Die Landschaften
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verschiedene zarte wie hingehauchte schwarze Linien, die Vorzeich-
nung mit dem Metallstift. In dieser Weise hat Dürer zunächst die Um-
risse für die ganze Landschaft gezogen gehabt. In der Pinseltechnik
erinnern manche Stellen an die eben besprochene Burgruine in Bremen
L. II, 108, auch an das Tal bei Kalchreut in Berlin L. 14. Aber das
reicht nicht aus, um die Entstehungszeit des Blattes einigermaßen
sicher zu bestimmen. Es bedeutet also nur einen Vorschlag, wenn ich
es in die zweite Reise nach Venedig, den Sommer 1505, versetze.
Von allen bisher besprochenen Landschaften Dürers hat keine
einzige eine Jahreszahl, keine einzige ein Zeichen von Dürers Hand.
Die erste Landschaftsstudie mit Jahreszahl und Zeichen wäre die
Felswand aus rötlichem Gestein von 1506 in London L. III, 238,
wenn Jahreszahl und Zeichen wirklich unanfechtbar wären, worüber
ich schon S. 67 gesprochen habe. Aber das Blatt gibt allerhand Rätsel
auf. Schon äußerlich macht es einen seltsamen Eindruck, wenigstens
in der farbigen Nachbildung bei Lippmann. Es wirkt wie ausgeschnit-
ten und auf ein anderes Papier aufgeklebt. Die wichtigste Frage, die
sich an diese Studie knüpft, ist die: wo hat Dürer im Jahre 1506 diese
Aufnahme gemacht? In Venedig, wo er vom Januar bis in den Sep-
tember oder Oktober 1506 hinein ununterbrochen zu tun hatte, selbst
verständlich nicht. Also blieben für die Aufnahme die letzten drei
Monate des Jahres übrig. Er ist da in Bologna gewesen, wie lange,
wissen wir nicht. Kommt in dessen Umgebung derartiges Gestein vor?
Wohl kaum. Indessen ist das eine Frage, die nur der Geologe von
Fach beantworten kann. Nun wächst aber in einer Ecke des Gesteins
eine niedrige Tanne oder Fichte und daneben steht ein großer ab-
gestorbener Baum derselben Art. Das weist weg aus Italien. Dann
kämen also wohl nur die Alpen in Betracht. Die hätte Dürer aber erst
auf der Rückreise nach Nürnberg Wiedersehen können. Aber er hat ja
die Rückreise nicht schon 1506, sondern erst im Frühjahr 1507 von
Venedig aus angetreten. Nimmt man es als Tatsache hin, daß 1506
und das Zeichen nicht von Dürer selbst geschrieben sind, so gibt es zur
Erklärung der Jahreszahl 1506 nur einen Ausweg aus dieser Schwie-
rigkeit: Dürer hat diese Felsstudie 1505 im Sommer auf der Hinreise
nach Venedig gemacht, vielleicht in derselben Gegend, in der er auch
das verfallene Schloß auf hohem Felsen von ebenfalls rötlicher Farbe
L. II, 108 aufgenommen hat. Er hat das Blatt, wie alle seine früheren
Landschaften, weder mit Jahreszahl noch mit Zeichen versehen. Er
hat es dann 1506 in Venedig an einen seiner Verehrer verschenkt, und
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verschiedene zarte wie hingehauchte schwarze Linien, die Vorzeich-
nung mit dem Metallstift. In dieser Weise hat Dürer zunächst die Um-
risse für die ganze Landschaft gezogen gehabt. In der Pinseltechnik
erinnern manche Stellen an die eben besprochene Burgruine in Bremen
L. II, 108, auch an das Tal bei Kalchreut in Berlin L. 14. Aber das
reicht nicht aus, um die Entstehungszeit des Blattes einigermaßen
sicher zu bestimmen. Es bedeutet also nur einen Vorschlag, wenn ich
es in die zweite Reise nach Venedig, den Sommer 1505, versetze.
Von allen bisher besprochenen Landschaften Dürers hat keine
einzige eine Jahreszahl, keine einzige ein Zeichen von Dürers Hand.
Die erste Landschaftsstudie mit Jahreszahl und Zeichen wäre die
Felswand aus rötlichem Gestein von 1506 in London L. III, 238,
wenn Jahreszahl und Zeichen wirklich unanfechtbar wären, worüber
ich schon S. 67 gesprochen habe. Aber das Blatt gibt allerhand Rätsel
auf. Schon äußerlich macht es einen seltsamen Eindruck, wenigstens
in der farbigen Nachbildung bei Lippmann. Es wirkt wie ausgeschnit-
ten und auf ein anderes Papier aufgeklebt. Die wichtigste Frage, die
sich an diese Studie knüpft, ist die: wo hat Dürer im Jahre 1506 diese
Aufnahme gemacht? In Venedig, wo er vom Januar bis in den Sep-
tember oder Oktober 1506 hinein ununterbrochen zu tun hatte, selbst
verständlich nicht. Also blieben für die Aufnahme die letzten drei
Monate des Jahres übrig. Er ist da in Bologna gewesen, wie lange,
wissen wir nicht. Kommt in dessen Umgebung derartiges Gestein vor?
Wohl kaum. Indessen ist das eine Frage, die nur der Geologe von
Fach beantworten kann. Nun wächst aber in einer Ecke des Gesteins
eine niedrige Tanne oder Fichte und daneben steht ein großer ab-
gestorbener Baum derselben Art. Das weist weg aus Italien. Dann
kämen also wohl nur die Alpen in Betracht. Die hätte Dürer aber erst
auf der Rückreise nach Nürnberg Wiedersehen können. Aber er hat ja
die Rückreise nicht schon 1506, sondern erst im Frühjahr 1507 von
Venedig aus angetreten. Nimmt man es als Tatsache hin, daß 1506
und das Zeichen nicht von Dürer selbst geschrieben sind, so gibt es zur
Erklärung der Jahreszahl 1506 nur einen Ausweg aus dieser Schwie-
rigkeit: Dürer hat diese Felsstudie 1505 im Sommer auf der Hinreise
nach Venedig gemacht, vielleicht in derselben Gegend, in der er auch
das verfallene Schloß auf hohem Felsen von ebenfalls rötlicher Farbe
L. II, 108 aufgenommen hat. Er hat das Blatt, wie alle seine früheren
Landschaften, weder mit Jahreszahl noch mit Zeichen versehen. Er
hat es dann 1506 in Venedig an einen seiner Verehrer verschenkt, und