6
Seit den i8soer Jahren, als der Erwerb von Gips- und
Galvanokopien von Kunstwerken sowohl bei Privatper-
sonen als auch bei verschiedenen Einrichtungen immer
beliebter wurde, bluhte das Geschaft mit der Herstel-
lung und dem Verkauf von Kopien auf. So organisierte
beispielsweise die Arundel Society in England Treffen,
Vortrage und Ausstellungen fur Sammler und Sammle-
rinnen und gab mit Fotos illustrierte Kataloge der von
ihr zum Verkauf angebotenen Exemplare heraus. Unter
den Museen spielte das South Kensington Museum eine
Vorreiterrolle bei der Herstellung von Kunstreproduk-
tionen. Henry Cole, der erste Direktor des South Ken-
sington Museums, unternahm groEe Anstrengungen,
um die Reproduktionen von Museumsobjekten popular
zu machen, da er der Ansicht war, dass sie eine wich-
tige Rolle in der Erziehung und der Allgemeinbildung
spielten und dem offentlichen Geschmack entsprachen.
Er initiierte ein internationales Abkommen, die Interna-
tional Convention for Promoting Universally Reproduc-
tions of Works of Art, das den gegenseitigen Austausch
von Kopien der Ausstellungsstucke europaischer Muse-
en „durch Abguss, Galvanoplastik, Fotografie oder an-
dere Mittel" fordern wollte. Das Abkommen wurde von
15 europaischen Thronfolgern unterzeichnet, wie aus der
erhaltenen Originalabschrift hervorgeht. Coles Bemu-
hungen fuhrten zum Erfolg, denn 1873 wurden in zwei
neu eroffneten Monumentalsalen, den sogenannten Ar-
chitectural Courts (heute Cast Courts), fur das Muse-
um angefertigte Reproduktionen von Architektur und
Skulpturen ausgestellt.3
KUNSTWERKFOTOGRAFIE
IM RAHMEN DES SYSTEMS
DER KULTUREINRICHTUNGEN
IN UNGARN.4 ARCHAOLOGISCHE
UND DENKMALPFLEGERISCHE
ORGANISATIONEN
Die Protokolle und wissenschaftlichen Zeitschriften des
1858 im Rahmen der Ungarischen Akademie der Wis-
senschaften gegrundeten Archaologischen Komitees, wie
beispielsweise die Archaologischen Mitteilungen von 1859
oder das Archdologische Bulletin von 1868, enthalten zahl-
reiche Informationen uber die Fotografien von Kunstwer-
ken. Eine der Aufgaben des Komitees bestand darin, die
Kunstdenkmaler Ungarns zu erfassen und in diesem Zu-
sammenhang ihre Beschreibungen, Zeichnungen und Fo-
tografien zu sammeln.
In der Anfangszeit wurde die Sammlung des Komi-
tees vor allem durch Aufnahmen bereichert, die ihm von
engagierten Korrespondenten aus landlichen Regionen,
von Kunstlern und Wissenschaftlern, die sich fur Kunst-
denkmaler interessierten, von Fotografen, die ihre Pro-
dukte anboten oder von Kunsthandlern beziehungsweise
von Architekten und Zeichenlehrern, die fur das Komi-
tee auf Honorarbasis arbeiteten, eingeschickt wurden. Zu-
dem wurden auch Fotos aus dem Ausland in die Samm-
lung aufgenommen. Zu den zuletzt genannten Werken
zahlt beispielsweise die Serie von 13 Fotografien, die der
Bukarester Gelehrte Alexander Odobesco 1869 von dem
so genannten Petrossa-Goldfund an die Akademie schickte
[Abb. i]. Die hochwertigen Fotografien, die 1863 von Hen-
rik Trenk aus Bukarest aufgenommen wurden, werden in
der Handschriftensammlung der Akademiebibliothek in
Budapest aufbewahrt. Ebenfalls in der Handschriften-
sammlung der Akademiebibliothek befindet sich eine
grobe, hochwertige Fotografie der Elfenbeintafel des Kon-
suls Areobindus aus dem fruhen 6. Jahrhundert, die 1864
von J. B. Pyne aufgenommen wurde.
1868 schenkte Ferenc Pulszky der Ungarischen Akade-
mie der Wissenschaften eine Sammlung von Fotografien
von Kopien geschnitzter Elfenbeinwerke. Die Fotografien
wurden von John Brampton Philpot aufgenommen5, ei-
nem Englander, der sich in Florenz niedergelassen hatte
und mit Pulszky, der seit 1863 ebenfalls in Florenz lebte,
gut befreundet war. 1870 wurden die Fotografien der Ko-
pien von Elfenbeinschnitzereien, von denen sich eine Se-
rie auch im Museo Nazionale del Bargello in Florenz be-
findet, an das Nationalmuseum in Budapest ubergeben.
