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Waldner, Alice; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Die Chronologie der Kuretenstraße: Archäologische Evidenzen zur Baugeschichte des unteren Embolos von Ephesos von der lysimachischen Neugründung bis in die byzantinische Zeit — Forschungen in Ephesos, Band 11,4: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2020

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52321#0178
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6 PROZESSIONSSTRASSE - SÄULENSTRASSE - HANDWERKS-
QUARTIER: DIE ENTWICKLUNG DES UNTEREN EMBOLOS
VOR DEM HINTERGRUND STRATIFIZIERTER FUNDKOM-
PLEXE
Die anhand der Auswertung relevanter Fundkomplexe festgestellte Entwicklung und Bauge-
schichte sowie der Funktionswandel des unteren Embolos sollen im Folgenden noch einmal
zusammengefasst und in Bezug zu der restlichen Kuretenstraße und der unmittelbaren Umgebung
gesetzt werden985.
In der 294 v. Chr. gegründeten lysimachischen Neustadt, die am Hafen liegt, mit einer Mauer
befestigt ist und sich zwischen dem Artemision und Ortygia (Abb. 49), dem mythischen Geburts-
ort der Artemis, befindet986, kommt dem Embolos eine wichtige Rolle zu. Er bildet eine schräg
durch das Stadtgebiet ziehende Hauptachse, entlang derer die Artemismysterien in Form von
Prozessionen bis in die späte römische Kaiserzeit zelebriert wurden. Die urbanistische Entwick-
lung von Arsinoeia/Ephesos erfolgte allerdings anfangs recht zögerlich. Ein von der Oberen
Agora stammender Hortfund mit 19 Münzen der Arsinoe-Prägeserie (289 und 281 v. Chr.) sowie
Keramik des späten 4. und frühen 3. Jahrhunderts bezeugen erste Siedlungsaktivitäten in die-
sem Areal bereits zur Zeit der Neugründung durch Lysimachos987. Gegen 270/260 setzen auch
Bebauung und Fundmaterial auf der Unteren Agora (= Tetragonos Agora) ein988. Diese Evidenzen
können mit der inschriftlich genannten »West-Agora« in Verbindung gebracht werden989. Eine
die Agora querende Straße, die dem 3. Jahrhundert v. Chr. zugeordnet wird und geophysikalisch
entlang des Hafenbeckens weiter verfolgt werden konnte, sowie eine Nord-Süd verlaufende
Mauer unter dem Bibliotheksvorplatz werden ebenfalls dem 3. Jahrhundert v. Chr. zugerechnet
(Abb. 47)"°. Vermutlich ist davon auszugehen, dass der Embolos bereits bei der Neuanlage der
Stadt als Verbindung zwischen der Oberen und der Unteren Agora geplant wurde, eine geschot-
terte Wegtrasse mit einer Begrenzungsmauer ist im Bereich der späteren Kuretenhalle jedoch
erst für das späte 3. und frühe 2. Jahrhundert v. Chr. nachzuweisen (Abb. 50, Nr. 8)991. Auch das
älteste Monument an der Südseite des Embolos - das hellenistische Brunnenhaus - dürfte erst
im späten 3. Jahrhundert oder frühen 2. Jahrhundert v. Chr. errichtet worden sein. In die Zeit um
200 v. Chr. datieren außerdem ein Brunnen und ein Hof- oder Straßenpflaster im Hanghaus l992.
Erst wesentlich später - im zweiten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. - kam das Heroon
hinzu. Bezüglich der Interpretation des Monuments als Heroon des Androklos ergab sich anhand
des Fundmaterials aus den Fundamentgruben keine Verifizierung, darüber hinaus ist dessen
Datierung entgegen früherer Datierungsvorschläge um einige Jahrzehnte später anzusetzen993.
Das Gebäude hatte allerdings von Beginn an auch eine Brunnenfunktion, war also - wie das
hellenistische Brunnenhaus - auch ein öffentlicher Nutzbau994.

985 Die Stadtgeschichte von Ephesos von der hellenistischen bis in die türkische Zeit findet sich zusammengefasst bei
Ladstätter 2012, 11—41. Übergreifende Studien zur Stadtplanung in Ephesos sind außerdem durch Scherrer 2001
und Groh 2006 vorgelegt worden.
986 Zur lysimachischen Stadt s. Strab. 14, 640. Stadt und Hafen der hellenistischen Neugründung werden jüngst in
Ladstätter 2016 behandelt. Ausführlich zur Gründung der neuen Stadt durch Oikismos und die Quellen zusammen-
fassend s. Ladstätter 2016, 234-253, bes. 238-240. Zum Embolos und der Unteren Agora in späthellenistischer
bis augusteischer Zeit s. außerdem Scherrer 2006a, 55-57.
987 Ladstätter 2016, 246; Karwiese 2007, 188 f.
988 Scherrer 2006a, 55 f.
989 IvE 1381; Scherrer 2006b, 56 Anm. 296.
990 Ladstätter 2016, 247; Jobst 1983, 178-184.
991 Es muss hier allerdings berücksichtigt werden, dass nur selektive Tiefgrabungen durchgeführt wurden.
992 Ladstätter - Lang-Auinger 2001; Thür 2009, 16.
993 s. o. Kap. 5.1.3.
994 s. o. Kap. 3.5.5. Thür 2009, 16 verweist in ihrer Interpretation des Heroons als Erinnerungsbau für den Stadtgründer
Androklos u. a. auf die in der Gründungslegende von Ephesos wichtige Quelle Hypelaia und das offensichtliche
 
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