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Galerie Flechtheim; Waetjen, Otto von [Ill.]; Goesch, Paul [Ill.]
Otto von Waetjen, Paul Goesch, Renée Sintenis: vom 10. April bis 1. Mai 1920 — Düsseldorf: Galerie Alfred Flechtheim, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.70168#0020
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dem Quirinal. Und deshalb werden Monumente gemacht, die
man umpusten kann. Zur Abwechslung könnte einmal gelten,
die große, die größte Plastik müsse immer klein sein, niedlich,
Spielzeug, und man könnte nachweisen, daß das bei Phidias
zutrifft, ja sogar bei dem Ramses in Turin; daß gerade der
Zauber, der berückendste, auf der Möglichkeit beruht, mit jedem
Maß, das angeschlagen wird, Fangball zu spielen. Gut an
dieser Kleinplastik ist just das Diminutive, die sachliche Pro-
jizierung auf die unsachliche Menagerie, was soviel heißen will
wie Ueberwindung alles Kleinkrams mit dem Kleinen; daher
der Zollstock aufhört und nur Reichtum übrigbleibt, relativer
Reichtum, der krösushaft sein kann, reiche Regsamkeit, Tanz
der Materie. Auf der Suche nach kunstwissenschaftlicher Be-
Stimmung zögert man fast, die Griechen zu nennen, weil auch
dieser Begriff längst kinematographiert ist. Doch handelt es sich
ganz gewiß nicht um das Spree-Griechentum der deutschen
Nachahmer Mailolis, noch um die Verdickung Marees'scher Erb-
schäft, um keinen Stil, der vor dem Spiel gemacht wird und
über den man nachher auf das Tanzen vergißt. Es ist natürlich
auch Wissen dabei. Warum muß eine Frau unbedingt dumm sein?
Aber das Wissen ist nach dem blitzenden Blick in die Erscheinung
gekommen. Erst zuckte es marionettenhafi in den Fingern, bog
sich zu Rundheit, gab einen Rhythmus, der wie die Rückenbiegung
eines Rehes aussah. Das war wie ein erstes, inneres Lächeln
eines Mädchens, das allein für sich ist. Dann kam Wissen von
griechischen Terrakotten und allen möglichen Zierlichkeiten hinzu
und half der Silbe zum Wort, gab dem Rehhaften aus einem
ungeschriebenen Märchen, aus einer spielend erhaschten Natur
den Halter der Erfahrung. Eine Frau redet so, modelliert so, sich,
ihr Leben, wenn sie das Glück hat, in ihrem Leben zu bleiben,
selbst Reh ihrer Menagerie. Die neueren Deutschen haben nie
bei dem Leben bleiben können, für das sie geboren waren. Stets
trat in die zierliche und etwas schläfrige Idylle eines Tages der
aufgeblasene Zyklop und zertrampelte das Gärtchen, machte
tiefgründiges Chaos daraus, Unsinn. Die Frau bewahrt sich
vielleicht, weil eine Ordnung in ihr ist, die keines Chaos bedarf,
um beweglich zu bleiben. JULIUS MEIER-GRAEFE.
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