Vorwort
„Wie Bettler vor der Kirchentür“ — so sitzen mit vernähten Augen
Büßergruppen in Dantes Purgatorio — vor der Kirchentür bleibt bei
Dante der Leser, der die Augen nicht zu brauchen weiß.
Als „Biblia pauperum“ für diese Armen, als Schatzbehalter für die
Reicheren, in deren Phantasie sich das poetische und künstlerische Ge-
bilde zur Einheit findet, ist dies Buch gedacht. Es will von des Dich-
ters gestaltender Kraft, die nun seit 600 Jahren wirkt, etwas bannen
und fassen lassen.
Denn wenn dieser große Geist noch nach sechs Jahrhunderten bei
uns gefeiert werden kann, so muß die Menschheit etwas von ihm
empfangen haben, was lohnt, sich seiner Wirkung zu freuen: er kann
nicht bloß den politischen Charakteren, den moralisch und kirchlich
gesinnten, den belesenen Freunden der Literatur zum Spiegel dienen.
Gefeiert wird die seltene Fülle dieser Natur mit dem harmonischen
Zusammenklang aller Sinne, und die noch seltenere Anschauung vom
inneren und äußeren Leben, deren Einheit es eben zuwege brachte,
daß durch den großen Künstler in Dante der große Denker heut
noch lebt.
Das siegreich Elementare dieser Gestaltungskraft wird immer un-
begreiflich bleiben. Aber wo die Erklärer nur Schlingen umherlegten,
in denen sich der Intellekt verstrickte, haben schöpferische Naturen
besser als Leser und Kommentatoren den Dichter verstanden: was
jenen fehlte, war den Künstlern in Fülle gegeben: Anschauung!
Damit wußten sie das Wesen seiner Schöpfung zu deuten; sie sollten
darum die nächsten sein, die bei seiner Feier zu Worte kommen.
Fisch el, Dante und die Künstler. 1
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„Wie Bettler vor der Kirchentür“ — so sitzen mit vernähten Augen
Büßergruppen in Dantes Purgatorio — vor der Kirchentür bleibt bei
Dante der Leser, der die Augen nicht zu brauchen weiß.
Als „Biblia pauperum“ für diese Armen, als Schatzbehalter für die
Reicheren, in deren Phantasie sich das poetische und künstlerische Ge-
bilde zur Einheit findet, ist dies Buch gedacht. Es will von des Dich-
ters gestaltender Kraft, die nun seit 600 Jahren wirkt, etwas bannen
und fassen lassen.
Denn wenn dieser große Geist noch nach sechs Jahrhunderten bei
uns gefeiert werden kann, so muß die Menschheit etwas von ihm
empfangen haben, was lohnt, sich seiner Wirkung zu freuen: er kann
nicht bloß den politischen Charakteren, den moralisch und kirchlich
gesinnten, den belesenen Freunden der Literatur zum Spiegel dienen.
Gefeiert wird die seltene Fülle dieser Natur mit dem harmonischen
Zusammenklang aller Sinne, und die noch seltenere Anschauung vom
inneren und äußeren Leben, deren Einheit es eben zuwege brachte,
daß durch den großen Künstler in Dante der große Denker heut
noch lebt.
Das siegreich Elementare dieser Gestaltungskraft wird immer un-
begreiflich bleiben. Aber wo die Erklärer nur Schlingen umherlegten,
in denen sich der Intellekt verstrickte, haben schöpferische Naturen
besser als Leser und Kommentatoren den Dichter verstanden: was
jenen fehlte, war den Künstlern in Fülle gegeben: Anschauung!
Damit wußten sie das Wesen seiner Schöpfung zu deuten; sie sollten
darum die nächsten sein, die bei seiner Feier zu Worte kommen.
Fisch el, Dante und die Künstler. 1
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