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Galerie Fischer <Luzern> [Editor]
Auktion / Galerie Fischer: Khmer- und Siamplastiken: Kollektion eines ausländischen Privatsammlers ; Auktion in Luzern, Freitag, den 26. August ; Ausstellung daselbst vom 1. August 1932 an — Luzern, [Nr. 33].1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.8377#0011
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Buddhas in scheinbarer Einförmigkeit wiederholt, aber, wie gerade die Ausstellung im Gewerbe-
museum zeigt, doch dem aufmerksamen Beschauer Unterschiede verrät, die deutlich die ver-
schiedenen Richtungen und Entwicklungen erkennen lassen. Speziell auf dem Boden Siams haben
sich nach Raum und Zeit ganz verschiedene Kunststile herausgebildet, indem der Kontakt mit
den benachbarten Kulturzentren, Cambodschas einerseits, Burmas und Vorderindiens anderseits,
nie ganz verloren ging und sich in Inhalt und Form der Kunstwerke nachweisen lässt.
Siam scheint den Anstoss von Cambodscha erhalten zu haben. Des letzteren Kunst erreicht
schon im 11. bis 13. Jahrhundert ihre Blüte und strahlt dabei auch nach den benachbarten Gebieten
aus. Sie wird getragen von den Mon-Khmer, einer Gruppe von Völkern, die nach der Sprach-
verwandtschaft zu schliessen, sich bis in die Inselwelt Polynesiens verbreitet hat. Sie bilden in
den erwähnten Jahrhunderten einen mächtigen Staat, dessen religiöse Aspirationen eben in den
gewaltigen Tempelbauten von Ankhor Wat und Angkhor Tom und vielen andern als Ruinen
auf uns gekommen sind. Diese Khmer-Kunst ist aber keineswegs die älteste; das noch wenig
bekannte Reich von Funan hat noch ältere Denkmäler hinterlassen. Jene aber schafft, in deut-
lich provinzieller Abwandlung des cambodschanischen Stiles auf dem Boden von Südsiam, jene
scharf geschnittenen Buddhaköpfe in Stein, die trotz dem strengen Kanon porträthaften Zügen
Platz geben. Später bezeichnet die nach dem Zentrum Lopburi benannte Kunstrichtung einen
eigenen Stil. Bei deutlicher Bevorzugung des Steins entsteht — in der Sammlung im Gewerbe-
museum in einer Anzahl prachtvoller Buddhaköpfe repräsentiert — jener Typus, der durch die
weichen Umrisse, die gerade Nase, den vollen Mund sich charakterisiert. Die Blütezeit der
Lopburiplastik mag ins 14. bis 16. Jahrhundert fallen.

Inzwischen waren in Nordsiam die aus Südchina stammenden Thai eingebrochen und hatten
ein Reich gegründet. In den Städten Chiengsen, Chiengmai und Lampun entstehen ihre Bauten
und Denkmäler als Zeugen einer Kunst, die dem südsiamesischen Khmer- und Lopburi-Stil nichts
nachgibt. Sie beherrschen schon seit dem 12. Jahrhundert den Bronzeguss in vollendeter Weise.
Die Ausstellung im Gewerbemuseum zeigt eine Anzahl hierher gehöriger monumentaler Köpfe,
die auch den Laien sofort ahnen lassen, dass es sich hier um einen andern Geist handelt. Die
kräftigen Locken, die wulstigen Brauen, der scharfe Mund, die oft individuell gestaltete Nase
erwecken den Eindruck einer stark entwickelten, beinahe als eine Art Barock anzusprechenden
Kunstrichtung. Diese nördliche Kunst spricht am unmittelbarsten zu uns und ist bei aller Wah-
rung des strengen Kanons sehr lebendig.

Noch einmal kehren wir nach dem Süden zurück. Die Ruinenstätte von Ajuthia unweit von
Bangkok bewahrt die Reste der Kultur eines Reiches, das von der Mitte des 14. bis ins 17.
Jahrhundert bestanden hat. Seine künstlerische Ueberlieferung hat in dieser Zeit allerhand
Wandlungen durchgemacht und namentlich ist der Einfluss Burmas und Vorderindiens in der
Ausschmückung der Bronzefiguren mit Kronen, Schmuck und sonstigem Dekor bei keiner andern
Kunstrichtung so ausgeprägt; ja sie stellt zuletzt eine richtige Verschmelzung aller Stile dar.
Ihre Erzeugnisse finden auch am ehesten europäische Liebhaber, während sich der Kenner mehr
den einfachen und grosszügigeren Schöpfungen der andern Perioden zuzuwenden pflegt.
In jedem Fall vermittelt die Ausstellung im Gewerbemuseum einen seltenen Einblick in eine
der bedeutendsten Provinzen menschlichen Kunstschaffens, und der erste Eindruck einer gewissen
Einförmigkeit wird bei näherer Betrachtung bald der reizvollen Erkenntnis der einzelnen Rich-
tungen und Stile weichen.

Ausser diesen Plastiken enthält die Ausstellung aber auch eine Reihe sehr interessanter Tempel-
bilder, die einerseits durch den geschlossenen Stil der Heiligendarstellung, anderseits durch eine
genrehafte Fülle von Landschaften und Vorgängen verraten, auf welch hohe Kultur Siam
zurückblicken kann. Auch diese Bilder sind ein künstlerisches Ereignis für Bern. Man versäume es nicht.
 
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