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Klebinder-Gauß, Gudrun; Österreichisches Archäologisches Institut [Contr.]
Bronzefunde aus dem Artemision von Ephesos — Forschungen in Ephesos, Band 12,3: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2007

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47143#0046
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II. Fibeln

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Fibeln phrygischer Art dieses Fundorts, jene aus dem Tumulus W, können zumindest in die erste Hälfte des
8. Jahrhunderts, wenn nicht sogar früher datiert werden223. Besonders reich an Fibelfunden sind der Tumulus
III und der Tumulus MM, das sog. Midasgrab. Die Fibeln wurden z. T. am Gewand der Bestatteten angebracht,
häufig aber auch in größerer Zahl in Säckchen, die man in die Grabkammer legte, gegeben. Die große
Fundzahl in den einzelnen Gräbern und die Deponierung in Säckchen lassen darauf schließen, dass Fibeln in
Gordion eine besondere Bedeutung im Totenkult hatten224. Eine Funktion als Bestandteil der Trachtausstattung
belegen Darstellungen auf den Felsreliefs von Ivriz225 und Khorsabad226, wo Fibeln phrygischer Art mit nach
unten hängendem Bügel am Gewand getragen werden. Anhaltspunkte für die zeitliche Einordnung geben
neben den Fibeln aus Gordion und den genannten Reliefdarstellungen die Funde aus Bogazköy und aus
Grabhügeln in der Umgebung von Ankara. Nach dem heute bekannten Fundbestand kann eine Herkunft
dieser Fibelgruppe aus Phrygien als gesichert gelten, wobei Gordion eines der bedeutendsten Zentren der
phrygischen Fibelproduktion gewesen zu sein scheint227.
Fibeln phrygischer Art wurden in großer Zahl auch außerhalb des phrygischen Kerngebietes gefunden.
Während sie östlich von Anatolien kaum vorkommen228, sind sie an der kleinasiatischen Westküste und auf
den vorgelagerten Insel besonders häufig belegt. Bedeutende griechische Fundplätze sind neben Ephesos die
‘Umgebung von Izmir’, Milet229, Rhodos, Samos, Chios und Lesbos. Der Großteil der Fibeln stammt hier aus
Heiligtümern, während sie in Gräbern230 nur sehr vereinzelt aufgefunden wurden. Die Frage muss daher offen-
bleiben, ob Fibeln phrygischer Art auch Bestandteil der ionischen Tracht waren231. Jedenfalls waren sie auch
am griechischen Festland verbreitet, sie stammen hier vor allem aus den großen Heiligtümern von Perachora,
Argos, Olympia und Pherai232; darüber hinaus gelangten vereinzelte Exemplare bis nach Westgriechenland233.
Einfall der Kimmerier in Gordion s. auch u. Anm. 1451. l4C-Analysen von Holzbalken aus der Kammer des Tumulus MM weisen
auf eine Datierung des Tumulus um 740 v. Chr. hin. Zur laufenden Diskussion: G. Sams - M. Voigt, Gordion 2001, in: XXIV
Kazi Sonuqlari Toplantisi, 27.-31. Mayis 2002, Ankara (2003) 139 ff.; K. De Vries u. a., New dates for Iron Age Gordion, Antiquity
77, Nr. 296, 2003 (http://antiquity.ac.uk/ProjGall/devries/devries.html); Sams 2005, 18: DeVries 2005, 43; Kritisch dazu: O. W.
Muscarella, The Date of the Destruction of the Early Phrygian Period at Gordion, Ancient West and East 2, 2002, 225 ff.; D. .1.
Keenau, Radio-Carbon Dates from Gordion, Ancient West and East 3, 1, 2004. 100 ff.
223 Der Tumulus W wird allgemein für den ältesten Grabhügel in Gordion gehalten. Die Datierungen sind allerdings sehr unterschied-
