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I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
1.5.2.7.2 Die Positionierung des figürlichen Frieses in den Pronaoswänden
Den Wandfriesen des Pronaos (713R-716R), ihrer Anbringung und ihrer kunstgeschichtlichen
Stellung ist ein eigenes Kapitel gewidmet604. Ihre Position hoch oben in der Wand unterhalb der
Architrave (Planbeil. 3. 4. 6) soll hier im Kontext der Architekturdekoration im Vergleich mit
anderen Bauten diskutiert werden.
Auf den ersten Blick scheint diese Anbringung tatsächlich etwas ungewöhnlich. Richtet man
den Blick jedoch nicht ausschließlich auf Friese mit figürlicher Dekoration, finden sich in der
kleinasiatischen Architekturtradition bereits seit dem Hellenismus Beispiele, die unter den Wand-
architraven angeordnet sind605. Dazu gehören etwa der Artemistempel von Magnesia mit seinem
Rankenfries und >Rankenfrauen< (Taf. 73,2)606 ebenso wie die Hofwände des Sekos von Didyma,
die ein Greifenfries schmückt607. In Ephesos besitzt das >Oktogon< an der Kuretenstraße in unmit-
telbarer Nähe des >Hadrianstempels< einen Bukranien-Girlanden-Fries608. Ein umlaufender, mit
Niken verzierter Rankenfries findet sich auch im Pronaos des Augustustempels in Ankara609. Es
ist m. E. davon auszugehen, dass sich die Anbringung des figürlichen Relieffrieses im Pronaos
des >Hadrianstempels< auf eben diese kleinasiatische Tradition bezieht.
1.5.2.8 Die Büste im Scheitelstein des lyrischen Bogens< und die Lünette über dem Durch-
gang
Die Büste im Scheitelstein des Bogens an der Straßenfront 035AF (Taf. 239. 240, 1-2) wurde
bereits von Franz Miltner als Tyche gedeutet610. Ausschlaggebend für diese Identifizierung ist
die Mauerkrone, welche die weibliche Figur auf ihrem Kopf trägt611. Eine nähere inhaltliche
Interpretation der Dargestellten hinsichtlich der Funktion des Tempels ist hingegen schwierig.
Im Kontext der Gesamtdeutung des Monuments wäre an die inhaltliche Deutung als Tü%t| rfjg
TroÄüfDg zu denken. Diese symbolisiert als >Stadttyche< die Gesamtheit der Bürger gemeinsam mit
den materiellen und immateriellen Bestandteilen der Stadt und tritt vor allem seit hadrianischer
Zeit u. a. im westlichen und südlichen Kleinasien vermehrt auf612. Während die >Rankenfrau<
in der Lünette über dem Eingang zur Cella des Tempels als Verkörperung von Aspekten der
Artemis zu deuten ist, wäre die Tyche an der Fassade demnach als Darstellung eines städtischen
Elements zu verstehen.
Grundsätzlich ist anhand des Bauzusammenhangs sowie der auf dem Bauteil vorhandenen
Buchstaben der Inschrift613 davon auszugehen, dass die Büste zu dem Originalbestand hadriani-
scher Zeit zu zählen ist. Bemerkenswert hinsichtlich der technischen Gestaltung sind die tiefen
Bohrrillen, mit denen die Tychebüste gerahmt ist (Taf. 239. 240, 1-2). Dasselbe Charakteristi-
kum findet sich an den Relieffriesen in den Pronaoswänden (Taf. 240, 3-4; 306-320) und ver-
weist damit ebenfalls auf deren Zugehörigkeit zu dem ursprünglichen Bau hadrianischer Zeit614.
604 s. Kap. 1.6.
605 s. dazu Rumscheid 1994, 328 f.
606 Humann 1904, Abb. 65. 68 f. Rumscheid 1994, 212.
607 Voigtländer 1975, 119-121; Rumscheid 1994, 233 f.
608 Vgl. dazu Thür 1990, bes. 49 f. mit Abb. und älterer Lit. Zuletzt schlug V. M. Strocka darüber hinaus vor, ein
Relief mit Helm, Beinschienen und Schwert ebenfalls den Wänden des >Oktogons< zuzuordnen, vgl. Strocka 2011,
308-310.
609 Krencker - Schede 1936, 36-38.
610 Miltner 1959a, 265 mit Abb. 126.
611 Allgemein zur Ikonografie s. LIMC VIII (1997) 115-125 s. v. Tyche (L. Villard).
612 Meyer 2006, 335-338.
613 Der als späteres Ersatzstück zu klassifizierende Architrav 029A weist hingegen keine Inschrift auf. s. dazu Kap.
1.4.2.3 und Kap. 1.5.3.
614 Vgl. dazu ausführlich Kap. 1.6.4. Die Zugehörigkeit des Scheitel Steins zum Originalbestand der Kaiserzeit ist
durch die Ausarbeitung der Omamentleisten und den Inschriftenrest gesichert.
