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Das Rathaus in Duderstadt — Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, Band 6: Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.57465#0209
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BILDSCHNITZER ANDREAS GEORG KERSTEN

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hauses den für alles notwendigen Glauben und
damit Fides, die dritte theologische Tugend, zum
anderen erinnert er in seinem Gerüstetsein auch
noch an Fortitudo, die Stärke, die neben lustitia
und den christlichen Grundpfeilern das städtische
Regiment bestimmen sollte24'1.
Daß Reichtum und Wohlfahrt Leben und Han-
del Duderstadts und das von Tugend bestimmte
Regiment der Stadt begleiten sollen, zeigt der Eck-
pfosten der Rathaustreppe mit seiner an allen vier
Seiten gleich üppigen Dekoration von Fruchtge-
hängen in Löwenmäulern. Das stark verwitterte
Original beschränkt sich auf Arrangements aus
Granatäpfeln und Trauben, es befindet sich seit
1904 im Städtischen Museum Göttingen25-1. Ähnliche
Fruchtgehänge haben Vater und Sohn Bang bereits
um 1600 als Vorlagen verbreitet26’. Die heute mon-
tierte Kopie hat der Schnitzer teilweise frei nach-
empfunden, sie zeigt u. a. einen Pinienzapfen und
weitere Früchte.
Der Bildschnitzer Andreas Georg Kersten ist in
weiteren Quellen erwähnt, sein Leben und Werk
daher in groben Zügen faßbar. Am 24. August 1720
wird für ihn in St. Servatius Läutegeld bezahlt, und
am 25. August wird er beerdigt im Alter von unge-
fähr 74 Jahren, woraus sich ein Geburtsjahr um
1646 ergibt27’. Den Auftrag für die Dekoration der
Rathaustreppe erhält Kersten demnach als junger
Mann von noch nicht dreißig Jahren. Erst danach,
am 13. Juli 1676, heiratet er Anna Magdalena Klink-
hardt, wohl die Tochter des Ratsherrn Andreas
Klinkhardt, und leistet am 28. August desselben
Jahres den Bürgereid28’. Seit 1678 erscheint sein
Name in den städtischen Steuerlisten, ab 1683 be-
wohnt er ein Haus im Stubenviertel am Westende
der Hinterstraße, das vorher als Besitz der Witwe
des Andreas Klinkhardt ausgewiesen war29’. 1681

einigt er sich mit drei Brüdern und einem Schwager
über die Modalitäten des Verkaufes des väterlichen
Hauses30’. Daraus ergibt sich, daß Kersten aus Du-
derstadt stammt. Er ist 1671 im Gildebuch der
Schreiner und Tischler als letzter in der Liste der
Meister aufgeführt, jedoch mit dem Zusatz „hat re-
signirt und ist wieder zurückgetretten“31’. Dieser
Eintragung zufolge war Kersten 1671 bereits Mei-
ster, fühlte sich jedoch als Bildschnitzer in der
Tischler- und Schreinergilde fehl am Platze. Ob-
wohl Kersten nach seinen finanziellen Verhältnis-
sen nur knapp über dem unteren Drittel der Bür-
gerschaft steht, macht er in städtischen Ämtern
Karriere. 1685 und 1686 ist er Viermann, seit 1698
Ratsherr32’. 1703 und 1711 versieht er das Amt des
Kämmerers, ab 1716 ist er als Vogtherr, als Bauherr
und als Feuerherr für das Sackviertel belegbar33’.
J. Dieck erwähnt ferner, daß Kersten Vater von vier
Kindern war, was er allerdings nicht belegt34’.
Neben den Lebensumständen sind auch einige
Werke aus Quellen bekannt, und zwar aus städti-
schen Rechnungsbüchern, wie z.B. die Schnitz-
arbeit an der Rathaustreppe, aus den Kirchenrech-
nungen der beiden Duderstädter Kirchen St. Cyria-
kus ab 1674, St. Servatius ab 1702 und dank der
Signatur eines Bildstockes. Möglicherweise er-
scheint die Rathaustreppe nur als Kerstens frühe-
stes Werk, weil die Kirchenrechnungen erst aus
späteren Jahren erhalten und keine weiteren Arbei-
ten bekannt sind. Fast vierzig Jahre nach den Figu-
ren der Rathaustreppe schnitzte Kersten 1710 bis
1714 den Hochaltar der Unterkirche St. Servatius 228
für 300 Reichstaler und zwei Malter Korn35’. In die-
ser Zeitspanne sind kleinere Arbeiten für den Rat
der Stadt belegt, wie Ofenformen 1679, die Inspek-
tion der Feuerspritze 1693 und ein Modell für
Kriegsköpfe 170 336’. Der Rat ließ 1685 von Kersten

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