lich. Young datierte den Tumulus einmal um 900 v. Chr., einmal um die Mitte des 8. Jhs.: dazu K. De Vries in: Young 1981. 198 f.
Qaner 1983. 5 f. datiert die Fibeln aus dem Tumulus W nach stilistischen Kriterien in die 1. Hälfte bis Mitte des 8. Jhs. Durch
die Neudatierung des Zerstörungshorizonts am City Mound und der Tumuli P und MM wird sich auch für den Tumulus W eine
frühere Datierung als bisher angenommen ergeben.
224 Muscarella 1967a, 52 mit Anm. 16; Muscarella. 1967b, 85 f. Muscarella nimmt an, dass man die Fibeln dem Toten für eine
Verwendung im Jenseits mitgab. Ähnlich auch Qaner 1983, 201 f. Muscarella (Anm. 219) 196 widerspricht Qaner allerdings
darin, dass die Fibeln speziell als Grabbeigaben hergestellt wurden und davor nicht im Alltag getragen worden waren.
225 Der Träger der Fibel auf dem Relief ist der König Urballa von Tyana, ein König von Tabal. Das Relief kann nicht genau datiert
werden; es wird unterschiedlich in die Zeit um 738 v. Chr. (Muscarella 1967a, 19 f.; Muscarella 1967b, 83 f.), um 730 v. Chr. (E.
Akurgal, Orient und Okzident [1966] 133 f. Abb. 30) oder um 720-713 v. Chr. (Boehmer 1972, 46 f.; Boehmer 1983, 78 f. Taf.
21,1) eingeordnet. Vgl. auch Young 1981, 156; Qaner 1983, 173 f. Taf. C.
226 Der Träger der Fibel wird aufgrund seines Schmucks als Phryger identifiziert; das Relief wird 710/09 v. Chr. datiert: R. D. Barnett.
Early Greek and Oriental Ivories, JHS 68, 1948, 9 Abb. 7; vgl. auch Muscarella 1967b. 82 ff. Taf. 2, 1: Boehmer 1972, 51 f. Abb.
24a. b.; Boehmer 1983, Abb. 1. 2; Young 1981, 244; Qaner 1983, 67.
227 So u. a. Muscarella 1967a, 35 ff.; Boehmer 1972, 46; Young 1981, 241 f.; £aner 1983, 201. 208.
228 Vgl. die Fundortangaben bei Muscarella 1967a, Appendix C und die Verbreitungskarten bei Boehmer 1983, Abb. 8.
229 Unter den Fibeln aus dem Aphrodite-Heiligtum am Zeytintepe und der Siedlung am Kalabaktepe haben Fibeln phrygischer Art
einen Anteil von etwa einem Drittel, wobei es sich vor allem um in lokalen Werkstätten hergestellte Stücke handelt: Donder 2002,
3 f.
230 Westnekropole von Samos: Löwe 1996, 47 Grab 36. 15. 16 Farbabb. 4; Antissa auf Lesbos: W. Lamb, Antissa, BSA 31, 1930/31,
174 ff.; ders., Antissa, BSA32, 1931/32, 63 f.; Sapouna-Sakellarakis 1978, 122 Nr. 1602. 1610-1613 Taf. 50; 126 Nr. 1637-1640
Taf. 52; Schiff’sches Grab auf Thera: Dragendorff 1903, 303 Abb. 489t; lalysos: Sapouna-Sakellarakis 1978, 126 f. Nr. 1675.
231 So auch Donder 1994, 95. Bei den aus Gräbern stammenden Fibeln phrygischer Form aus Samos, Thera und Lesbos handelt es
sich ausschließlich um lokale Erzeugnisse; vielleicht darf man das als Hinweis darauf werten, dass die ostgriechischen Ausfüh-
rungen von Fibeln phrygischer Art zur heimischen Trachtausstattung gehörten, während die Importstücke aus Phrygien ausschließ-
lich als Votive in Heiligtümern verwendet wurden.
232 Vgl. die Verteilungskarte bei Boehmer 1972, Abb. 30.
233 Zwei Fibeln phrygischer Art aus einem Grab in Pithekoussai auf Ischia sind wahrscheinlich in das letzte Viertel des 8. Jhs. zu
datieren: Muscarella 1967a, 40 Anm. 17 Taf. 11, 59. 60. Qaner 1983, 111 Anm. 2; 122 hält die Fibeln aufgrund der Form des
Nadelhalters für eine Nachahmung, ebenso Boehmer 1972, 60. Die Fibeln gehören der Gruppe H nach Qaner an. (j/aner 1983,
 
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