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IX | Das Vediusgymnasium im topografischen Kontext

(Martin Steskal)

IX. 1 Bauzeit - Mitte 2. Jahrhundert n. Chr.
Ephesos erlebte im Gegensatz zu anderen Städten wie etwa Pergamon oder Smyrna erst unter Antoninus Pius und Marc Aurel den Höhepunkt seiner
städtebaulichen Entwicklung1698. Angeregt wurde diese Steigerung der Bauaktivitäten u. a. durch das Auftreten freigebiger Bürger - insbesondere der
Familie der Vedier - und deren großzügige Baupolitik. Das überaus positive Verhältnis zwischen dem Kaiser Antoninus Pius und der Stadt, in der er
in den Jahren 135/136 den Prokonsulat bekleidete1699, sowie seine generösen Zuwendungen förderten die in großem Tempo vorangetriebenen städte-
baulichen Maßnahmen1700. In seine Regierungszeit fallen beispielsweise die Errichtung eines fünften Aquädukts1701, die Neugestaltung des Bouleuteri-
ons1702 sowie die Errichtung des ‘Parthermonuments’1703 und des Vediusgymnasiums1704. Die zahlreichen Baumaßnahmen führten zu wirtschaftlicher
Prosperität und bedingten weiteren Zuzug in die Stadt.
Unter den Vediern tat sich vor allem der Dritte der männlichen Linie, M. Claudius P. Vedius Antoninus Phaedrus Sabinianus, als Bauherr - u. a. des
Vediusgymnasiums - hervor. Um sein ehrgeiziges Projekt der Errichtung eines monumentalen Thermengymnasiums umsetzen zu können, benötigte P.
Vedius Antoninus zunächst ein geeignetes Grundstück. Da in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Bauplatz im Stadtzentrum kaum noch vorhanden
war, entschloss man sich, das Areal nördlich des Stadions aufwendig zu terrassieren, um so neues Bauland zu gewinnen1705. Die Terrassierung des
Geländes bedeutete einen enormen Arbeitsaufwand, ermöglichte aber die Umsetzung dieses Bauprojektes an prestigeträchtiger Stelle: Die Lage un-
mittelbar an der Prozessionsstraße1706, die nördlich des Stadions verläuft, ist nämlich weniger als exponiert, sondern vielmehr als überaus prominent
zu bezeichnen. Ähnliches kann für das Ostgymnasium geltend gemacht werden, das ebenso aus Ermangelung eines entsprechenden Grundstückes
dezentral im Südosten der Stadt errichtet wurde. Inwieweit im Zuge der Terrassierungsarbeiten ältere Bausubstanz zerstört werden musste, konnte im
Bereich des Vediusgymnasiums, das unmittelbar auf dem gewachsenen Fels errichtet wurde, archäologisch nicht nachgewiesen werden. Die feierliche
Einweihung des Gebäudes zu Ehren der Göttin Artemis, des Kaisers Antoninus Pius und der Stadt erfolgte nach nur kurzer Bauzeit zwischen 147 und
149 n. Chr. während der Statthalterschaft des L. Antonius Albus in der Provinz Asia1707.
Als Baugrund wurde folglich ein Areal gewählt, das schon seit der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. unter kontinuierlicher Frequentierung und Be-
siedlung stand1708. Während man von der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. bis in die klassische Zeit anhand der Fundspektren Siedlungsaktivität im
weiteren Areal des Vediusgymnasiums annehmen muss, ist in hellenistischer Zeit ein diesbezüglicher Hiat zu konstatieren. Das Fehlen hellenistischer
Befunde und die überaus geringe Zahl an kontemporären Funden können u. a. mit dem ungeklärten Verlauf der lysimachischen Stadtmauer im Bereich
des Bad-Gymnasiums in Verbindung zu bringen sein: Durch die massiven Terrassierungsarbeiten im Zuge der Errichtung des Thermengymnasiums in
der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. ist der Verlauf der natürlichen Geländekante im Norden und Nordosten des Gebäudes nämlich verfälscht. Die
hellenistische Stadtmauer könnte demzufolge durchaus weiter im Süden, in unmittelbarer Nähe zur Säulenstraße, der via sacra, verlaufen sein. Damit
wäre das kaiserzeitliche Vediusgymnasium knapp außerhalb der hellenistischen Stadt gelegen. Groß angelegte Siedlungsaktivität ist im Bereich des
Vediusgymnasiums in hellenistischer Zeit jedenfalls auszuschließen; sie wird sich auf andere Bereiche der Stadt konzentriert haben1709. In der Kaiser-
zeit wird die in diesem Areal funktionslose Mauer rückgebaut und das Baumaterial anderwärtig, wie etwa in der Terrassenmauer nördlich des Vedius-
gymnasiums, wieder verwendet. Insgesamt nimmt das Bad-Gymnasium - gemäß den urbanistischen Forschungen von St. Groh1710 - drei ‘Stadtflächen’
ein, wobei die beiden äußeren ‘Stadtflächen’ (Regio 1, SF 1721 und 1723) eine Breite von 45 m und die mittige Fläche (Regio I, SF 1722) eine
Breite von 40 m aufweisen würden. Da sich das Gebäude an der zwischen Stadion und Vediusgymnasium verlaufenden via sacra orientiert, ist seine
Längsachse um ca. 3° nach Nordwesten aus dem römischen Stadtraster gedreht1711.

