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Fiedler, Conrad
Hans von Marees — München: Nymphenburger Verlagshandl., 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.51228#0064
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segensreiche Bewegung im Leben der Kunst hätte ausgehen
können. Er hatte das Bedürfnis, mit seiner Zeit, für seine Zeit
zu leben; nichts lag ihm ferner, als die unerquickliche Rolle eines
verkannten Genies zu spielen. Er gehörte nicht zu denen, die
sich in grollender Überhebung von der Welt abwenden; er ver-
langte nach Teilnahme und Sympathie, und er war überzeugt,
daß er sie bei den Besten finden würde, wenn es ihm gelänge,
das zu leisten, was nur den Besten genügen sollte. Und er wußte
auch, daß unter den jüngeren Künstlern manche waren, die,
von einem ähnlichen Streben beseelt, wie er selbst, doch aus
eigener Kraft nicht vermochten, sich der beirrenden Einflüsse
der Zeit zu erwehren und sich selbst treu zu bleiben. Diese um
sich zu sammeln, sie zu leiten, an seinem eigenen Lebenswerke
zu beteiligen, um mit ihnen inmitten einer allgemeinen Ver-
äußerlichung der Kunst, ein Beispiel wahren Künstlertums auf-
zustellen, das war für ihn nicht nur ein Wunsch, sondern eine
Aufgabe, die er sich stellte.
Und auch hier zeigte sich sein großer und männlicher Sinn.
Bei der Abgeschlossenheit, in der sich diese Bestrebungen von
dem öffentlichen Leben befanden, bei dem mangelnden Erfolg
lag es nahe, daß sich eine Art Sektengeist herausbildete. Das
Leben auf römischem Boden ruf^ ohnehin leicht em gewisses
anmaßliches Selbstgefühl hervor, eine Art von Geringachtung
aller, die an dem Leben der Zeit, an den Interessen des Tages
tätigen Anteil nehmen. Er mochte zuweilen die Erfahrung
machen, daß diejenigen, die in seine Welt eintraten, meinten,
in den Hafen ihrer Bestimmung eingelaufen zu sein; daß sie
sich etwas darauf zu gute taten, auf die Teilnahme der Welt
verzichten zu können, weil sie einer Gemeinschaft angehörten,
die besser sei als jene Welt. Marees konnte sehr ungehalten
werden, wenn er sich so mißverstanden sah; immer und immer
wieder wies er darauf hin, daß man auf eigenen Füßen stehen
und der Allgemeinheit angehören müsse, um etwas zu sein.
„Seine Freunde zu befriedigen“, so drückte er sich in einem
Briefe aus, „ist noch lange keine Kunst; die fängt erst an, wo
man die Gleichgültigen aus ihrer Ruhe aufschreckt. Gibt man
zuviel auf das Urteil der Freunde, so verfällt man leicht in
Weichlichkeit und in die Verliebtheit gewisser Dinge, die keine

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