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durch Cosimo I. zusammen mit allen anderen bildenden Künstlern bis auf Michelangelo aus
der "Accademia Fiorentina" ausgeschlossen wurde, der er seit dem 21.5.1545 angehört
hatte257. Als der Stich entstand, wurde Bandinelli darüber hinaus bei der Behandlung
kunsttheoretisch brisanter Fragen übergangen. Bei der Umfrage von Benedetto Varchi zum
paragone in den Jahren 1546 und 1547 wurde Bandinelli beispielsweise nicht zu Rate
gezogen, wohl aber sein Rivale Cellini, der gleichwertig mit Michelangelo behandelt wur-
de258. Dies muß für Bandinelli eine schwere Schmach bedeutet haben, war für ihn doch die
Anerkennung seiner Meinung zu dieser theoretischen Frage sehr wichtig, wie sich in seinem
"Memoriale" zeigt. Dort erwähnt er neben zahlreichen von ihm verfaßten theoretischen
Schriften auch eine Abhandlung zum paragone, die dem Herzog Cosimo I. gewidmet sein
sollte259. Zu der Ausgrenzung Bandinellis aus der gelehrten Debatte scheint letztlich eine
Rivalität mit Varchi geführt zu haben, welche laut Bandinelli auf Differenzen in Fragen der
Gelehrsamkeit mit dem Humanisten basierten260. So erzählt Bandinelli, er habe Varchis
literarisch-historische Kompetenz in Bezug auf eine Tacitus-Passage im Beisein des Herzog
Cosimos in Frage gestellt261. Diese negative Beurteilung beruhte auf Gegenseitigkeit, wie
Cellinis Urteil zeigt, bei Bandinelli sei die Einbildung mit Unwissen bekleidet262. Neben den
Antworten Bandinellis in Sonett-Form auf diese öffentlichen Attacken gegen seine literarisch-
theoretische Kompetenz263 konnte der Bildnisstich, als eine für ihn kongenialere Ausdrucks-
form, dazu dienen, im gesellschaftlichen Bewußtsein die Anerkennung als Intellektueller
sowie als Vorbild für literarische und künstlerische Tugend durchzusetzen.
Dieser Anspruch auf eine künstlerische Vorbildstellung wird im Bonner Stich unmißver-
ständlich durch die Struktur der Gesamtkomposition zum Ausdruck gebracht, welche
programmatisch die abgebildeten Modelle in räumlich-chronologischer Schichtung anordnet,
und damit eine eindeutige Werteskala suggeriert. So symbolisieren im untersten Bereich der
Löwe, welcher eine zur Zeit Bandinellis bewunderte hellenistische Plastik aus dem
römischen Kapitol zitiert, und die um ihn liegenden Torsi, die ebenfalls zu jener Zeit
bekannte Skulpturen zeigen (vgl. Kat.-Nr. 33), die Bildung des Bildhauers und seine
Kenntnis der antiken Kunst. Durch die Verwendung ausschließlich auf Skulptur bezogener
Symbolik, und nicht etwa von üblichen Bildungsmetaphem, wie es z. B. Bücher waren, die
Bandinelli bereits in seinen ’Accademia’-Darstellungen gewählt hatte, wird im Stich die enge
Verbindung der Bildhauertätigkeit mit den theoretischen Werten der Antike betont264. Aus

251 Heikamp (1957) S. 141-143.
“* Vgl. Mendelsohn (1982) S. 147 ff.
259 Vgl. Bandinelli/Colasanti S. 429. Die von Bandinelli erwähnten Schriften sind nicht überliefert. Zum Beitrag
Bandinellis in der Diskussion des paragone vgl. auch Berti (1992) S. 49 ff.
260 Vgl. Wazbinski (1987) I, S. 70.
261 Bandinelli/Colasanti S. 429: "In accagione di un luogo di Tacito ... gli dissi in presentia del Duca che egli era
più poeta che istorico" ("Bezüglich einer Tacitus-Passage ... sagte ich ihm im Beisein des Herzogs, daß er eher ein
Dichter als ein Historiker sei" [Übersetzung der Verfasserin]).
262 Cellini/Carpani S. 15 f., S. 165: "Presunzione vestita d’ignoranza".
263 Er berichtet zum Beispiel von seinen Sonetten gegen Vasari, Varchi und Alfonso de’ Pazzi, vgl.
Bandinelli/Colasanti S. 428 f.
264 Bandinelli wies auf seine Kenntnis der Antike hin, auch um die eigene literarische Virtuosität herauszustellen,
welche er von den Zeitgenossen verkannt sah. In seinem geistigen Testament, dem "Memoriale", betont er, wie
seine Werke für alle sichtbar und öffentlich zu bewundern seien, während seine stetige, gelehrte Beschäftigung mit
den Größen der antiken Literatur verborgen geblieben sei, da er sich dieser Leidenschaft wegen seiner vielfältigen
Arbeitspflichten nur Nachts gewidmet habe, anstatt sich dann Ruhe zu gönnen (Bandinelli/Colasanti S. 422, S. 428):
"Quanto alle mie opere di scultura .., non occorre che io parli, perchè sono apparenti in luoghi pubblici e privati.
 
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