265 Aufnahmen befinden sind heute im Archaologischen
Archiv des Nationalmuseums.6
Gegen Ende der i85oer Jahre begann man, die Fotogra-
fien der Kunstwerke als Vorlagen fur Stiche zu verwen-
den, die als Abbildungen den Zeitschriften des Archaolo-
gischen Komitees beigelegt wurden. In einigen Fallen ver-
fugten die Autoren bereits uber Fotos, oft jedoch musste
das Komitee die Fotografien der beschriebenen Objekte
erst beschaffen. Einige der Artikel in den Zeitschriften des
Archaologischen Komitees befassten sich mit der Rolle
der Kunstwerkfotografie in der Museumswissenschaft, in
der angewandten Kunst und in der Kunsterziehung. Die
einheimischen Experten betonten, dass kostengunstige
fotografische Reproduktionen es ermoglichen, Kunstwer-
ke beruhmter Meister weithin bekannt zu machen und die
Sammlungen der Museen zu popularisieren. Fotografien
der Kunstwerke wurden auch im Bereich der Hochschul-
bildung benutzt. Die Wertschatzung, die die Zeitgenos-
sen den Fotografien von Kunstwerken entgegen brachten,
wird ersichtlich, wenn man sich vor Augen fuhrt, dass
die Archaologische Kommission, nachdem sie die Zeich-
nungen und Fotografien der Interimskommission fur
3 M. Baker, The History of the Cast Courts, http://www.vam.ac.uk/
content/articles/t/the-cast-courts/ (access: 19.11.2024).
4 Siehe: J. Papp, Az intezmenyi mutargyfenykepezes kezdetei (1859-
1885), in Z. Farkas, J. Papp, A mutargyfenykepezes kezdetei Ma-
gyarorszagon (1840-1885), Budapest 2007, S. 82-150.
5 Catalogue de Photographies des Sculptures en Ivoire pour illustrer
1'histoire de l'art depuis le Il jusq'au le XVI Siecle. Collection unique
Philpot & Jackson, 17 Borgo Ognissanti 17, Florence [o.D.].
6 J. Papp, B. Chiesi (Hrsg.), John Brampton Philpots Photographs of
Fictile Ivory, Budapest 2016.
Seit den i8soer Jahren, als der Erwerb von Gips- und
Galvanokopien von Kunstwerken sowohl bei Privatper-
sonen als auch bei verschiedenen Einrichtungen immer
beliebter wurde, bluhte das Geschaft mit der Herstel-
lung und dem Verkauf von Kopien auf. So organisierte
beispielsweise die Arundel Society in England Treffen,
Vortrage und Ausstellungen fur Sammler und Sammle-
rinnen und gab mit Fotos illustrierte Kataloge der von
ihr zum Verkauf angebotenen Exemplare heraus. Unter
den Museen spielte das South Kensington Museum eine
Vorreiterrolle bei der Herstellung von Kunstreproduk-
tionen. Henry Cole, der erste Direktor des South Ken-
sington Museums, unternahm groEe Anstrengungen,
um die Reproduktionen von Museumsobjekten popular
zu machen, da er der Ansicht war, dass sie eine wich-
tige Rolle in der Erziehung und der Allgemeinbildung
spielten und dem offentlichen Geschmack entsprachen.
Er initiierte ein internationales Abkommen, die Interna-
tional Convention for Promoting Universally Reproduc-
tions of Works of Art, das den gegenseitigen Austausch
von Kopien der Ausstellungsstucke europaischer Muse-
en „durch Abguss, Galvanoplastik, Fotografie oder an-
dere Mittel" fordern wollte. Das Abkommen wurde von
15 europaischen Thronfolgern unterzeichnet, wie aus der
erhaltenen Originalabschrift hervorgeht. Coles Bemu-
hungen fuhrten zum Erfolg, denn 1873 wurden in zwei
neu eroffneten Monumentalsalen, den sogenannten Ar-
chitectural Courts (heute Cast Courts), fur das Muse-
um angefertigte Reproduktionen von Architektur und
Skulpturen ausgestellt.3
KUNSTWERKFOTOGRAFIE
IM RAHMEN DES SYSTEMS
DER KULTUREINRICHTUNGEN
IN UNGARN.4 ARCHAOLOGISCHE
UND DENKMALPFLEGERISCHE
ORGANISATIONEN
Die Protokolle und wissenschaftlichen Zeitschriften des
1858 im Rahmen der Ungarischen Akademie der Wis-
senschaften gegrundeten Archaologischen Komitees, wie
beispielsweise die Archaologischen Mitteilungen von 1859
oder das Archdologische Bulletin von 1868, enthalten zahl-
reiche Informationen uber die Fotografien von Kunstwer-
ken. Eine der Aufgaben des Komitees bestand darin, die
Kunstdenkmaler Ungarns zu erfassen und in diesem Zu-
sammenhang ihre Beschreibungen, Zeichnungen und Fo-
tografien zu sammeln.
