Baumwollabfällen liekerte uns England 461 Millionen, wir
ihm nur für 129 Millronen. Endlich an Tertil-, Leder-, Me-
tall-, Kautschuk-, Zelluloidwaren, Maschinen erhielten wir aus
England für 174 Millionen und lieferten ihm an fertigen
Wardn für 652 Millionen.
Aus den englischen Kolonien wie Britisch-Jndien und Auftra-
lien erhielten wir an Landeserzeugnissen für 680 Millionen
und schrikten nach dort für etwa 170 Millionen fertiger Waren.
Unsere anderweitige Ausfuhr nach den Kolonien vermittelte
wohl der englische Zwischenhandel.
Am auffallendsten ist die Tatsache, datz uns England
hauptsächlich Rohstoffe und Halbfabrikate schickte, während wir
mit fertigen Warenbezahlten. England trittuns gegenüber
also mehr als Händler auf, verkaust uns Rohstoffe und Halb-
zeug, wogegen wir ihm als Jndustrielle unsere Ganzfabrikate
liefern. Hrer tritt am deutlichsten hervor, datz wir als Er-
zeuger England, das großindustrielle England. geschlagen
haben; seine wirtschaftliche Lberlegenheit hat es in den letzten
Jahren nur durch sernen alten, ausgedehnten Handel gegen
uns noch behauptet.
Ein Händlervolk mit weltumspannenden Jnteressen wie
England kann sehr reich sein und noch an Wohlstand zu-
nehmen, ist ja eine ganze Welt fast ihm zinsbar; es kann
aber auf die Dauer nicht den Wettbewerb aushalten mit einem
Bolke, dessen Wirtschaftsquellen durch wachsende Erzeugungs-
möglichkerten, durch gesteigerte Spezialarbeit gespeist werden.
Das fühlten die berusenen Politiker und klugen Geschästs-
männer Englands seit länger als zwei Jahrzehnten — erst
instinktiv, dann immer deutlicher und bewußter. So unter-
nahm das perfide Albion mit all der Gewiffenlosigkeit und
der ränkevollen Politik, die ihm eigentümlich ist, einen groß
und kühn angelegten Versuch, indem es sich von langer Hand
mit den Festlandvölkern gegen uns verband und sie und alle
seinem Einfluffe unterstehenden Nationen wie Iapan und
Portugal gegen uns hetzte. Englands nächstes Ziel ist, einen
wirtschaftlichen Rivalen niederzuwerfen und auf die Knie zu
zwingen wie einst Spanien, Holland und Frankreich, um seine
mehrhundertjährige Hegemonie in der Weltwirtschaft weiter-
zubehalten und mit allen Mitteln zu befestigen.
Wenn es auch nicht möglich sein wird und tatsächlich
außer unserer Absicht liegt, England zu vernichten, so müffen wir
doch bestrebt bleiben, seine Ceegeltung auf das ihm aebührende
Maß zurückzudrängen. Das ganze neutrale Ausland, nicht
nur die kleinen Seestaaten wie Gnechenland, Holland, Skandi-
navien, Spanien, sondern sogar die nach Ümfang, Jndustrie
und Handel mächtigen Bereimgten Staaten von Nordamerika
werden vom Britenvolk vergewaltigt und wagen nichts weiter
zu tun als mit einem papiernen Protest sich dagegen zu ver-
wahren. Sie alle stnd noch in den überlieferten und inzwischen
Lberholten Anschauungen von englischer Weltherrschast be-
fangen und unterwerfen sich löblich britischer WMLr. Wenn
wir, unserer Losung getreu, für die Freihert der Meere kämp-
fen, so geschieht das zum Heile Europas und aller seefahren-
den Völker und sollte uns eigentlich deren Dankbarkeit sichern.
Die von England und seinen Berbündeten gegen uns be-
abstchtigte Handelspolitik ist nichts weiter als ern Bluff, ein
ganz unmögliches Ding, das an seiner eigenen Unlogrk und
Unhaltbarkert scheitern muß.