I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
1.5.2.7.2 Die Positionierung des figürlichen Frieses in den Pronaoswänden
Den Wandfriesen des Pronaos (713R-716R), ihrer Anbringung und ihrer kunstgeschichtlichen
Stellung ist ein eigenes Kapitel gewidmet604. Ihre Position hoch oben in der Wand unterhalb der
Architrave (Planbeil. 3. 4. 6) soll hier im Kontext der Architekturdekoration im Vergleich mit
anderen Bauten diskutiert werden.
Auf den ersten Blick scheint diese Anbringung tatsächlich etwas ungewöhnlich. Richtet man
den Blick jedoch nicht ausschließlich auf Friese mit figürlicher Dekoration, finden sich in der
kleinasiatischen Architekturtradition bereits seit dem Hellenismus Beispiele, die unter den Wand-
architraven angeordnet sind605. Dazu gehören etwa der Artemistempel von Magnesia mit seinem
Rankenfries und >Rankenfrauen< (Taf. 73,2)606 ebenso wie die Hofwände des Sekos von Didyma,
die ein Greifenfries schmückt607. In Ephesos besitzt das >Oktogon< an der Kuretenstraße in unmit-
telbarer Nähe des >Hadrianstempels< einen Bukranien-Girlanden-Fries608. Ein umlaufender, mit
Niken verzierter Rankenfries findet sich auch im Pronaos des Augustustempels in Ankara609. Es
ist m. E. davon auszugehen, dass sich die Anbringung des figürlichen Relieffrieses im Pronaos
des >Hadrianstempels< auf eben diese kleinasiatische Tradition bezieht.
1.5.2.8 Die Büste im Scheitelstein des lyrischen Bogens< und die Lünette über dem Durch-
gang
Die Büste im Scheitelstein des Bogens an der Straßenfront 035AF (Taf. 239. 240, 1-2) wurde
bereits von Franz Miltner als Tyche gedeutet610. Ausschlaggebend für diese Identifizierung ist
die Mauerkrone, welche die weibliche Figur auf ihrem Kopf trägt611. Eine nähere inhaltliche
Interpretation der Dargestellten hinsichtlich der Funktion des Tempels ist hingegen schwierig.
Im Kontext der Gesamtdeutung des Monuments wäre an die inhaltliche Deutung als Tü%t| rfjg
TroÄüfDg zu denken. Diese symbolisiert als >Stadttyche< die Gesamtheit der Bürger gemeinsam mit
den materiellen und immateriellen Bestandteilen der Stadt und tritt vor allem seit hadrianischer
Zeit u. a. im westlichen und südlichen Kleinasien vermehrt auf612. Während die >Rankenfrau<
in der Lünette über dem Eingang zur Cella des Tempels als Verkörperung von Aspekten der
Artemis zu deuten ist, wäre die Tyche an der Fassade demnach als Darstellung eines städtischen
Elements zu verstehen.
Grundsätzlich ist anhand des Bauzusammenhangs sowie der auf dem Bauteil vorhandenen
Buchstaben der Inschrift613 davon auszugehen, dass die Büste zu dem Originalbestand hadriani-
scher Zeit zu zählen ist. Bemerkenswert hinsichtlich der technischen Gestaltung sind die tiefen
Bohrrillen, mit denen die Tychebüste gerahmt ist (Taf. 239. 240, 1-2). Dasselbe Charakteristi-
kum findet sich an den Relieffriesen in den Pronaoswänden (Taf. 240, 3-4; 306-320) und ver-
weist damit ebenfalls auf deren Zugehörigkeit zu dem ursprünglichen Bau hadrianischer Zeit614.
604 s. Kap. 1.6.
605 s. dazu Rumscheid 1994, 328 f.
606 Humann 1904, Abb. 65. 68 f. Rumscheid 1994, 212.
607 Voigtländer 1975, 119-121; Rumscheid 1994, 233 f.
608 Vgl. dazu Thür 1990, bes. 49 f. mit Abb. und älterer Lit. Zuletzt schlug V. M. Strocka darüber hinaus vor, ein
Relief mit Helm, Beinschienen und Schwert ebenfalls den Wänden des >Oktogons< zuzuordnen, vgl. Strocka 2011,
308-310.
609 Krencker - Schede 1936, 36-38.
610 Miltner 1959a, 265 mit Abb. 126.
611 Allgemein zur Ikonografie s. LIMC VIII (1997) 115-125 s. v. Tyche (L. Villard).
612 Meyer 2006, 335-338.
613 Der als späteres Ersatzstück zu klassifizierende Architrav 029A weist hingegen keine Inschrift auf. s. dazu Kap.
1.4.2.3 und Kap. 1.5.3.
614 Vgl. dazu ausführlich Kap. 1.6.4. Die Zugehörigkeit des Scheitel Steins zum Originalbestand der Kaiserzeit ist
durch die Ausarbeitung der Omamentleisten und den Inschriftenrest gesichert.