In der Anfangszeit wurde die Sammlung des Komi-
tees vor allem durch Aufnahmen bereichert, die ihm von
engagierten Korrespondenten aus landlichen Regionen,
von Kunstlern und Wissenschaftlern, die sich fur Kunst-
denkmaler interessierten, von Fotografen, die ihre Pro-
dukte anboten oder von Kunsthandlern beziehungsweise
von Architekten und Zeichenlehrern, die fur das Komi-
tee auf Honorarbasis arbeiteten, eingeschickt wurden. Zu-
dem wurden auch Fotos aus dem Ausland in die Samm-
lung aufgenommen. Zu den zuletzt genannten Werken
zahlt beispielsweise die Serie von 13 Fotografien, die der
Bukarester Gelehrte Alexander Odobesco 1869 von dem
so genannten Petrossa-Goldfund an die Akademie schickte
[Abb. i]. Die hochwertigen Fotografien, die 1863 von Hen-
rik Trenk aus Bukarest aufgenommen wurden, werden in
der Handschriftensammlung der Akademiebibliothek in
Budapest aufbewahrt. Ebenfalls in der Handschriften-
sammlung der Akademiebibliothek befindet sich eine
grobe, hochwertige Fotografie der Elfenbeintafel des Kon-
suls Areobindus aus dem fruhen 6. Jahrhundert, die 1864
von J. B. Pyne aufgenommen wurde.
1868 schenkte Ferenc Pulszky der Ungarischen Akade-
mie der Wissenschaften eine Sammlung von Fotografien
von Kopien geschnitzter Elfenbeinwerke. Die Fotografien
wurden von John Brampton Philpot aufgenommen5, ei-
nem Englander, der sich in Florenz niedergelassen hatte
und mit Pulszky, der seit 1863 ebenfalls in Florenz lebte,
gut befreundet war. 1870 wurden die Fotografien der Ko-
pien von Elfenbeinschnitzereien, von denen sich eine Se-
rie auch im Museo Nazionale del Bargello in Florenz be-
findet, an das Nationalmuseum in Budapest ubergeben.
265 Aufnahmen befinden sind heute im Archaologischen
Archiv des Nationalmuseums.6
Gegen Ende der i85oer Jahre begann man, die Fotogra-
fien der Kunstwerke als Vorlagen fur Stiche zu verwen-
den, die als Abbildungen den Zeitschriften des Archaolo-
gischen Komitees beigelegt wurden. In einigen Fallen ver-
fugten die Autoren bereits uber Fotos, oft jedoch musste
das Komitee die Fotografien der beschriebenen Objekte
erst beschaffen. Einige der Artikel in den Zeitschriften des
Archaologischen Komitees befassten sich mit der Rolle
der Kunstwerkfotografie in der Museumswissenschaft, in
der angewandten Kunst und in der Kunsterziehung. Die
einheimischen Experten betonten, dass kostengunstige
fotografische Reproduktionen es ermoglichen, Kunstwer-
ke beruhmter Meister weithin bekannt zu machen und die
Sammlungen der Museen zu popularisieren. Fotografien
der Kunstwerke wurden auch im Bereich der Hochschul-
bildung benutzt. Die Wertschatzung, die die Zeitgenos-
sen den Fotografien von Kunstwerken entgegen brachten,
wird ersichtlich, wenn man sich vor Augen fuhrt, dass
die Archaologische Kommission, nachdem sie die Zeich-
nungen und Fotografien der Interimskommission fur
3 M. Baker, The History of the Cast Courts, http://www.vam.ac.uk/
content/articles/t/the-cast-courts/ (access: 19.11.2024).
4 Siehe: J. Papp, Az intezmenyi mutargyfenykepezes kezdetei (1859-
1885), in Z. Farkas, J. Papp, A mutargyfenykepezes kezdetei Ma-
gyarorszagon (1840-1885), Budapest 2007, S. 82-150.
5 Catalogue de Photographies des Sculptures en Ivoire pour illustrer
1'histoire de l'art depuis le Il jusq'au le XVI Siecle. Collection unique
Philpot & Jackson, 17 Borgo Ognissanti 17, Florence [o.D.].
6 J. Papp, B. Chiesi (Hrsg.), John Brampton Philpots Photographs of
Fictile Ivory, Budapest 2016.