Beginnen wir mit Frankreich und Jtalien. Jhre Haupt-
ausfuhr besteht in Seide, Seidenwaren, Weinen, Obst, Ge-
müse und Shnlichem mehr, wovon beide LSnder tzunderte von
Millionen Mark an uns lieferten, die ste anderswo nicht ab-
setzen könnten. Auch England, das nach dem Ausspruch eines
serner Staatsmänner nach Beendigung des Krieges ein armes
Land sein wird, vermag diese Waren eines verfeinerten Kon-
sums nicht einmal mehr im bisherigen Umfange zu beziehen.
Frankreich und Jtalien stehen mit einer Mehrzahl ihrer Aus-
fuhrerzeugniffe in einem lebhasten Wettbewerb miteinander.
Die Seidenhändler und Seidenarbeiter, die Winzer, Obst-
züchter und Gemüsebauern in deiden Ländern werden sich bald
zur Wehr setzen, wenn man ihnen die aufnahmesähigen
Märkte in Deutschland und Osterrerch - Ungarn erschweren over
gar sperren wollte.
Jn noch höherem Maße gilt das von Rußland. Die Er-
zeugniffe seiner Landwirtschaft an Eetreide, Bodenfrüchten,
Bieh, Eiern, Butter, seiner Forstwirtschast an Holz und Pelz-
tierfellen und was sonst noch alles, Erzeugniffe, die sich
so bequem und glatt in Hunderten von MiNonen nach Deutsch-
land einführen ließen, kann es bei seinen jetzigen Verbündeten
niemals unterbringen. Frankreich, und Jtalien stMlr in ein-
zelnen landwirtschastlichen ErzeUgniffen sogar in WSttbewerb
mit Rußland, so z. B. in EierN, Flachs, Hanf, Llkuchen.
Frankreich führt verhältnismäßig wenig Getreide ein. Eng-
land kann Rußland keinen Vorzugstarif gewähren, das wür-
den schon seine Kolonien Kanada und Australien bei ihrer
Getreideeinfuhr nach dem Mutterlande nicht zulassen. Mit
seinem Getreidebau kommt auch Argentinien in Betracht, wo
gewaltige englische Kapitalien angelegt sind. Im Falle einer
fiir die Verbündeten erleichterten Einfuhr würden Rußlands
Jndustrien durch den englischen Wettbewerb bald vernichtet
werden. ltber See ist Rußlands Ausfuhr im Winter wegen
seiner zum größeren Teil vereisten Häfen so gut wie aus-
geschlossen. Der russischen Volkswirtschaft würden aber durch
einen dauernden Bruch mit Deutschland die Vorbedingungen
jedes Eedeihens entzogen sein, das seheN die berufenen Volks-
wirtschastler und erfahrenen Großhändler in Rußland schon
jetzt ein. Wenn wir allein, wie die oben angegebene Ziffer
ausweist, sür nahezu 700 Millionen Getreide ans Rußland
bezogen haben — in Wirklichkeit ist es noch mehr, da von
den nach Holland vorgemerkten Getreideausgängen ein gut
Teil auf Westdeutschland entfällt — so ist die Getreideaus-
suhr nach Deutschland ein Posten, wofür Rußland ander-
weit keinen Ersatz schaffen kann. Nebenbei gesagt verbrauchen
wir all diese Eetreidemengen nicht selbst, sondern führen sie,
mit andern Sorten vermischt, in ansehnlichen Posten wieder
aus. Das Getreide könnten wir ebensowohl aus Amerika
beziehen, vom Balkan und in vielleicht nicht allzulanger Zeit
sogar aus Mesopotamien. So wird Rußland aus Gründen
der Selbsterhaltung stch bald genötigt sehen, mit seiner Han-
delspolitik zu uns wieder in ein erträgliches und freund-
nachbarliches Verhältnis zu treten. Hierzu kommt noch ein
weiteres sehr bcachtenswertes Moment. Der russtsche wre
italienische KSufer bedarf längerer Zahlungsfristen, die ihm
die deutsche Geschäftswelt zu gewähren gewohnt und in der
Lage war. Der englische Handel ist zu schwerfällig, der stan-
zösische zu vorsichtig, um die Krediterleichterungen im all-
emeinen zu bewrlligen, auf die weniger kapitalkräftige Län-
er nun einmal angewiesen sind.
