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schüttern u»d klirren ließ, rncht auf. Ani Vormittag des
24. Dezeinber steigerte es sich so, daß ich von dem Truppen-
teil, der mich eingeladen hatte, die Meldung erhielt, es sei
überhaupt an keine Weihnachtsfeier irgend welcher Art zu
denken, denn ganz Sennheim — dessen oberirdische Wohn-
stätten schon längst gänzlich zerschossen sind — läge unter
dem schwersten Artillerieseuer des Gegners.

Jene Phantasie von einem frostschönen Schneeweihnachten
oben in den Bergen wäre freilich auch so unerfüllbar gewesen,
denn wie all die Tage vorher, so war auch der 24. Dezember
in trübstes Nebelgrau gehüllt,

Der Tag wollte überhaupt kaum anbrechen unter dem
wolkenschweren Himmel, aus dem von Zeit zu Zeit naßkalte
Regenschauer herniederprasselten.

Die Kette der Vogesen war ganz und gar in Dunst ver-
borgen. Tags zuvor hatte ich eine kurze Frist hindurch wenig-
stens verschleiert die Umrisse des großen Belchenmassivs
über der Ebene emporragen sehen; auch die vorspringende
Bastwn des Hartmannsweilerkopfes, und düster braunrot
hatte die heut kahle Fläche seines einst hochwaldbekleideten
Gipfels durch den Nedel geschimmert. Heute war nichts
davon zu sehen.

Eine einzige mißfarbene graue Wand deckte selbst in den
hellsten Tagesstunden den westlichen Himmel. Aüs ihr dran-
gen unablässig
die dumpfen
Schläge des
deutschen und
des französi-
schenArtillerie-
seuers herüber.

Und früh schon
mischte sich mit
diesen Nebeln
wiederum die
Nacht. Der
.Heilige Abend'
sankso trüb und
schwer über die
Welt hernie-
der, wie es
nur vorstellbar
war. — Gegen
Abend duldete
es mich nicht
mehr in der
Stadt. Unter
dem Geleit
eines Offiziers
des Oberkom-
mandossuhrich
auf der Land-
straße nach ...,
um, wenn mir

ü

schon zu meiner großen Betrübnis der Aufenthalt in den
vordersten Linien durch die fortschreitende Kampfhandlung
untersagt war, doch unseren Braven, die mitten in der
Heiligen Nacht im grimmigsten Kamps um Tod und Leben
und mehr als das stehn mußten, mich wenigstens soweit es
möglich war zu nähern.

Die Nacht war düster, sternlos, der Regen peitschte strich-
weise gegen die Scheiben dcs Kraftwagens, und wenn wir
einmal hielten, so hörten wir, wie böiger Wind in den kahlen
Baumkronen heulte.

Bald kamen wir in Sicht- und Feuerweite des Feindes
und mußten mit abgeblendeten Lichtern dahinfahren. Eben-
so lichtlos waren die Munitionskolonnen und die mit ro-
tem Kreuz beinalten Verwundete führenden Sanitätswagen,
die wir unablässig überholten oder denen wir begegneten.
Am Westhorizont tobte die nächtliche Schlacht, der wir uns
immer mehr näherten.

Ein Schauspiel von einer düsteren, fast mystischen Phan-
tastik. Wie die verschleierten Blitze unablässigen Wetterleuch-
tens durchzuckte der Schein des Mündungsfeuers der Artillerie-
schüsse die Wolken undNebelmassen, dieüberden Bergen lagerten,
und wandelten sekundenweisedas schwarzeNichts dortineinmatt-
leuchtendes, das nur die Finsternis, die sich unmittelbar danach
wieder darüberstürzte, umso schwärzer erscheinen ließ. Von Zeit zu

Zeit in kurzen
Zwischen-
räumen stiegen
die Leuchtrake-
ten empor, mit
denen beide

Parteien den
Raum vor
ihren Gräben
erhellen, um
einem heran-
schleichenden
Überfall zu be-
gegnen. Jhr
blendendes
Licht war stark
genug, um auf
eine Reihe von
Sekunden den
Nebel zu durch-
dringen, und
wie gespen-
stische, grün-
liche, dunstver-
wischte Son-
nen schimmer-
ten sie durch
die Nacht, bis
sie sinkend wie-
der erloschen-
 
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