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Fimmen, Diedrich
Die Kretisch-mykenische Kultur — Leipzig, 1921

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9190#0152
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144 Spätmykenische Periode

malern.') Die bekannte Kriegervase von
Mykenä2) und eine ihr eng verwandte
bemalte Stele") gehören in diese Zeit;
da die letztere in einem mykenischen
Grab der Unterstadt verbaut war, ge-
hört-sie und die Kriegervase nicht erst
dem letzten Ausgang der mykenischen
Kultur an. Die letzte Phase wird charak-
terisiert durch das Vorherrschen der Bü-
gelkannen, deren Ornamentik auf ein
paar Firnisstreifen und unkenntlich ge-
wordene Blüten beschränkt ist; daneben
findet sich häufig die sogenannte Pil-
gerflasche. Elfenbeinschnitzereien und
Schmucksachen aus Glasmasse treten
gerade in den jüngsten Fundschichten
und Gräbern am häufigsten auf.
Von größter Bedeutung ist die Einheitlichkeit der Kultur in dieser Epoche: Vasen von
der Argolis, Thessalien, Kreta und Rhodos sind oft nicht zu unterscheiden. Die Bedingungen
zur Entstehung dieser Koine sind schon oben S. 89 ff. besprochen worden, ebenso wie der
Umfang des Kulturgebiets in dieser Zeit der weitesten Verbreitung.

Soviel ist sicher, daß der materielle Wohlstand während der künstlerischen Entartung
und des geistigen Verfalls noch ein sehr großer war.

Das Schwergewicht ruhte dabei auf dem Festland. Während die am Ende der zweiten
spätminoischen Periode zerstörten Paläste von Knossos und Phästos öde lagen oder nur
teilweise bewohnt wurden, waren die Burgen und Paläste von Tiryns und Mykenä neu
befestigt und neu ausgeschmückt worden. Besonders in Tiryns ist durch die Erforschung
der Baugeschichte und die glänzende Rekonstruktion des Freskenschmuckes ein ganz neues
Bild von der Machtfülle eines spätmykenischen Herrschersitzes wiedergewonnen; daß der
äußere Festungsring mit den Gal\erien und die Ummauerung der Unterburg erst aus dieser
Zeit stammt, war ein ganz unerwartetes Resultat der letzten Ausgrabungen.1) Der Bau-
typus des mykenischen Megaron hat sich um diese Zeit weiter verbreitet, wie Phylakopi
und vereinzeltes Eindringen nach Kreta zeigt.5)

Neben den Siedlungen sind zahlreiche Nekropolen und Einzelgräber für die Erkennt-
nis der spätmykenischen Kultur wichtig. Von den Kuppelgräbern, in denen keramisches
Beweismaterial leider häufig fehlt, gehören mehrere thessalische, ferner Orchomenos, Me-
nidi, einige in Mykenä und eins in Tiryns wohl in diese Zeit. Am häufigsten sind die in
der vorigen Periode nur vereinzelt (z. B. in Theben) auftretenden Felskammern; Nauplia
und Ialysos auf Rhodos sind typische Nekropolen dieser Art. Auf Kreta entsprechen ihnen

1) M. V. Text 27ff. Abb. 14—17; B. C. H. 31, 1907, 230ff. Nr. 5 und 7.

2) M. V. Taf. 42, 43. 3) Eph. 1896 Taf. 1; Rodenwaldt, Tiryns II 186ff.
4) Dragendorff, A. M. 1913, 329ff. 5) Vgl. oben S. 54.
 
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