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Fiedler, Conrad
Hans von Marees — München: Nymphenburger Verlagshandl., 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.51228#0050
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Anschauung der noch von ihm vorhandenen Werke nur eine
ungenügende Vorstellung geben. Seine Ziele waren keine nahe-
liegenden, richteten sich nicht auf einzelne bestimmte Werke.
In der Art seines Schaffens lag es, daß er viele Versuche wieder
vernichtete und nach immer neuen Arten des Ausdrucks suchte.
Nur wer mit ihm gelebt hätte, würde diesen unablässigen Kampf
haben beobachten können, durch den sich eine wunderbare Na-
turanschauung in immer neuen Wandlungen zum Dasein empor-
drängte. Von allen seinen Freunden hat ihn doch keiner mehr
als eine Strecke weit auf seinem Weg begleitet, niemand vermag
sich Rechenschaft über alle die einzelnen Phasen seiner großen
Lebensarbeit zu geben. Das, was uns jetzt noch zugänglich ist,
was oft nur ein Zufall erhalten hat, was uns bald unfertig, bald
in einem Zustand absichtlicher Entstellung vorliegt, vermag uns
nur entfernt anzudeuten, welcher bedeutende Gestaltungsprozeß
hier durch innere und äußere Mißstände an einer freien und
großen Entfaltung verhindert worden ist.
Von den ersten Jahren seines römischen Aufenthalts an ent-
wickelte sich bei Marees aus der Zusammenordnung von meist
nackten Figuren in landschaftlichen Situationen eine eigentüm-
liche Welt künstlerischer Vorstellungen; er stellte sich sofort
auf einen unmittelbaren Naturboden und gewann damit den
reinen Ausgangspunkt, von dem aus er dem Reiche der Sicht-
barkeit beikommen konnte, ohne den Umweg über die Dar-
stellung aller der Verkleidungen zu nehmen, unter denen das
Leben die ursprüngliche Gestalt der Dinge zu verbergen pflegt.
Dies bildete den Mittelpunkt seines Schaffens; dahin kehrte er
wie zu seiner Hauptaufgabe immer wieder zurück; darin fand
er die Sprache, in der er unmittelbar seine reichen Naturerleb-
nisse zum Ausdruck bringen konnte. Er ging dabei scheinbar
sehr einfach zu Werke. Seine Landschaften sind von großem
Reiz und doch sucht man in ihnen vergeblich nach Außerge-
wöhnlichem; Wiesengründe, sanft hügeliges Terrain, mäßige
Baumgruppen, ab und zu ein Wasserspiegel, eine ferne Berg-
linie, das ist alles, was er dem Auge vorführt. Zuweilen bereichert
er das Bild durch eine architektonische Andeutung, eine Halle
oder dergleichen, einen Raum, in dem sich Menschen bewegen
können. Seine Figuren drücken kaum etwas anderes aus, als ein

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