wie er bereits an dem Treppenbeginn
verwendet wurde. Über der Brüstung des Treppen- 218
postamentes spannt sich der Bogen, den die beiden
synchron gestalteten Figuren mit ihrer linken Attri-
bute- und Schauseite merkwürdig zwiespältig tra-
gen. So können die beiden Bogen- und Skulpturar-
rangements nur von zwei verschiedenen Positionen
erlebt werden, der Antritt mit männlicher Figur 215
und dem Ornamentpfosten beim Betreten der
Treppe und der Frauenbogen nur von dem Betrach-
ter mit direktem Blick auf das Portal zur Laube.
Beide Bogen sind in der Mitte zu Voluten einge-
rollt. Mit Blattfriesen gefüllte Kehlen bekräftigen
die Bogenform, die Zwickel sind mit Ornament ge-
füllt. Um ein großes „D“ für Duderstadt und die 218
Jahreszahl 1674 gruppiert, schmückt es auch die
Dreiecksfläche zwischen Frauenbogen und Schutz-
dach. Eine weitere Datierung „Anno“ „1673“ ist in 217
zwei Kartuschen an der dem Rathaus zugewandten
Seite des unteren Bogens untergebracht. Darüber
winden sich Weinranken mit Trauben zur Mitte, die
ein weiteres „D“ besetzt. Das angeglichen orna-
mentierte Füllbrett darüber ist ergänzt, wie auch
der obere Teil der Ornamentblende entlang des Da-
ches und das linke Eck der Dreiecksfläche. Offen-
sichtlich mußte das Dach über der Treppe einmal
erneuert werden und hatte die Schnitzarbeiten in
Mitleidenschaft gezogen. Das dargestellte Weinran-
kenornament findet sich ähnlich bereits auf einem
Holzschnitt Peter Flötners von 15332). Die Formen-
sprache des Ornaments greift allgemein zu bereits
bewährten Formen. Die Masken an dem Postament
des Kriegers und in der Ornamentblende erinnern
an die Kunst Cornelis Floris’ im 16. Jahrhundert31.
Ähnliche Ranken mit Tierköpfen und Lotos-
knospen wie in den Zwickeln des Frauenbogens
hat Gabriel Krammer bereits 1602 in seinem
„Schweiff-Buechlein ...“ als Vorlagen verarbeitet41.

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