Auch England kann aus die Dauer unsern Markt nicht
entbehren. Dre Vierverbandstaaten sind vermöge ihrer geogra-
phifchen Lage, ihrer wirtschastlichen Entwicklung auf den Aus-
fuhrhandel mit dem leistungsfähigen deutschen Markt so sehr
angewiesen, daß ste ohne ihn ihre eigene Volkswirtschast nicht
genügend entwickeln könnten. Bei der großen Verschuldung,
der alle kriegführenden Mächte mehr oder weniger anheim-
fallen werden, sind sie gezwungen, gerade durch die Entwick-
lung ihres Handels, durch den gesteigerterr Absatz ihrer Er-
zeugniffe nach außen, und hierfür ist der deutsche Markt der
bequemste, kauf- und zahlungsfähigste Europas, sich wieder
neue Mittel zu schaffen.
Dazu kann der englische Zwischenhandel ohne die deutsche
Einfuhr nicht in dem bisherigen Umfang fortgeführt werden;
das Ivacie in OerivLv^ ist nicht nur ein Schlagwort, sondern
ein sehr wichtiger Posten innerhalb der Weltwirtschaft.
Die deutsche Jndustrie stützt stch auf die lebendige Wiffen-
schaft und eine zielbewußt sich entwickelnde Technik, sie wird
ausgeübt von erner nach Ällgemeinbildung und Jntelligenz
alle anderen Nationen überragenden gewerbefleißigen Be-
völkerung. Die deutsche Jndustrre vernichten, stören, hemmen,
ausschalten wollen, würde gleichbedeutend sein mit einer Zu-
rückschraubung der bislang erreichten materiellen und geistigen
Kultur der Lllenschheit. Das können wir nach den erstaun-
lichen, unvergleichlichen Leistungen unseres Volkes in Waffen
und daheim an der Arbeit heute mrt ebensoviel Stolz als
Berechtigung aussprechen. Der deutsche Militarrsmus in
inniger Verbindung mit seiner Volkswirtschaft, der Geist der
Zucht und der Geist des Schaffens haben dies zuwege gebracht.
Unsere Stärke verbunden mit der uNserer braven Ver-
bündeten wird sich den Vierverbandsstaaten so unausweich-
lich fühlbar machen, daß alle Ränke, die sie jetzt spinnen, alle
Verschwörungen wider unsern Handel, alle Abmachungen,
uns dauernd auszuschalten, glatt zu Boden fallen oder wie
schwache Zwirnsfäden zerreißen werden. Alles rst nur die Aus-
geburt eines durch beständige Mrßerfolge bis zur Lächerlich-
keit gesteigerten Zornes, eine ohnmächtige Rachepolitrk, die,
ehe fie noch ins Werk gesetzt werden kann, an ihrer inner-
lichen Ungeheuerlichkeit zuschanden wird.
Jn England selbst setzt schon die Reaktion hiergegen ein.
Selbst Lloyd George betonte, daß man zwischen Krieg und Ge-
schäft unterscheiden müsse Jmmer zahlreichere Stimmen mah-
nen zur Besonnenheit. So erkannte der Vorsttzende der Brad-
forder Färberveremigung in London die übermächtig große
Stellung der deutschen Farbenindustrie an, deren gänzliches
Fehlen in England bernahe zu einer Katastrophe geführt
hätte, wenn nrcht Amerika rechtzeitig eingesprungen wäre.
Mc Kenna, der englische Finanzminister, mußte zugeben, daß
der englische Handel bisher in wichtigen Artikeln von Deutsch-
land abhängig gewesen sei und daß man sich davon unab-
hängig machen werde. Er war aber vorstchtig genug, über das
wie sich auszuschweigen. Jn „kliveteevrk Lentur^ anck slter"
bezeichnet Arthur Shadwell den von der Entente beabstch-
tigten wirtschaftlichen Krieg gegen das „arbeitende" Deutsch-
land als unsinnig und ausstchtslos, und Daily Chronicle
schrieb schon im März, es sei für England nicht zweckmäßig,
nch selbst arm zu machen, nur um Deutschland zu ärgern.
Man solle auch nicht Lber die Gefahr hinwegsehen, Laß
Deutschland eine neue Handelskampagne «rrt politischen Ee-
srchtspunkten orgamsieren lömie. Kein Wundrr, daß sich
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