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Fiedler, Conrad
Hans von Marees — München: Nymphenburger Verlagshandl., 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.51228#0046
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Marees befand sich mit der Aufgabe, zu deren Lösung er sich
berufen fühlte, vor einer eigentümlichen Schwierigkeit. Jedes
Werk der bildenden Kunst leidet an der Zweideutigkeit, die ihm
sein doppelter Inhalt, sein künstlerischer als bildnerischer Natur-
ausdruck und sein stofflicher als Darstellung eines Gegenstandes
oder Vorganges verleiht. Solange ein gesteigertes Kunstleben
den künstlerischen Rücksichten ihr unbedingtes Vorrecht wahrt,
ist dies für den Schaffenden bedeutungslos; er wird mit gleicher
Bereitwilligkeit jedes Stoffgebiet ergreifen, weil er auf jedem
mit der gleichen Freiheit seinen Zielen nachzugehen vermag. In
unserer Zeit dagegen wenden sich gerade die ernsten Begabungen
— ich nenne nur Männer wie Feuerbach, Böcklin, Thoma —
von der Darstellung alles dessen ab, was das Zeitinteresse for-
dern würde. Es ist dies nur zu begreiflich, wenn man bedenkt,
daß heutzutage die Produktion von der Forderung gegenständ-
licher Darstellung beherrscht wird. Die Zeit verlangt die Betei-
ligung der Kunst an allen ihren Aufgaben, ohne weiter darnach
zu fragen, wie die Kunst dabei ihren eigenen Aufgaben gerecht
werden kann; sie nimmt die Unfähigkeit in ihren Dienst, die
zufrieden ist, wenn sie um des Inhalts willen ihren anspruchs-
vollen Leistungen den Schein einer Bedeutung geben kann. Die
Kunst, die sich um ihrer selbst willen entwickeln möchte, sieht
sich unwillkürlich von den Lebensgebieten verdrängt, die sich
ihr ungesucht darbieten würden. Dies mußte auch Marees an sich
erfahren; die Jahre waren längst für ihn vorüber, in denen er
es unternommen hatte, „Schills Tod“ zu malen. Die Gebiete,
die ihn nun zur Gestaltung anregten, weisen darauf hin, daß er
nach Befreiung von stofflicher Bedingtheit trachtete. Die antike
Welt, einzelne Erzählungen der Bibel, die Gestalten gewisser
Heiliger, wie des hl. -Georg, des hl. Hubertus, des hl. Martin,
waren es, die seine Phantasie beschäftigten. Gegenstände, wie
„Urteil des Paris“, „Paris und Merkur“, ,5Raub der Helena“,
„Amazonenschlacht“, „Raub der Sabinerinnen“, „Narciss“, spiel-
ten eine Zeitlang eine besondere Rolle in seinen Plänen und
Entwürfen. Dann ist es wieder „Die keusche Susanna“, die Er-
zählung aus der Apostelgeschichte von dem Apostel Philippus
und dem Kämmerer aus Mohrenland, die ihn anziehen. Es sind
lauter Vorwürfe, bei denen das Interesse an dem sogenannten

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