1698 Vgl. Halfmann 2001, 73 ff.; Karwiese 1995, 105 ff.; P. Scherrer in: H. Koester
(Hrsg.), Ephesos. Metropolis of Asia. An Interdisciplinary Approach to its Archae-
ology, Religion, and Culture, Harvard Theological Studies 41 (1995) 13 ff.; Scher-
rer 2001, 78 f.; D. Knibbe in: ANRW 11 7, 2 (1980) 787-791 s. v. Ephesos (His-
torisch); Groh 2006, 72 ff.
1699 s. IvE 279.
1 Halfmann 2001, 75 f. 94 f. - Zur Einführung regelmäßiger Geburtstagsfeiern für
den Kaiser s. IvE 21 Z. 21 ff.
1701 Keil 1922-24, 117 ff.
1 °- Bier 1999, 7-18; Meinel 1980, 117—130; E. Fossel in: Festschrift F. Eichler (1967)
72-81.
' In der heftig geführten Diskussion um die zeitliche Stellung des ‘Parthermonu-
ments’ trat P. Liverani zuletzt deutlich und überzeugend für eine Datierung in frü-
hantoninische Zeit ein: P. Liverani in: Friesinger - Krinzinger 1999, 645; vgl. auch
C. C. Vermeule, Roman Imperial Art in Greece and Asia Minor (1968) 95 ff.;
Price 1984, 158 ff. sowie H. Taeuber in: W. Seipel - W. Oberleitner (Hrsg.), Das
Partherdenkmal von Ephesos. Akten des Kolloquiums. Wien 27.-28. 4. 2003,
Schriften des Kunsthistorischen Museums 10 (2006) 25-31; A. Landskron, ÖJh 75,
2006, 143-183. — Die Vertreter der Spätdatierung gehen hingegen von einer Er-
richtung nach der Verkündigung des Sieges über die Parther 166 n. Chr. (Karwiese
1995, HO) bzw. der Konsekration des Lucius Verus 169 n. Chr. aus (W. Oberleit-
ner in: Friesinger — Krinzinger 1999, 623; ders. u. a., Funde aus Ephesos und

Samolhrake, Katalog der Antikensammlung II [1978] 92 f.; T. Ganschow, AA 1986,
211; W. Jobst, ÖJh 54, 1983, 218; M. Laubenberger in: Friesinger - Krinzinger
1999, 649).
' 04 Neben diesen bekannten Baumaßnahmen sind weitere Aktivitäten überliefert, die
aber nicht immer mit einem konkreten Gebäude in Verbindung gebracht werden
können. So stiftete der Archiereus Asias Aristokrates (IvE 618) in den Jahren 139/40
Gelder für Arbeiten, die wahrscheinlich mit dem Theater oder Stadion Zusammen-
hängen.
1705 Zu den geologischen Voraussetzungen: J. C. Kraft - 1. Kayan - H. Brückner - G.
(Rip) Rapp, Jr., ÖJh 69, 2000, 175-233: Das Gelände nördlich des Vediusgymnasi-
ums ist zum Zeitpunkt seiner Errichtung schon vollständig verlandet.
1706 Zum Verlauf s. D. Knibbe - G. Langmann, Via Sacra Ephesiaca I, BerMatÖAI 3
(1993) 9 ff.; Groh 2006, 71 f. 85 f. 92. 107.
1707 Vgl. M. Steskal in Kapitel III. 17.2.
1708 s. dazu vor allem M. Kerschner - I. Kowalleck - M. Steskal in: Kerschner u. a.
2008, Kapitel IV.
1709 Zur Urbanistik und Topografie von Ephesos ab hellenistischer Zeit s. Groh 2006,
47-116; Scherrer 2001, 58-93. bes. 61 ff. 80 ff; F. Hueber, Ephesos. Gebaute
Geschichte (1997) bes. 39 ff. 49 ff; Karwiese 1995, 64 Karte 4; A. Bammer, ÖJh
46, 1961-63, 136 ff.
1710 Groh 2006, 81.
1711 Vgl. Groh 2006, 81.

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